Interview

Affäre am Kantonsspital Aarau: Der Gesundheitsdirektor verspricht «schonungslose Aufarbeitung»

Jean-Pierre Gallati ist erst seit einigen Monaten Aargauer Regierungsrat, doch der SVP-Politiker hat bereits alle Hände voll zu tun. Er muss nun die fragwürdigen Vorgänge im grössten Spital des Kantons prüfen – und allenfalls Konsequenzen ziehen.

Simon Hehli
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Der Aargauer SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati will nun genau hinschauen.

Der Aargauer SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati will nun genau hinschauen.

Alessandro Della Valle / Keystone

Herr Gallati, sind Sie über die fragwürdigen Vorgänge am Kantonsspital Aarau (KSA) im Bilde?

Jean-Pierre Gallati: Von einem Grossteil der von Ihnen beschriebenen Vorwürfe habe ich Kenntnis, einiges kannte ich nur vom Hörensagen. Nun ist aber ein entsprechendes Schreiben, welches als Aufsichtsanzeige zu werten ist, beim Departement Gesundheit und Soziales eingegangen. Deshalb haben wir ein Aufsichtsverfahren eingeleitet und prüfen die Vorwürfe.

Umstritten ist insbesondere der flächendeckende Einsatz des Kontrastmittels 5-ALA.

Was den Einsatz dieses Mittels betrifft, laufen in meinem Departement seit dem 5. Juli 2020 Vorabklärungen, die noch nicht ganz abgeschlossen sind. Die bisher vonseiten der Zulassungsstelle Swissmedic vorliegende Einschätzung ist eher vage. Eine weitere Expertenmeinung ist noch ausstehend. Während zehn Monaten hatte ich die Hoffnung, ein grosser Teil der Vorwürfe lasse sich im Gespräch zwischen den Kritikern und der KSA-Führung klären. Jedenfalls habe ich diese Gespräche gefördert.

Fürchten Sie nun um den Ruf des KSA?

Nein, das Kantonsspital Aarau ist ein renommiertes Zentrumsspital. Rund 4600 engagierte Mitarbeiter leisten tagtäglich hochprofessionelle Arbeit. Fehltritte oder Fehlleistungen einzelner Personen vermögen das positive Gesamtbild des KSA nicht zu trüben. Die schonungslose Aufarbeitung der Vorwürfe ist aber wichtig.

Konkret: Braucht das KSA nun eine neue Führung?

Der Regierungsrat und der Verwaltungsrat arbeiten nicht nach dem Prinzip «hire and fire». Zuerst gilt es, die erhobenen Vorwürfe im Rahmen des Aufsichtsverfahrens zu klären. Sollten die Untersuchungen oder die demnächst zu erwartenden Resultate der laufenden GPK-Abklärungen grobe Unzulänglichkeiten in der Führung zutage fördern, wären personelle Änderungen ins Auge zu fassen.

Wenn es offensichtlich am KSA seit Jahren solche Missstände gibt: Warum hat die Politik nicht reagiert?

Die Vorwürfe betreffen in erster Linie die operative Ebene und liegen in der Verantwortung des KSA-Verwaltungsrats und der KSA-Geschäftsleitung. Die Politik kann auf die Ereignisse in einem als Aktiengesellschaft verselbständigten Spital nur beschränkt Einfluss nehmen. Dennoch werden wir nun die gesundheitspolizeilich relevanten Vorwürfe abklären.

Bei den GPK-Abklärungen ging es bisher vor allem um die sogenannte Chefarzthonorar-Affäre: An den beiden grossen Kantonsspitälern soll es zu Manipulationen im grossen Stil gekommen sein. Läuft da etwas grundsätzlich schief im Aargauer Gesundheitswesen?

Das aargauische Gesundheitswesen ist in bester Verfassung, wie sich unlängst während der Corona-Krise gezeigt hat. Aber die bekannten Honorarmanipulationen waren inakzeptabel. Auf Druck der Politik hin haben beide Kantonsspitäler ihre Entschädigungsmodelle so angepasst, dass solche Praktiken nicht mehr möglich sind. Und mindestens ebenso wichtig: Die neuen Lohnmodelle sind nicht mehr mengengesteuert, sondern beruhen auf einem Fixlohnsystem. Der nur noch geringe variable Teil des Lohns ist nicht von der Anzahl der Eingriffe abhängig. Auch exorbitant hohe Saläre sind nicht mehr möglich. Diesen fundamentalen Wechsel haben noch nicht alle öffentlich beherrschten Spitäler in der Schweiz geschafft.