L 16 KR 929/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 675/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 929/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 34/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.11.2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird endgültig auf 1.696,84 Euro für die Berufung festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten für eine Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin betreibt ein gemäß § 108 SGB V zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenes Krankenhaus.

Der bei der beklagten Krankenkasse (im Folgenden: Beklagte) versicherte Herr S M (im Folgenden: Versicherter) wurde in der Zeit vom 23.01.2015 bis 26.02.2015 wegen eines Kehlkopfkarzinoms im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt.

Die Klägerin stellte für die Behandlung Kosten in Höhe von 12.373,76 EUR (exklusive der vom Versicherten zu zahlenden Zuzahlung i.H.v. 280,00 EUR) in Rechnung, die die Beklagte zunächst vollständig beglich.

Die Beklagte leitete unter dem 17.03.2015 ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Der Prüfauftrag wurde wie folgt eingegrenzt: primäre/sekundäre Fehlbelegung sowie Kodierung. In der entsprechenden Prüfanzeige vom 20.03.2015 bat der MDK die Klägerin formularmäßig "um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen aller beteiligten Fachabteilungen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse über den o.g. Aufenthalt bezogen auf die o.g. Auffälligkeiten bzw. den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten; mindestens jedoch den ausführlichen Entlassungsbericht (inkl. Laborparameter) und den/die OP-Bericht(e)". Die Klägerin stellte dem MDK daraufhin am 26.03.2015 den Entlassungs- und OP-Bericht vom 26.02.2015 bzw. 12.02.2015 zur Verfügung.

Der MDK gelangte in Person von Frau Dr. G in einem Gutachten vom 23.07.2015 zu der Einschätzung, dass die stationäre Behandlung vom 23.01.2015 bis 18.02.2015 medizinisch indiziert gewesen sei. Insbesondere der Zeitraum zwischen der Tumorkonferenz am 30.01.2015 und der am 12.02.2015 erfolgten Operation sei aber nicht plausibel. Es sei zwischenzeitlich nur am 03.02.2015 die PEG-Anlage erfolgt und nur noch die pflegerische Versorgung bis zur Operation durchgeführt worden. Der Zeitraum zwischen Tumorkonferenz und Operation habe um mindestens acht Tage verkürzt werden können.

Am 11.08.2015 verrechnete die Beklagte den Unterschiedsbetrag in Höhe von 2.262,44 EUR mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall der Versicherten N T, die vom 29.07.2015 bis 31.07.2015 im Krankenhaus der Klägerin behandelt worden war.

Am 01.12.2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben, mit der sie nach Rücknahme der Klage im Übrigen noch die Zahlung eines Betrages von 1.696,84 EUR begehrt hat.

