S 15 KR 2143/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2143/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Behandlungsleitung beim OPS 8-980
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 178.764,54 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlungen. Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Die Beklagte Trägerin des Krankenhauses A (nunmehr: Krankenhaus) in M-Stadt.

Die Klägerin erhob am 08.11.2018 Leistungsklage zum Sozialgericht München. Sie macht geltend, dass das Krankenhaus nicht über die Strukturvoraussetzungen verfügt, um den OPS 8-980 abzurechnen. An Wochenenden und Feiertagen sei die Behandlungsleitung ausschließlich an den Rufdienst delegiert worden.

Gestützt wird diese Auffassung auf ein Strukturgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nord vom 08.11.2016, welches hingegen nicht mit der Verwaltungsakte vorgelegt worden ist. Vorgelegt wurden zwei Strukturanalysen bezüglich des Krankenhauses aus dem Jahre 2017, wobei die Aktuellste vom 24.03.2017 datiert.

Danach (Bl. 37 ff. der Verwaltungsakte) habe die Nachprüfung bzgl. der (neurologischen) Stationen 2J und 2K ergeben, dass an Werktagen von Montag bis Freitag eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin auf jeder der beiden Stationen 2J und 2K gewährleistet gewesen sei. Es sei einschränkend anzumerken, dass sich aus den Dienstplänen der Klinik keine eindeutige Zuordnung der Behandlungsleitung zu den Stationen 2J und 2K ergeben habe, so dass im vorliegenden Fall gemäß den Darstellungen der Klinik davon ausgegangen werde, dass bei der Anwesenheit von zwei Oberärzten jeweils einer auf der Station 2J und einer auf der Station 2K tätig gewesen sei. An Wochenend- und Feiertagen sei gemäß den Dienstplänen mindestens ein Oberarzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin in Rufbereitschaft eingeteilt. Eine Anwesenheit der Behandlungsleitung sei an Wochenend- und Feiertagen (9:00 Uhr bis 14:30 Uhr) in einer Arbeitsanweisung geregelt. An dieser Stelle bestehe ein Widerspruch zwischen der Dienstform einer Rufbereitschaft und einer in der Arbeitsanweisung festgelegten Anwesenheit der Behandlungsleitung. Der Punkt könne daher nicht abschließend beurteilt werden.

Mit Vorgutachten vom 20.01.2017 (Bl. 23 ff. der Verwaltungsakte) wird dargelegt, dass in beiden Prüfzeiträumen nicht sichergestellt gewesen sei, dass an jedem Tag eine Behandlungsleitung mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin auf jeder der Stationen 2J und 2K tätig gewesen sei. Insbesondere seien mehrere Tage identifiziert worden, an denen einer der beiden im Dienst befindlichen Oberärzte diese Zusatzweiterbildung nicht gehabt habe. An Wochenenden und Feiertagen sei ein Rufdienst nicht ausreichend, um eine ausreichende Anwesenheit auf der Intensivstation strukturell sicherzustellen. Eine verbindliche Anwesenheit der Behandlungsleitung auf der Intensivstation habe sich nicht ableiten lassen.

Mit aktueller Strukturanalyse vom 24.03.2017 bezüglich der interdisziplinären Station 7A (Bl. 14 ff. der Verwaltungsakte) wird seitens des MDK dargelegt, dass die Behandlungsleitung für die Station 7A an Wochenend- und Feiertagen mittels Rufbereitschaft wahrgenommen worden sei. Anhand einer Arbeitsanweisung besteht die Verpflichtung, eine Visite durchzuführen. Eine Regelung zur Anwesenheit beziehungsweise deren Dauer auf der Intensivstation bestehe für die Behandlungsleitung nicht. In beiden Prüfzeiträumen hätten vier Wochenenden (10./11.10.2015, 24./25.10.2015, 23./24.24.07.2016, 13./14.08.2016) identifiziert werden können, an denen weder die Behandlungsleitung der Anästhesie noch die Behandlungsleitung der Inneren Medizin über eine Zusatzweiterbildung Intensivmedizin verfügt habe.

