Aichach-Friedberg
"Es ist gut, kleine Krankenhäuser zu haben"

Landrat Klaus Metzger im Sommerinterview

14.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:34 Uhr
Landrat Klaus Metzger vor dem "Blauen Palais". Die Erweiterung des Landratsamts wird wegen der finanziellen Lage vielleicht noch einmal verschoben. −Foto: Berndt Herrmann

Corona hat auch den Arbeitsalltag des Aichach-Friedberger Landrats Klaus Metzger (CSU) seit März dominiert. Die Situation war besonders für die Kliniken an der Paar schwierig. Immerhin hat Klaus Metzger nun die Hoffnung, dass der zuletzt häufiger geforderte Umbau der deutschen Krankenhauslandschaft vom Tisch ist, der die kleinen Häuser infrage stellte. Gerade sie hätten zur Bewältigung der Krise beigetragen, erklärt er im Sommerinterview.

 

Herr Metzger, seit Jahren wird über die Zukunft kleiner Krankenhäuser diskutiert. In Aichach-Friedberg kennt man diese Diskussion nur zu gut. Muss man aber die Krankenhauslandschaft in Zeiten von und nach Corona nicht neu denken?

Klaus Metzger: Davon gehe ich fest aus. Für das Wittelsbacher Land hat sich eindeutig gezeigt, dass es gut ist, zwei Standorte zu haben - im speziellen Fall Aichach als "Corona-Krankenhaus", Friedberg für die anderen Leistungen. Nachdem jetzt das Gesundheitswesen gestärkt wird und auch Gelder für die Krankenhäuser zur Verfügung gestellt werden, ist diese Diskussion wohl vorbei. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Corona im Landkreis auch deshalb so bewältigt haben, weil wir zwei Krankenhäuser haben und die Menschen gut versorgen konnten. Für mich stand das sowieso nie in Frage, aber es hat sich für die ganze Bundesrepublik gezeigt, wie gut es ist, kleine Krankenhäuser zu haben, die vielleicht nicht alles anbieten, aber immer da sind, und insbesondere dann, wenn Not am Mann ist.

Gleichzeitig hat Corona die finanzielle Situation verschärft. Das Krankenhaus-Defizit kann sich in diesem Jahr ja nur weiter erhöhen. Liegt das Thema finanzielle Konsolidierung - auch dank der politischen Großwetterlage - derzeit auf Eis?

Metzger: Nein, wir arbeiten weiter an der Zukunftsfähigkeit. Finanziell gibt es ja einen Rettungsschirm, und der Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, Hubert Mayer, hat für uns gut verhandelt. Wir werden im Kreis Aichach-Friedberg wohl mit einem blauen Auge davonkommen. Was dennoch klar ist: Auch der Landkreis wird finanziell beitragen müssen, aber es bewegt sich wohl nicht in der Dimension, die ich anfänglich befürchtet habe. In Friedberg sind die Leistungszahlen im Übrigen sehr schnell wieder nach oben gegangen. Ich bin zuversichtlich, dass das in Aichach - zeitversetzt - auch passieren wird.

Der Leiter des Gesundheitsamts, Friederich Pürner, hat mit seinen nicht immer unumstrittenen Positionen zu Corona auch für Widerspruch gesorgt. Seine Aussage, den Download der Warn-App nicht zu empfehlen, hat einige unserer Leser vor den Kopf gestoßen. Sie haben sich in die Aufarbeitung der Vorfälle im Awo-Heim und beim Spargelhof auch kaum zu Wort gemeldet. Waren sie mit Pürners Äußerungen immer einverstanden?

Metzger: Wir hatten und haben eine ganz enge interne Kommunikation. Er hat eine klare Meinung, er ist der Fachmann, und was immer er auch gesagt hätte, es hätte immer Personen gegeben, die das heftig kritisieren. In einer Situation wie dieser wird man es nie allen recht machen können. Seine Kritik an der Corona-App habe ich auch nicht als fundamentale Kritik verstanden. Das Denken sollte man niemandem verbieten.

Hätten Sie sich trotzdem manchmal ein etwas diplomatischeres Vorgehen gewünscht?

Metzger: Ja, klar. Aber andererseits schätze ich an ihm, dass er geradeaus ist und sagt, was er fachlich denkt.

Haben Sie sich die App heruntergeladen?

Metzger: Selbstverständlich, am ersten Tag.

Haben Menschen zu Ihnen Kontakt gesucht, die besonders stark von den Corona-Maßnahmen und den Folgen betroffen sind? Was sind das für Fälle?