Der stationäre Aufenthalt im Zeitraum zwischen Tumorkonferenz und Operation sei medizinisch notwendig gewesen. Eine frühere Entlassung sei wegen der Gesamtsituation des Versicherten und der aufgetretenen Komplikationen im Zusammenhang mit der PEG-Anlage nicht möglich gewesen. Der Versicherte habe wegen Stridor- und Trachealsekrets mehrmals abgesaugt werden müssen. Aus der "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Absatz 2 KHG" ergebe sich keine Verkürzung oder ein Ausschluss ihres Zahlungsanspruchs. Die vom MDK angeforderten Unterlagen (der ausführliche Entlassungs- und OP-Bericht) seien an diesen versandt worden. Die Regelungen nach der PrüfvV seien insofern eingehalten worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.696,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.08.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich in medizinischer Hinsicht auf die Einschätzung des MDK berufen. Ohnehin dürfe eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht im Klageverfahren nicht mehr uneingeschränkt erfolgen, weil das Ergebnis des Prüfverfahrens nach der PrüfvV für die Klägerin bindend sei. Die Klägerin habe dem MDK nicht alle relevanten medizinischen Unterlagen, wie angefordert, übersandt, so dass sie mit medizinischen Einwänden nach der PrüfvV präkludiert sei. Die PrüfvV laufe ins Leere, wenn Beanstandungen außerhalb der dort vorgesehenen Fristen, die als Ausschlussfristen (hier: § 7 Abs. 5 PrüfvV) zu qualifizieren seien, möglich wären. Zwar könne noch im Gerichtsverfahren von Amts wegen ermittelt werden, dies müsse jedoch wegen der Zielsetzung der Beschleunigung durch die PrüfvV auf die Unterlagen beschränkt werden, die dem MDK zur Verfügung gestanden hätten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Sozialgericht sei nicht nachvollziehbar und dieses unterliege einem Verwertungsverbot.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nach Aktenlage erstellten HNO-ärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. T1 vom 09.05.2016. Auf das Gutachten wird der Einzelheiten wegen verwiesen. Die Klägerin hat die Klage in der Folge hinsichtlich eines Betrages von 565,60 EUR zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 04.11.2016 zur Zahlung eines Betrages von 1.696,84 EUR nebst Zinsen verurteilt. Dieser Betrag stehe der Klägerin infolge der stationären Behandlung der Versicherten N T vom 29.07.2015 bis 31.07.2015 zu. Der Vergütungsanspruch sei nicht durch Verrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten S M erloschen. Dessen Behandlung sei im Zeitraum vom 23.01.2015 bis 24.02.2015 medizinisch notwendig gewesen, wie sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T1 ergebe. Erst ab dem 24.02.2015 hätte die Behandlung auch ambulant erfolgen können, weil der Versicherte nun erstmals selbstständig die Kanüle habe wechseln können. Dem Anspruch stehe auch eine Verletzung der Vorgaben der PrüfvV nicht entgegen. Die Klägerin habe die vom MDK angeforderten Entlassungs- und OP-Berichte fristgemäß zur Verfügung gestellt. Dass der MDK in der Prüfanzeige standardisiert um Vorlage aller Unterlagen gebeten habe, die für die Prüfung relevant sein könnten, gehe nicht zu Lasten der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ein Krankenhaus nach der PrüfvV nicht verpflichtet, ungefragt und unspezifiziert sämtliche Unterlagen einzureichen, die aus seiner Sicht erforderlich sind, um die Abrechnung zu erläutern. Nach § 7 Abs. 2 PrüfvV obliege es dem MDK vielmehr, die Übersendung konkreter Unterlagen zu verlangen, die er zur Beurteilung benötige. Ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin die PrüfvV nicht verletzt habe, ergäbe sich auch bei einem etwaigen Verstoß gegen diese Vereinbarung kein anderes Ergebnis. Dies würde weder zu einer Präklusion in medizinisch-tatsächlicher Hinsicht noch zu einer eingeschränkten Amtsermittlung durch das Gericht führen.

Gegen das der Beklagten am 21.11.2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung vom 19.12.2016. Die Klägerin habe dem MDK nur Teile der Patientenakte zur Verfügung gestellt. Die Unterlagenanforderung durch den MDK sei nicht abschließend gewesen. Die Klägerin hätte alle ("sämtliche") Unterlagen vorlegen müssen, aus denen sich die Notwendigkeit der stationären Behandlung ergebe. Sowohl die Deutsche Krankenhausgesellschaft als auch der GKV-Spitzenverband seien sich in ihren Umsetzungshinweisen zur PrüfVV 2015 diesbezüglich einig. Das Krankenhaus müsse selbstständig die vom MDK angeforderten Unterlagen ergänzen/vervollständigen. Aus den vorgelegten Unterlagen habe sich die Notwendigkeit stationärer Behandlung nur bis zum 03.02.2015 ergeben. Dies hätte auch die Klägerin erkennen können. Die Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV sei nicht eingehalten. Nach Satz 4 bestehe nur Anspruch auf Zahlung des unstrittigen Betrages. Insoweit liege eine Ausschlussfrist vor. Das Bundessozialgericht (BSG) gestehe den Vertragsparteien Regelungskompetenz sogar hinsichtlich der Prüfeinleitung innerhalb von sechs Wochen zu. Damit sei auch die Regelungskompetenz hinsichtlich der Regelung materiell-rechtlicher Einschnitte verbunden. Mit dem Gutachten des MDK vom 23.07.2015 sei das Prüfverfahren abgeschlossen gewesen. Die gerichtliche Amtsermittlungspflicht sei durch die Regelungen der PrüfvV eingeschränkt. Auch die Gerichte seien insofern aufgrund des normsetzenden Charakters gebunden. Es widerspreche der Systematik der PrüfvV 2015, wenn die einzige dort vereinbarte Mitwirkungspflicht der Krankenhäuser unverbindlich wäre. Angesichts des Informationsgefälles zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen bzw. dem MDK wäre dies eine unangemessene Benachteiligung der Krankenkassen.

Das Sozialgericht hätte daher nur auf Grundlage der vom Krankenhaus dem MDK vorgelegten Unterlagen ermitteln dürfen.