Mit Vorgutachten vom 20.01.2017 (Bl. 1 ff. der Verwaltungsakte) wird weiter dargelegt, dass sich aus dem Begriff der Behandlungsleitung die Forderung einer täglichen Anwesenheit auf der Intensivstation ergeben würde. Die Behandlungsleitung werde außerhalb der Werktage durch einen Rufdienst wahrgenommen. Die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin sei für diesen Rufdienst über den Dienstplan sichergestellt. Eine Anwesenheitspflicht bestehe strukturbedingt jedoch nicht.

Aufgrund dieser Gutachten, die sich auf Prüfzeiträume vom 01.10.2015 bis zum 31.12.2015 und vom 01.06.2016 bis zum 31.08.2016 beziehen, macht die Klägerin die Streichung der Vergütung der Prozedur 8-980 für zehn Behandlungsfälle im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 (jeweiliges Aufnahme- und Entlassungsdatum in diesem Zeitraum) geltend.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 178.764,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass ein substantiierter Vortrag zur Höhe der geltend gemachten Rückforderungen im jeweiligen Einzelfall fehlen würde. Streitig sei die Strukturvoraussetzung der Behandlungsleitung. Eine allgemeine Strukturprüfung durch den MDK über die Erfüllung von Mindestvoraussetzungen von OPS-Codes sei gesetzlich nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen sei eine Strukturprüfung durchgeführt worden mit Begehung vor Ort am 08.11.2016.

Das Krankenhaus verfüge über eine interdisziplinäre Intensivstation (7A) und eine neurologische Intensivstation mit der Stationen 2J und 2K. Letztere würden unmittelbar nebeneinanderliegen und seien zwei Untereinheiten einer einheitlichen neurologischen Intensivstation. Als Prüfzeiträume seien der 01.10.2015 bis 31.12.2015 und der 01.06.2016 bis 31.08.2016 festgelegt worden. Das Ergebnis der Bewertung sei in einer Strukturanalyse vom 20.01.2017 bekannt gegeben worden. Nach Einwendungen des Krankenhauses sei das Ergebnis der Nachprüfung am 24.03.2017 übermittelt worden.

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft habe mit den Krankenkassen "Rahmenbedingungen für Prüfungen von Strukturmerkmalen in M-Stadt" (Anlage B3, Bl. 38 der Gerichtsakte) vereinbart. Unter Ziffer 5 sei aufgenommen worden, dass bis zum Abschlussgespräch von den Krankenkassen keine Umsetzungsmaßnahmen eingeleitet werden würden. Daher könnten Beanstandungen erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Strukturprüfung und dem Termin des Abschlussgesprächs erfolgen. Rückforderungen für Behandlungsfälle aus dem Jahr 2015 seien daher ausgeschlossen.

Ungeachtet dessen sei das Merkmal der Behandlungsleitung erfüllt. Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation sei gewährleistet gewesen und auch vom MDK bestätigt worden. Eine ständige Anwesenheit des Behandlungsleiters sei nach dem Wortlaut des OPS nicht vorausgesetzt. Ungeachtet dessen sei auf der neurologischen Intensivstation aufgrund der hohen Qualifikation der oberärztlichen Mitarbeiter sichergestellt gewesen, dass jederzeit eine Behandlungsleitung vor Ort mit der geforderten Zusatzqualifikation anwesend war. Eine Behandlungsleitung ausschließlich über eine Delegation an einen Rufdienst habe nicht stattgefunden. An den Wochenenden und Feiertagen sei die Behandlungsleitung vor Ort durch einen entsprechend qualifizierten Facharzt ausgeübt worden. Der entsprechende Dienst beginne regulär um 9:00 Uhr und dauere bis 14:30 Uhr. Im Rahmen dieses Regeldienstes sei die Visite als Kernbereich der Behandlungsleitung erfolgt. Erst nach dem Regeldienst sei der Dienst in einen Rufdienst übergegangen. Der betreffende Oberarzt habe damit innerhalb von 25 Minuten herbeigerufen werden können. Rechtlich sei eine abstrakte Überprüfung von Strukturmerkmalen nicht vorgesehen. Diese sei nur in Zusammenhang mit der nach § 275 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) üblichen Prüfung der OPS-Mindestmerkmale zulässig (Verweis auf Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 24.01.2018, Aktenzeichen S 40 KR 591/13, Bl. 86 ff. der Gerichtsakte). Auch das SG Osnabrück (Urteil vom 14.02.2018, S 34 KR 576/16, juris) habe eine entsprechende Klarstellung zum Strukturmerkmal der Behandlungsleitung verfasst.