Metzger: Ich habe in der Corona-Zeit noch mehr Mails bekommen als sonst, auch das eigens eingerichtete Corona-Mailpostfach lief ja direkt bei mir. Teilweise waren die Mails sehr berührend, es ging beispielsweise um die Situation von Eltern oder Verwandten. Das habe ich manchmal etwas ohnmächtig gelesen, weil es meist keine Möglichkeit gab zu helfen, schon gar nicht unter den Bedingungen des Katastrophenfalls, der ja gegolten hat. Und dann gab es natürlich diejenigen, die trotzdem erwarteten, dass sofort das gemacht wird, was sie für richtig und wichtig halten.

Hat es dennoch einzelne Fälle gegeben, in denen das Landratsamt, in denen Sie helfen konnten?

Metzger: Selbstverständlich. Wir hatten ja die Hotline, die Mitarbeiter konnten vieles auffangen und weiterhelfen, wenn auch einigen leider nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Aber wir haben getan, was wir konnten. Alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt, das will ich betonen, haben dabei eine super Arbeit geleistet.

Die Gesundheitsämter sollen nun mehr Geld und Personal bekommen.

Metzger: Das war höchste Zeit. Nun hoffen wir, dass wir auch schnell neues Personal bekommen. Ich bin da nicht so optimistisch wie der Bundesgesundheitsminister. Ich würde mir aber wünschen, dass der Staat dem Wunsch der Landratsämter nach mehr staatlichem Personal auch in anderen Bereichen, etwa bei Veterinären oder dem Natur- und Klimaschutz, nachkommt.

Bleiben wir beim Krankenhaus: Wie steht es um die Geburtshilfe in Aichach? Ist man heute näher an einer Wiedereröffnung als vor einem Jahr?

Metzger: Leider nein. Seit dem 16. März sind wir mit nichts anderem beschäftigt als mit Corona. Personal für Medizin und Pflege ist bekanntermaßen nach wie vor kaum zu bekommen, in der Corona-Hochzeit war es schlichtweg gar nicht verfügbar. Der Stand ist also unverändert. Es gibt keine Bewerbungen, wir haben auch in Friedberg größte Schwierigkeiten, die Nachfolge von Siegbert Mersdorf auf der Chefarztposition zu regeln, der Markt ist bei Gynäkologen wie bei Hebammen schlicht leergefegt. Wenn das Personal nicht da ist, dann kann es auch keine Geburtsstation geben.

Offensichtlich kommt auch die Kooperation mit dem Universitätsklinikum Augsburg nicht voran, mit dem man bei der Geburtshilfe zusammenarbeiten wollte. Was ist da passiert?

Metzger: Die Universitätsklinik ist aktuell fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Das ist auch auf manch anderen Feldern bedauerlich, aber von unserer Seite nicht zu beeinflussen. Hubert Mayer bleibt aber dran, er kennt ja die Kolleginnen und Kollegen.

Immerhin kommt das Geburtshaus.

Metzger: Die Hebammen haben Anfang des Jahres deutlich gemacht, dass sie nicht stationär arbeiten und sich lieber selbstständig machen wollen. Deshalb das Angebot mit dem Geburtshaus im alten Krankenhaus.

Der Start des Geburtshauses im kommenden Jahr ist also nach wie vor geplant?

Metzger: Ja, die Hebammen haben im August nochmal eine Initiative gestartet, um das Haus zu bewerben. Klaus Habermann und ich haben das gerne unterstützt. Wir kümmern uns derzeit um die Ausstattung, die Stadt Aichach hat eine finanzielle Beteiligung zugesagt. Ich betone aber auch: Das Geburtshaus ist ein ergänzendes Angebot, aber kein Ersatz für die Geburtsstation. Dennoch bleiben wir dran und bemühen uns um Personal, denn sowohl der politische als auch mein persönlicher Wille ist, in Aichach wieder aufzumachen.

Die psychiatrische Institutsambulanz im alten Krankenhaus wird sehr gut angenommen. Wie sieht es mit der psychiatrischen Tagesklinik in Aichach aus?

Metzger: Auch da hat sich im letzten halben Jahr wenig getan. Aber das Wort von Bezirkstagspräsident Martin Sailer, dass wir die Tagesklinik bekommen, steht. Das Gesundheitsministerium hat ja die Einrichtung als bedarfsgerecht schon Ende des vergangenen Jahres anerkannt.

Was hat sich eigentlich im Betrieb des Landratsamts seit Corona verändert? Und wenn heute so viel mehr Menschen Homeoffice machen, ist dann der Raumbedarf im Landratsamt geringer geworden?