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen beruhten im Übrigen nur auf Vermutungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.11.2016 zu ändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die PrüfvV nur das Nähere zum Prüfverfahren regeln solle und dürfe. Die Regelung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen sei davon nicht erfasst. Dies sei auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG nicht erfasst. Die Klägerin sieht sich durch zahlreiche erstinstanzliche Rechtsprechung bestätigt. Zudem habe der MDK hier konkrete Unterlagen angefordert, die ihm auch übersandt worden seien. Sämtliche geforderten Unterlagen seien "unter dem Datum des 26.03.2015" fristgerecht eingegangen. Er hätte ggf. Unterlagen nachfordern müssen. Im Ergebnis sei dem MDK nahezu die vollständige Patientenakte übersandt worden. Ohnehin könne eine vertragliche Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner die Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte nach § 103 SGG nicht in zulässiger Weise einschränken. Hierzu hätte § 276 SGB V geändert werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der den Versicherten M betreffenden Patientenakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Gerichtsakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.11.2016 ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen (echten) Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R -, BSGE 117, 82-94, SozR 4-2500 § 109 Nr. 40, Rn. 7 m.w.N.) zu Recht stattgegen und die Beklagte verurteilt, die stationäre Behandlung ihrer Versicherten N T im Zeitraum vom 29.07.2015 bis 31.07.2015 mit einem Betrag von 1.696,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.08.2015 von 1.696,84 EUR zu vergüten.

Insoweit ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund der stationären Behandlung der Versicherten T einen Vergütungsanspruch in (zumindest) entsprechender Höhe hatte. Eine nähere Prüfung durch den erkennenden Senat erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens zuletzt etwa BSG, Urteil vom 08.10.2019 - B 1 KR 2/19 R -, juris, Rn. 8 m.w.N.). Dieser Vergütungsanspruch erlosch nicht durch Aufrechnung (Verrechnung) entsprechend § 387 BGB. Der Beklagten stand ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe der noch streitigen Klageforderung gegen die Klägerin wegen nicht erforderlicher bzw. unwirtschaftlicher Behandlung ihres Versicherten M nicht zu.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 7/15 R -, SozR 4-7610 § 242 Nr. 8, Rn. 8 m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung).

Eine Leistung ohne rechtlichen Grund lässt sich vorliegend nicht feststellen. Vielmehr stand der Klägerin aufgrund der Behandlung des Versicherten M ein Zahlungsanspruch in Höhe der (noch streitigen) Klageforderung zu. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (zur ständigen Rechtsprechung BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 7/15 R -, SozR 4-7610 § 242 Nr. 8, Rn. 9).

Unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T1 ist für den Senat (jedenfalls) nicht feststellbar, dass die Behandlung des Versicherten M bis zum 24.02.2015 nicht medizinisch erforderlich i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V oder unwirtschaftlich war. Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob sich dies - wie vom Sozialgericht mit guten Gründen angenommen - positiv feststellen lässt. Denn grundsätzlich trägt die Krankenkasse für einen Erstattungsanspruch gegen ein Krankenhaus wegen angeblich überhöhter Vergütung die materielle (objektive) Beweislast. Insoweit gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R -, BSGE 104, 15-26, SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, Rn. 35). Für einen Ausnahmefall, in dem es bei der Beweislast des Krankenhauses für die Erfüllung der Voraussetzungen seines Vergütungsanspruchs trotz Zahlung der Krankenkasse bleibt, ist vorliegend aus dem Inhalt des Veraltungsvorgangs der Beklagten nichts ersichtlich oder vorgetragen. Eine Zahlung unter einem die Beweislast wahrenden Vorbehalt ist danach nicht erfolgt (vgl. zu den Voraussetzungen eines solchen Vorbehalts BSG, Urteil vom 30.06.2009, a.a.O. Rn. 36 - 38).

Der Sachverständige Prof. Dr. T1 ist unter Berücksichtigung der Patientenakte und insbesondere der auch der der dokumentierten Vorbefunde nach laserchirurgischer Tumorentfernung und Strahlentherapie im Jahr 2005 zur gut begründeten Überzeugung gelangt, dass der stationäre Aufenthalt nach ärztlicher Erfahrung bis zum 24.02.2015 nachvollziehbar war. Er belegt diese Schlussfolgerung konkret unter Heranziehung der dokumentierten gesundheitlichen Einschränkungen und Befunde. Der Sachverständige beschränkt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht auf eine Vermutung hinsichtlich einer nicht vor dem 11.02.2015 gegebenen Operationsfähigkeit, wenn er diese für indirekt nachvollziehbar hält. Dadurch bringt er lediglich zum Ausdruck, dass nicht explizit vermerkt ist, dass Operationsfähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt nicht gegeben war. Zugleich weist er darauf hin, dass ein Hinweis auf eine zu einem bestimmten Zeitpunkt (noch) nicht gegebene Operationsfähigkeit (nicht wie die Beklagte ausführt der Gründe für eine solche) aufgrund fehlender unmittelbarer medizinischer Relevanz nicht zu dokumentieren war. Gleichwohl begründet er seine Schlussfolgerung zur Nachvollziehbarkeit mit den dokumentierten Angaben und Befunden.