Mit Erwiderung vom 10.04.2019 geht die Klägerin davon aus, dass eine abstrakte Strukturprüfung auf der Grundlage von § 275 Abs. 1 mit § 276 SGB V rechtmäßig sei. Das Krankenhaus sei beweisbelastet, dass die Strukturvoraussetzungen vorgelegen hätten, da sich das Krankenhaus auf das Vorliegen berufen würde. Die Strukturvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen, weshalb ein Anspruch auf Erstattung bestanden habe. Ein Behandlungsleiter übernehme die fachliche Verantwortung für die Behandlung des Patienten. Hierzu sei es erforderlich, dass an allen Tagen eine Behandlungsleitung Vollzeit jeden Tag strukturell vorgehalten werde. Hingewiesen wird auf einen Auszug aus den Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, wonach eine Intensivstation durch einen Arzt geleitet werden solle, der die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin habe und hauptamtlich auf der Intensivstation tätig sei (Bl. 37 der Empfehlungen, Bl. 103 der Gerichtsakte). Darüber hinaus fehle es auch an dem Kriterium der Weiterbildung in der Intensivmedizin: Der MDK habe festgestellt, dass nicht alle für die Behandlungsleitung eingesetzten Ärzte über eine Zusatzweiterbildung in der Intensivmedizin verfügt hätten.

Die Beklagte ließ einwenden, dass es bezeichnend sei, wenn die Klägerin mit Nichtwissen bestreiten würde, dass die Behandlungsleitung auch an Wochenenden und Feiertagen im Regeldienst ausgeübt worden sei. Die Forderung der Vorlage von Arbeitsverträgen sei nicht zielführend, da dort keine Dienstzeiten detailliert bestimmt werden würden. Es sei durch die Strukturprüfungen belegt, dass die Behandlungsleitung auch am Wochenende im Regeldienst erfolgt sei. Der MDK habe diese Tatsache in seiner Strukturanalyse vom 24.03.2017 auf S. 5 bestätigt.

Das Gericht hat mit Verfügung vom 09.09.2019 die Beklagte gebeten, die Dienstpläne für den Behandlungszeitraum vorzulegen und zu erläutern wie die ärztliche Leitung im Behandlungszeitraum gelebt worden ist.

Die Beklagte hat sodann mit Schriftsatz vom 18.10.2019 die Dienstpläne für Januar bis August 2015 vorgelegt. Zur Behandlungsleitung an den Wochenenden seien auf der Intensivstation zusätzlich zu den ständig anwesenden Assistenzärzten jeweils Oberärzte/Fachärzte mit der erforderlichen Qualifikation spezielle Intensivmedizin (TGB SI) im Dienst gewesen. Die genannten Fachärzte in Oberarztfunktion hätten sich ab 9:00 Uhr bis mindestens 14:30 Uhr an Wochenenden und Feiertagen in der Klinik befunden und die Intensivvisite durchgeführt. Danach sei ihr Dienst rund um die Uhr bis zum nächsten Morgen 9:00 Uhr, an darauffolgenden Wochentagen bis 7:45 Uhr, in die Rufbereitschaft übergeleitet worden. Zusätzlich zu der ohnehin unerlässlichen ständigen ärztlichen Anwesenheit sei so auch am Wochenende die tägliche Anwesenheit der Behandlungsleitung gewährleistet gewesen.

Die Behandlungsleitung sei täglich (sieben Tage die Woche) durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin gewährleistet (Bl. 204 der Gerichtsakte).