Metzger: Nicht unbedingt. Wir brauchen für jeden Mitarbeiter im Homeoffice auch hier einen Arbeitsplatz. Im Moment ist der Raumbedarf sogar eher noch höher, weil wir die Abstände einzuhalten haben. Dazu kommt: Damit ein Arbeiten im Homeoffice auch wirklich sinnvoll wäre, müsste die Digitalisierung weiter vorangeschritten sein, es müssten Verwaltungsvorgänge komplett digitalisiert sein. Auch da hat es jetzt natürlich Verzögerungen gegeben. Aber grundsätzlich führt an Homeoffice inzwischen kein Weg mehr vorbei. Wir dürfen aber unsere Aufgabe, den Bürgerservice, nicht aus den Augen verlieren!

Was bedeutet Corona für die Landkreisfinanzen? Müssen in der nehane Zukunft Projekte verschoben werden?

Metzger: Einen Nachtragshaushalt werden wir nicht brauchen. Klar ist aber, dass wir sparen müssen und nicht alle Projekte so realisieren können wie geplant, sondern einige vielleicht verschieben müssen. Wir stecken gerade in den Vorbereitungen für die Haushaltsberatungen und ich werde zum Beispiel vorschlagen, dass wir den Baudurchführungsbeschluss für die Landratserweiterung, der im Herbst gefasst werden sollte, verschieben. Entscheiden müssen das natürlich die entsprechenden Gremien, also Bauausschuss und Kreistag.

Sollte der Landkreis so großzügig in die Neuverschuldung gehen wie Bund und Land? Sollten also sogar mehr Projekte umgesetzt werden?

Metzger: Man muss schon bedenken, dass einzig die öffentliche Hand derzeit wirtschaftliche Impulse geben kann. Wenn wir alle Investitionen zurückstellen und uns von Projekten verabschieden würden, wäre das für den Landkreis - der ja auch wirtschaftlich bis jetzt gut durch Corona gekommen ist - ein falsches Signal. Ziel muss es für uns sein, dass wir das, was wir geplant und projektiert haben, realisieren, wenn auch zeitverzögert. Aber wir müssen uns das genau anschauen und dürfen weder die Gemeinden noch den Landkreis finanziell überlasten.

Zum Nahverkehr: Immer häufiger hört man inzwischen sogar aus den Reihen der CSU, dass neue Nahverkehrskonzepte erforderlich sind. Sogar 365-Euro-Tickets sind kein Tabu mehr. Ist mit der neuen AVV-Chefin eine Wende in den Nahverkehrskonzepten denkbar?

Metzger: Die Gesellschafter des AVV waren sich einig, dass es ein ,Weiter so' nicht mehr geben konnte. Wir pumpen Millionen in einen Öffentlichen Nahverkehr, mit dem eigentlich alle unzufrieden sind. Deshalb kann da irgendetwas grundsätzlich nicht richtig sein. Wir waren uns auch einig, dass wir jemanden brauchen, der weggeht vom Denken in Linien, Linienbündeln und Takten.Linda Kisabaka hat einen exzellenten Eindruck gemacht und wir haben mit ihr jemanden, der nach vorne denkt. Es geht in Zukunft um die konsequente Erfüllung von Bedürfnissen. Wir müssen bedarfsorientiert und passgenauer denken.

Wie könnte das konkret aussehen?

Metzger: Meiner Meinung nach wird das dazu führen, dass wir zum Beispiel nicht mehr einen großen Gelenkbus durch den ganzen Landkreis schicken, sondern sehr genau überlegen, was wo notwendig ist. Es kann auch sinnvoll sein, etwa in Aichach, Friedberg oder Pöttmes die Einsatzzeiten zu verlängern, aber bedarfsorientiert, auf Abruf, gesteuert von digitalen Plattformen. Man muss aber auch berücksichtigen, dass innerhalb des AVV die Stadt Augsburg andere Notwendigkeiten hat und sieht als die Landkreise.

Die Kreistagswahl ist durch Corona fast etwas unter den Tisch gefallen. Wie bewerten sie das Ergebnis? Und waren Sie mit Ihrem eigenen zufrieden?

Metzger: Weil Wählerinnen und Wähler zu entscheiden haben, bin ich bei meinem persönlichen Ergebnis grundsätzlich mit allem zufrieden. Knapp 68 Prozent sind bei drei Gegenkandidaten nicht das schlechteste Ergebnis. Der Kreistag ist seit der Wahl ein anderer. Er hat, soweit ich das bisher einschätzen kann, nicht mehr das unvoreingenommene, offene Miteinander hat sich verflüchtigt.