Die eingehenden Ausführungen des Sachverständigen, hinsichtlich derer Würdigung im Übrigen auf die Entscheidungsgründe der sozialgerichtlichen Entscheidung verwiesen wird, sind insgesamt differenziert, setzen sich mit denjenigen des MDK auseinander und stimmen letzterem hinsichtlich der stationären Behandlungsbedürftigkeit über den 24.02.2015 hinaus auch zu. Dass sie den Umständen der retrospektiven Beurteilung des Sachverhalts durch gelegentlich vorsichtige Formulierungen Rechnung tragen, erscheint dem Senat schlüssiges Ergebnis eben dieser differenzierten Betrachtungsweise. Eine substantiierte, ärztlichen Sachverstand einbeziehende Auseinandersetzung mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen durch die Beklagte fehlt.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren ebenso wie der Sachverständigenbeurteilung der gesamte medizinische Sachverhalt einschließlich der vollständigen Patientenakte zu Grunde zu legen war. Aus der mit Wirkung zum 01.09.2014 getroffenen, alle Behandlungsfälle ab dem 01.01.2015 (bis zum 31.12.2016 und Inkrafttreten der neuen PrüfvV vom 03.02.2016 zum 01.01.2017) erfassenden PrüfvV 2015 ergibt sich Abweichendes entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Nach § 17c Abs. 2 KHG (in der am 01.08.2013 geltenden Fassung) regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in der PrüfvV das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (Satz 1). Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 SGB V bleiben im Übrigen unberührt (Satz 2).

Die PrüfvV 2015 nach § 17c Abs. 2 KHG geht als jüngere und bundeseinheitliche Regelung den landesvertraglichen Bestimmungen nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V vor; eine entsprechende Bestimmung trifft § 11 PrüfvV 2015 (vgl. zu alledem BeckOK SozR/Knispel, 51. Ed. 1.12.2018, SGB V § 39 Rn. 62-72).

Der Senat kann dabei vorliegend dahinstehen lassen, ob die PrüfvV 2015 ausgehend von dem dem MDK erteilten Prüfauftrag überhaupt Anwendung findet. Nach der Rechtsprechung des allein zuständigen 1. Senats des BSG galt die PrüfvV 2015 ebenso wie § 275 Abs. 1c SGB V nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit, nicht aber für sachlich-rechnerische Prüfungen (BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R -, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 30; zur gut begründeten gegenteiligen Ansicht vgl. nur Knispel, GesR 2015, 200, 206). Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung i.S. des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt, soll sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen richten (BSG, Urteil vom 23.05.2017, a.a.O. Rn. 39).

Die Beteiligten und das Sozialgericht gehen zwar übereinstimmend davon aus, dass die PrüfvV einschlägig ist. Auch der MDK legt, was jedoch nach dem vorstehend Ausgeführten nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 18/16 R -, Rn. 37, juris) und jedenfalls mit der Unkenntnis der nicht ohne Weiters nachvollziehbaren Norminterpretation des BSG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318, 1474, 2207/17 -, juris Rn. 33) erklärbar sein dürfte, eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V zugrunde. Dies erscheint aus Sicht des Senats jedoch zumindest zweifelhaft. Denn der Prüfauftrag erfasst - ausgehend vom Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 17.03.2015 - sowohl eine sachlich-rechnerische Prüfung ("Ist die Prozedur 5-403.04 korrekt?") als auch eine Auffälligkeitsprüfung ("Bestand die Notwendigkeit der vollstat. KH-Behandlung nach § 39 SGB V für die gesamte Dauer vom 23.01.2015 bis 26.02.2015?"). In der Anforderung von Unterlagen durch den MDK mit Schreiben vom 20.03.2015 finden sich abweichend davon die folgenden von der Beklagten angeblich mitgeteilten Auffälligkeiten bzw. folgender Prüfanlass:

- Bestand die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V für die Dauer vom. bis zum Punkt ?
- War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet?
- Ist die DRG korrekt?
- Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?
- Ist/sind die Nebendiagnosen (ND) korrekt?
- Ist/sind die Prozeduren korrekt?