Zur Überprüfung dieses Vortrags reichte die Beklagte auf telefonische Bitte des Gerichts vom 16.07.2020 am 20.07.2020 Unterlagen für alle zehn Behandlungsfälle - unterteilt nach der neurologischen und interdisziplinären Intensivstation - ein. Hieraus ergibt sich, dass an den Wochenenden und Feiertagen in allen zehn Fällen im Wesentlichen eine Rufbereitschaft eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin eingerichtet war. In den Fällen C., H., K. und L., die alle auf der Intensivstation lagen, war auch dies an jeweils einem Wochenende bzw. einem Wochenendtag (Fall H.) nicht gegeben. Hier gab es die Rufbereitschaft eines Notfallmediziners ohne spezielle Facharztausbildung Intensivmedizin.

In der mündlichen Verhandlung hat der Chefarzt Dr. N. der neurologischen Intensivstation noch einmal dargelegt, dass der Terminus "Rufbereitschaft" in der neurologischen Station nicht bedeuten würde, dass ein leitender Arzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin an Wochenenden und Feiertagen nicht anwesend sei. Vielmehr sei gewährleistet gewesen, dass ein Oberarzt mit dieser formalen Befähigung auch an diesen Tagen Visiten durchführt und von 8:30 Uhr/ 9:00 Uhr bis mindestens 14:30 Uhr physisch anwesend ist. Erst danach sei die physische Anwesenheit in die Rufbereitschaft im Wortsinne übergegangen. Bzgl. der interdisziplinären Station 7A wurde seitens Dr. N. hingegen bestätigt, dass in den vier Fällen jeweils an einem Wochenende bzw. Wochenendtag ein Notfallmediziner ohne die Zusatzausbildung Intensivmedizin in Rufbereitschaft tätig gewesen sei. Gleichwohl sei die Behandlungsleitung durch einen leitenden Arzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin auch in diesen Fällen gewährleistet gewesen, da mittels ärztlichem Anordnungsbogen dem übernehmenden Arzt am Wochenende genau mitgeteilt worden sei, auf welchem medizinischen Stand der Patient sei und wie weiter zu verfahren sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 178.764,54 EUR aufgrund Falschkodierung der zehn streitgegenständlichen stationären Behandlungen.

Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Klageforderung in Umfang und Höhe nur dann gerechtfertigt ist, wenn aufgrund Nichtvorliegens der Strukturvoraussetzungen des Codes OPS 8-980 (2015) dieser nicht zu verschlüsseln war und der Klägerin entsprechend ein Rückerstattungsanspruch zustehen würde.

Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung sind vorliegend hingegen nicht erfüllt.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte Leistungen im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses ohne rechtlichen Grund erbracht hat (st.Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 4/10 R -, SozR 4-2500 § 264 Nr 3; Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 16/11 R -, SozR 4-2500 § 129 Nr 7).

Die Beklagte hat die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung erfüllt, indem sie die Versicherten stationär behandelt hat. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st.Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, SozR 4-2500 § 109 Nr 13 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach den jeweiligen, von der Klägerin nicht spezifizierten, DRG unter Einbeziehung des Codes OPS 8-980.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 7 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Nach § 109 Abs. 4 SGB V wird mit einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet.

Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarung (FPV)) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.

Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien (DKR)) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt (BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Im vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend - die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 (FPV 2015) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2015 (DKR 2015). Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl. BSG a.a.O.). "Die Anwendung der DKR und der FPV einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen" (BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, SozR 4-5560 § 17b Nr 2 m.w.N.; auch z.B. Urteile vom 21.04.2015 - B 1 KR 9/15 R -, und vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R - beide juris m.w.N.). Medizinischen Begriffen kommt dabei der Sinngehalt zu, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird (BSG, Beschluss vom 19.07.2012 - B 1 KR 65/11 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr 32, SozR 4-5560 § 17b Nr 3).

Die von der Beklagten in den zehn strittigen Fällen abgerechneten DRG werden nach FPV 2015 unstrittig nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn der OPS für die intensivmedizinische Komplexbehandlung 8-980 zur Anwendung gelangt.

Zwischen den Beteiligten ist alleine das Vorliegen der allgemeinen Mindestvoraussetzungen streitig. Die individuellen Kodiervoraussetzungen sind hingegen unstrittig; eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 Rn. 10).