Die AfD hat ihre Verwaltungsklage gegen die Besetzung des Rechnungsprüfungsausschusses verloren. Sie war der Ansicht, unrechtmäßig durch Ausschussgemeinschaften anderer Fraktionen bei der Sitzverteilung benachteiligt worden zu sein.

Metzger: Dass wir solch eine provokante Verwaltungsklage bekommen haben, ist singulär. Verstehen muss ich das nicht. Vielleicht meint die AfD, der Rechnungsprüfungsausschuss sei ein besonders wichtiges Instrument, um irgendwelche Ziele zu erreichen. Was ich aber bedenklich finde: Früher haben wir solche Dinge immer miteinander diskutiert. Die Verwaltung hält sich an Wort und Buchstaben der Landkreisordnung und der Gremienbeschlüsse. Wenn eine Fraktion interessanterweise genau das in Frage stellt und dagegen vorgeht, dann kann das Ergebnis nicht überraschen. So ein Vorgehen hat natürlich Einfluss auf das Vertrauen zueinander im Kreistag.

Sie haben gleich zu Beginn angekündigt, Politik auf breiter Basis machen zu wollen. Kaum waren die Posten vergeben, hat sich die zweitstärkste Fraktion, die Grünen, beschwert, weil sie sich benachteiligt fühlte.

Metzger: Irgendjemand beschwert sich immer, das ist so und wird immer so sein. Aber wir arbeiten wieder sachorientiert und vernünftig zusammen. Wenn jemand das nicht will, ist er im Kreistag sowieso fehl am Platz. Natürlich hatten die Grünen den Anspruch, nach dem guten Wahlergebnis so etwas wie ein Exklusivpartner zu sein. Aber gerade aufgrund des Wahlergebnisses war es mir wichtig, dass wir zusammenbinden, was zusammengebunden werden kann, um Sachorientierung und Pragmatismus zu bewahren und zu gewährleisten. Deswegen gibt es auch die insgesamt vier Landratsstellvertreter, die endlich auch paritätisch von Frauen und Männern besetzt sind.

Die Corona-Krise hat das Vertrauen in die "Alt-Parteien" gestärkt, die Populisten konnten (noch) nicht profitieren, im Gegenteil: Sie haben deutlich an Zustimmung verloren. Können Sie das auch im Landkreis feststellen?

Metzger: Eher nicht. Aber lautstark zu Wort melden sich ja meist eh nur die, die aus subjektiven Gründen unzufrieden sind. Diejenigen, die bereit sind, bewusst zu provozieren oder jemanden gerne auch persönlich zu schmähen, ergreifen sehr viel schneller das Wort als der überdeutlich größere Prozentsatz der Einverstandenen. Umso dankbarer bin ich, wenn mitunter von dieser Seite ein positives Feedback kommt.

Die Landesausstellung ist unter denkbar schlechten Voraussetzungen gestartet. Wie bewerten sie den bisherigen Verlauf?

Metzger: Das ist eine tolle Ausstellung, die mich immer wieder begeistert. Das Konzept ist toll, beide Ausstellungsorte sind toll, die Teams leisten im Hintergrund hervorragende Arbeit. Es ist einfach schade, dass wir in diese Zeit fallen. Aber da muss man eben das Beste daraus machen. Letztendlich war es aber gut, dass wir, nach langen Diskussionen, mit dem Haus der Bayerischen Geschichte doch an den Start gegangen sind. Dass die Besucherzahlen nicht so hoch sind wie in früheren Jahren, ist eben so. Wir wissen alle, woran es liegt, sicher nicht an der Qualität der Ausstellung. Mit den Besucherzahlen sind bislang alle zufrieden. Als der 20 000. Besucher kam, hat das Haus der Bayerischen Geschichte festgestellt, dass die Landesausstellung derzeit die mit Abstand bestbesuchte Veranstaltung dieser Art weit und breit ist!

Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?

Metzger: Wir waren das vergangene halbe Jahr eigentlich nur damit beschäftigt, pandemische Herausforderungen und bürokratische Anforderungen zu bewältigen. Wir sind nicht zu dem gekommen, was einen Landkreis ausmacht: die Zukunft gestalten. Viele wichtige Themen, etwa im sozialen Bereich, beim Umwelt- und Klimaschutz, sind in den Hintergrund gerückt. Viele Kapazitäten im Landratsamt sind immer noch wesentlich von Corona gebunden. An manchen Tagen kamen, teilweise tatsächlich im Minutentakt, umfangreiche, sich teilweise widersprechende Schreiben aus den Ministerien. Ich wünsche, dass wir endlich wieder die Dinge tun, für die wir eigentlich da sind.

SZ

Das Gespräch führten Berndt Herrmann und Carina Lautenbacher