Das BSG hat - soweit ersichtlich - die Frage, ob ein solch umfassender Prüfauftrag der PrüfvV 2015 unterfällt, bisher nicht entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R -, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 39, in dem das BSG darauf abstellt, dass es der Krankenkasse um die "richtige Abbildung des Behandlungsgeschehens" ging und "eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung nicht beabsichtigt war."; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R -, juris, Rn. 15: "Der Anwendungsbereich der PrüfvV ist jedenfalls dann eröffnet, wenn die Prüfung erfolgt, um allein die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung (§ 12 Abs. 1 SGB V) zu überprüfen, etwa die medizinische Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung (Auffälligkeitsprüfung)).

Vorliegend kommt es auf die Frage der Einschlägigkeit der PrüfvV 2015 jedoch deshalb nicht an, weil § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015, der nach Auffassung der Beklagten eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dergestalt enthält, dass die Klägerin nur Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag hätte, mithin hier keinerlei (weitere) Zahlung mehr verlangen könnte, weil eine Beurteilung unter Berücksichtigung der gesamten Patientenunterlagen ausschiede, bereits tatbestandlich nicht einschlägig ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2015 kann der MDK bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren die Übersendung einer Kopie der Patientenunterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln (§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV). Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (§ 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV).

Zur Überzeugung des Senats hat der MDK die von ihm benötigten Unterlagen insoweit konkret zu bezeichnen. Nur eine solche Auslegung erscheint auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der PrüfvV gerechtfertigt. Es hätte eine nicht sachgerechte Rechtsunsicherheit zur Folge, könnte sich im Nachhinein ergeben, dass eine bestimmte Unterlage aus Sicht des MDK zur Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit erforderlich war, das Krankenhaus hingegen etwa den Entlassungs- und Operationsbericht für aussagekräftig genug hielt. Bei dieser Auslegung wäre das Krankenhaus aus Gründen der Vorsorge gleichsam gezwungen, in jedem Prüfverfahren durch den MDK die gesamten Patientenunterlagen zu übersenden. Dies wiederum führte dazu, dass die Prüfverfahren vielfach unnötigerweise überfrachtet würden, weil dem MDK oftmals bereits Entlassungs- und/oder Operationsbericht zur Beantwortung der mit der Prüfanzeige aufgeworfenen Fragen genügen könnten. Unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines Massenverfahrens erscheint diese Auslegung mithin nicht praxistauglich, würde zudem einen kaum vertretbaren Mehraufwand auch für die Krankenhäuser bedeuten und die Gefahr nicht sachgerechter Prüfergebnisse begründen. Im Übrigen hätte es bei einem solchen Verständnis nahegelegen, den Krankenhäusern regelhaft die Übersendung der gesamten Patientenakte aufzugeben. Im Übrigen legt die Nachfolgeregelung der PrüfvV vom 03.02.2016 nahe, dass die PrüfvV 2015 insoweit jedenfalls keinen klaren Regelungsinhalt hatte, wenn nunmehr geregelt wurde, dass sowohl der MDK die angeforderten Unterlagen konkret benennen als auch das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen kann.

Ob das Krankenhaus - wie zuletzt behauptet und von der Beklagten bestritten - dem MDK ohnehin nahezu die vollständige Patientenakte übersandte, kann daher dahinstehen.

Selbst wenn man aber entgegen der Auffassung des Senats davon ausginge, dass § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV tatbestandlich einschlägig wäre, wäre allerdings - allein die dem MDK vorliegenden Behandlungsunterlagen zu Grunde legend - der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht feststellbar. Die PrüfvV ist konzipiert für den Zahlungsanspruch des Krankenhauses ("des unstrittigen Rechnungsbetrages") und trifft keine Regelung für einen etwaigen Erstattungsanspruch, für den es bei den allgemeinen Beweislastregeln verbleibt.

Nach alledem kommt auch der Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2015 eine Ausschlussregelung enthalten, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (dazu die erst nach Verkündung der Entscheidung im vorliegenden Verfahren ergangene Entscheidung des BSG, Urteil vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R -, juris, Rn. 16. Das BSG bejaht eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung unter Verweis auf LSG Baden Württemberg (Urteil vom 17.4.2018 - L 11 KR 936/17 - juris, Rn. 53) in einem obiter dictum, ohne sich jedoch auch nur im Ansatz mit den in Literatur und Rechtsprechung diskutierten Fragestellungen auseinanderzusetzen; vgl. dazu etwa Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 109 SGB V, Rn. 224; Middendorf/Haverkamp, KH 2018, 940-946).

Den Zinsanspruch ab dem 12.08.2015 hat das Sozialgericht zu Recht auf § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V unter Berücksichtigung der zum Verrechnungszeitpunkt gegebenen Fälligkeit gestützt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 sowie 47 Abs. 1 GKG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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