Die Kammer ist aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Beweismittel der Überzeugung, dass die allgemeinen Mindestvoraussetzungen im Zeitraum der Behandlung auf den Intensivstationen 2J/K und 7A im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 30.09.2015 vorgelegen haben. Die Beklagte ist ihrer Obliegenheit (objektiven Beweislast) zur Darlegung der Mindestvoraussetzungen (vgl. Kammerurteil vom 05.10.2017, Az. S 15 KR 1733/16, S. 8) nachgekommen.

Der streitige OPS bestimmt in der im Jahre 2015 gültigen Version als Mindestmerkmale:

* Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen

* Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"

* Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein

Die Klägerin hat mit der Aufstellung gem. Schriftsatz vom 18.10.2019 sowie vom 20.07.2020 überzeugend dargelegt, dass im streiterheblichen Zeitraum die genannten Mindestmerkmale erfüllt waren. Unstreitig war durchgehend 24 Stunden pro Tag ein Ärzteteam auf beiden Intensivstationen anwesend. Unstreitig ist auch die grundsätzliche Behandlungsleitung durch Ärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin (namentlich durch die Mediziner O, P, Q, R, S, N, T, U, V, W, X, Y, Z, AA und BB, vgl. insoweit die entsprechenden Nachweise der Zusatzausbildung gem. Schriftsatz der Beklagten vom 20.07.2020) erfolgt. Eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 Rn. 10).

Strittig ist alleine, ob die - unstrittig an Wochenenden und Feiertagen gegebene - Rufbereitschaft eines leitenden Arztes ausreicht, um das Merkmal der Behandlungsleitung zu erfüllen. Darüber hinaus ist fraglich, ob eine Behandlungsleitung im Rechtssinne auch dann vorliegt, wenn wie in den Fällen C., H., K und L. eine Rufbereitschaft teilweise durch einen anderen Facharzt erfolgt ist und die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzausbildung Intensivmedizin nur an den Wochentagen Montag bis Freitag regelmäßig gewährleistet wurde.

Es ist in diesem Kontext nach dem klaren Wortlaut des OPS 8-980 unerheblich, ob die behandlungsleitenden Ärzte am Wochenende/ feiertags Dienst hatten, denn für die Leitung bedarf es bereits nach dem Wortlaut des OPS keinesfalls eine tägliche sowie ständige (24-stündige) Anwesenheit (ähnlich Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. März 2015 - L 11 KR 5212/13 -, Rn. 48, juris" zum OPS 8-981: "Fachliche Behandlungsleitung" im Sinne des OPS-Kodes 8-981 verlangt keine durchgehende persönliche Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie bzw. seines Vertreters."). Es reicht, wenn ein leitender Arzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" die Geschicke der Intensivabteilung lenkt; andernfalls wäre im OPS die Notwendigkeit einer fortwährenden Behandlungsleitung - auch nachts und am Wochenende - anzugeben (im Ergebnis ebenso SG Osnabrück, Urteil vom 14. Februar 2018 - S 34 KR 576/16 -, Rn. 27 ff., juris). Insofern ist die Einrichtung einer Rufbereitschaft eine überobligatorische Anstrengung der Beklagten, die für die Codierung des strittigen OPS nicht erforderlich gewesen wäre. Die Klägerin hat in diesem Kontext auch weder vorgetragen noch substantiiert oder bewiesen, dass die Ärzte mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" die Geschicke der Intensivmedizin nicht gelenkt hätten, also eine medizinisch-fachliche Leitung nicht stattgefunden hat. Sie hat vielmehr alleine apodiktisch behauptet, dass eine solche Leitungsfunktion dann nicht möglich wäre, wenn die Ärzte mit der Zusatzausbildung Intensivmedizin feiertags oder an Wochenenden zum Teil nicht anwesend sind. Dem widerspricht aber bereits die übliche medizinische Leitung in Krankenhäusern, wonach eine ständige Präsenz des Chefarztes gerade nicht erforderlich ist. Leitung beinhaltet nach der Überzeugung des Gerichts immer auch die Möglichkeit der temporären Delegation von Aufgaben und beinhaltet nicht die ständige Anwesenheit des leitenden Organs.

Ein solches Erfordernis kann auch nicht aus dem Wortlaut der "Behandlungsleitung" abgeleitet werden. Im Wikipedia-Eintrag zur Führungskraft (Wirtschaft) wird ausgeführt:

"Der leitenden Tätigkeit steht die Befugnis zu, im Rahmen des Direktionsrechts mittels Weisung Aufgabenträgern ausführender Tätigkeiten vorzuschreiben, welche Handlungen sie vorzunehmen und welche sie zu unterlassen haben. Führungskräfte können mündlich (Auftrag, Befehl) oder schriftlich (Arbeitsanweisungen, Dienstanweisungen) von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen. Durch ihre Führungskompetenz übernehmen sie Fremdverantwortung und delegieren Durchführungskompetenzen. Zu den Führungsaufgaben einer Führungskraft gehören Organisation, Planung, Zielsetzung, Entscheidung, Koordination, Information, Mitarbeiterbewertung und Kontrolle. Für Konrad Mellerowicz darf nur eine Person eine Führungsaufgabe übernehmen (unipersonale Führung), denn der Unternehmer "hat die letzte Verantwortung für das Gesamtunternehmen zu tragen". Er meint damit jedoch, dass nur substanzielle unternehmerische Entscheidungen dem Unternehmer vorbehalten sind, denn er überträgt im Wege der Delegation auch Führungsaufgaben und Führungsverantwortung auf nachgeordnete Organisationseinheiten." [Hervorhebung durch das Gericht]

Behandlungsleitung meint in diesem Sinne daher nur, dass ein Facharzt mit der Weiterbildung Intensivmedizin die medizinische Verantwortlichkeit trägt, diese aber durchaus zeitlich temporär abdelegieren kann. Er kann diese Leitung im Rahmen von Visiten, Besprechungen, Fallerörterungen und ähnlichem, bezogen auf den medizinischen Einzelfall, ausfüllen. Hierdurch wird nicht lediglich Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Organisationseinheit (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 4/ 15 R, juris Rn. 14), sondern für die medizinische Behandlung als solche übernommen. Inwieweit eine Delegation geschieht, bestimmt inwieweit eine "straffe" oder "lose" Leitung besteht, ändert aber nichts am Tatbestand der Leitung. Eine temporäre Komponente dergestalt, dass die ständige Anwesenheit der Leitung erforderlich ist, enthält der Wortlaut des OPS und auch die Argumentation des BSG ("seine Behandlungsleitung für die Dauer der Behandlung tatsächlich ausübender Facharzt", vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2015, a.a.O, Rn. 14) mithin entgegen der Ansicht der Klägerin nicht. Wie dargelegt, kann eine Behandlungsleitung auch tatsächlich bei temporärer (kurzzeitiger) Abwesenheit ausgeübt werden. Vielmehr ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob aufgrund einer zu langen zeitlichen Abwesenheit eine verantwortliche Führung nicht mehr möglich ist. Dies ist nach Überzeugung der Kammer bei der hier vorliegenden maximalen Abwesenheit von zwei Tagen (bei gleichzeitiger fast durchgehend gewährleisteter Rufbereitschaft, siehe hierzu gleich unten) hingegen nicht der Fall.

Die von der Beklagten beigebrachten Unterlagen sowie die Ausführungen von Dr. N. in der mündlichen Verhandlung haben überdies gezeigt, dass auf der neurologischen Station 2 J/K die Grundannahmen der Klägerin falsch sind und an jedem Tag, d.h. auch an Sonn- und Feiertagen, ein leitender (Ober-) Arzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" anwesend war, und zwar regelhaft im Zeitraum von 8:30 Uhr/ 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr, teilweise sogar länger. Eine wortlautgemäße oder auch systematische (dazu gleich unten) Auslegung dergestalt, dass der Terminus "Behandlungsleitung" eine ständige 24/7-Anwesenheit eines leitenden Arztes (d.h. sieben Mal die Woche für 24 Stunden) oder alternativ eine "Vollzeit"-Anwesenheit bedeutet, ist fernliegend. Bereits die unterschiedlichen Strukturforderungen der Krankenkassenseite, mal "Vollzeit", mal "24/7", zeigen, dass eine entsprechende Auslegung des schlichten Wortlauts "Behandlungsleitung" nicht möglich ist.

Die Kammer hat bzgl. der Station 7A berücksichtigt, dass dort in allen Behandlungsfällen außer den Fällen C., H., K. und L. ausnahmslos an den Wochenenden und Feiertagen eine Rufbereitschaft eines leitenden Arztes mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin und in den anderen vier Fällen weit überwiegend diese Rufbereitschaft gegeben war, so dass ein leitender Arzt mit der geforderten Weiterbildung ganz regelmäßig ständig "greifbar" war und mithin seine Leitungsfunktion nicht nur werktags, sondern auch an Wochenenden und Feiertagen ausüben konnte. Diese Lenkungsfunktion konnten die diensthabenden Sektionsleiter BB. und V. (die jeweils über die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin verfügen) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung aber auch an den Tagen 21./22.03.2015 (Fall C.), 23.05.2015 (Pfingstsamstag, Fall H.), 25./26.07.2015 (Fall K.) und 23./24.07.2015 (Fall L.), an denen ausnahmsweise kein Intensivmediziner in Rufbereitschaft war, alleine dadurch ausfüllen, dass sie bzgl. dieser Behandlungsfälle tagtäglich von Montag bis Freitag auf der (mit sieben Betten sehr kleinen) interdisziplinären Intensivstation physisch anwesend waren, dadurch jeden Patienten und dessen medizinischen Verlauf gut selbst kannten und einschätzen konnten und mittels ärztlichem Anordnungsbogen für den jeweils diensthabenden Arzt am Feiertag/ Wochenende entsprechende medizinisch-fachliche Weisungen erteilt haben. Somit ist nach der Überzeugung der Kammer die Mindestvoraussetzung der Behandlungsleitung und damit der OPS 8-980 in seiner Gesamtheit auch für alle streitgegenständlichen Fälle, die auf der Station 7A gelegen haben, erfüllt.

Eine andere Bewertung ergibt sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.10.2014 (B 1 KR 25/13 R). Dort war die leitende Ärztin vom 04.-12.10.2007, also über eine Woche, abwesend und leitete insbesondere nicht die Teamkonferenz, obwohl die Mindestmerkmale des dort streitigen OPS 8-550 eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen vorsahen. Gleiches gilt für den vom BSG verhandelten Fall B 1 KR 4/ 15 R (a.a.O.): Auch dort war der leitende Arzt fünf Tage (04.-08.10.2007) nicht anwesend und hat überdies nicht an der auch in diesem Fall notwendigen Teambesprechung (im Rahmen des OPS 8-550) teilgenommen. Die Kammer stimmt dem BSG zwar zu, dass der temporäre Bezug einer medizinischen Behandlungsleitung bei einer (fast) einwöchigen Abwesenheit zu lose wird, um das Mindestmerkmal noch zu erfüllen. Ein solcher Fall ist in den vorliegenden Fällen mit maximal zweitägiger Abwesenheit bei nahezu vollständig, und damit strukturell, gegebener Rufbereitschaft aber nicht annähernd gegeben (im Zeitraum vom 09.03.2015 bis zum 12.08.2015 war in der Station 7A an nur 7 Tagen keine Rufbereitschaft mit einem Intensivmediziner eingerichtet worden; im Zeitraum vom 12.01.2015 bis 15.05.2015 war auf der Station 2 K/J (zusätzlich zur physischen Anwesenheit mit Durchführung einer Visite im Zeitraum von 8:30 Uhr/ 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr) an allen Tagen eine Rufbereitschaft durch einen Intensivmediziner eingerichtet worden).

Das hier gefundene Ergebnis hält auch einer - möglichen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 - B 1 KR 39/17 R) - systematischen Überprüfung stand. Die systematische Auslegung zielt auf das Verhältnis einzelner Normen zueinander ab. Es muss ein Bedeutungszusammenhang zwischen den entsprechenden Normen bestehen. Bei der systematischen Auslegung hilft vor allem ein Blick auf die Überschrift der Norm, die Überschrift des Abschnitts, in dem die Norm steht und auf nahe gelegene Normen.

Als weiteres (und somit nahegelegenes) Mindestmerkmal wird die kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen, kodiert. Der Normgeber hat hier eine kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und Behandlungsbereitschaft konkret aufgenommen und somit ein zeitliches Element festgeschrieben. Aus systematischen Erwägungen liegt es daher nahe, dass bzgl. des hier strittigen Mindestmerkmals der Behandlungsleitung ein solch strenges temporäres Erfordernis nicht besteht, da es andernfalls wie im vorherigen Mindestmerkmal normiert worden wäre. Zudem hat der Normgeber für den OPS 8-98f ab der Version 2019 weitreichende temporäre Elemente eingefügt, wobei selbst hier die tägliche Visite von einem Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin, nicht notwendigerweise aber vom Behandlungsleiter, erbracht werden muss. Eine entsprechende Änderung/ Klarstellung fehlt aber für den OPS 8-980 (vgl. Bl. 252-267 der Gerichtsakte mit entsprechendem Versionsvergleich), dessen Wortlaut gleichgeblieben ist.

Schließlich orientiert sich die Auslegung der Klägerin stark am Sinn und Zweck der Regelung, indem sie auf die besondere Gefahrenlage im intensivmedizinischen Bereich hinweist und - ausgehend hiervon - im Rahmen einer teleologischen Auslegung eine mindestens vollschichtige Anwesenheit (siehe Schriftsatz vom 10.04.2019, S. 3, Bl. 97 der Gerichtsakte) eines leitenden Intensivmediziners fordert. Einmal ist aber wie dargelegt bei der Auslegung eines OPS eine teleologische Auslegung unzulässig. Zum anderen ist das Argument nicht wirklich überzeugend: Eine Notsituation, die ohne die ständige ("24/7") Anwesenheit eines leitenden Arztes mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin alleine durch die anwesenden Ärzte ohne diese Zusatzweiterbildung zu lösen wäre, könnte auch im Falle einer täglichen vollschichtigen Anwesenheit eines Intensivmediziners - etwa in der Nacht - eintreten, so dass sich keine strukturell wesentlich höhere Sicherheit durch die Auslegung der Klägerin ergibt.

Es ist nach allem nicht streitentscheidend, ob es eine ausreichende Rechtsgrundlage für die von der Klägerin in Auftrag gegebenen "Strukturgutachten" gegeben hat und ob vorliegend MDK-Feststellungen für einen nachfolgenden Zeitraum (ab Oktober 2015) auf den hier strittigen Vorzeitraum (Januar bis September 2015) tatsächlich angewandt werden können und rechtlich angewandt werden dürfen.

Ebenfalls nicht mehr streiterheblich ist die Frage, ob die individuelle Prüfung des MDK in den Fällen C. und I. mit Bejahung der Erfüllung der Mindestmerkmale des OPS 8-980 Vorrang vor der abstrakten Strukturvoraussetzung hat. Dies wäre aus Sicht der Kammer hingegen zu bejahen, da der MDK im Rahmen der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V (vgl. SG Osnabrück, Urteil vom 14. Februar 2018 - S 34 KR 576/16 -, Rn. 26, juris) auch eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung bzgl. des Vorliegens der "strukturellen" Mindestvoraussetzungen für den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführt hat und diese Prüfung höheren Beweiswert (vgl. insoweit SG Düsseldorf, Urteil vom 10. November 2014 - S 9 KR 1240/11 -, Rn. 22, juris, welches bei einem "Strukturgutachten" von einem substantiierten Parteivortrag ausgeht, der von der Krankenhausseite zu widerlegen ist, welches wiederum mit einer fallbezogenen MDK-Prüfung erfolgt) hat als die nachfolgende "Strukturprüfung" für einen nachfolgenden Zeitraum.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Verfahrens und folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO). Der Streitwert war in Höhe von 178.764,54 EUR festzusetzen, da die Zahlung des oben genannten Betrags streitig war und dieser nach § 52 Abs. 3 GKG zu Grunde zu legen ist.
Rechtskraft
Aus
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