Aus kleinen Kliniken wie dem in Ettenheim könnten künftig "Zentren für Gesundheit" werden. Foto: Decoux-Kone

SPD und CDU wollen mit "Zentren für Gesundheit" Versorgung in der Fläche sichern

Ortenau -  Auch zwei Jahre nach dem Kreistagsbeschluss zur Klinikreform Agenda 2030 regt sich immer wieder Kritik. Ein Sorgenkind vieler Bürger ist die Nachnutzung der kleinen Kliniken im Kreis. CDU und SPD haben nun ein neues Konzept vorgestellt.

100 Millionen Euro für den Umbau

"Wir wollen die medizinische Versorgung im ländlichen Raum weiterentwickeln", fasste SPD-Fraktionsvorsitzender Kai-Achim Klare das Anliegen des neuen Konzepts zusammen. Helfen sollen dabei "Zentren für Gesundheit" in denen alle Akteure der nicht-stationären Behandlung unter einem Dach zusammenkommen sollen. Dazu gehören beispielsweise Fachärzte, Pflege- und Sozialdienste oder auch Apotheken, auf jeden Fall jedoch ein Notarztstandort.

Genutzt werden sollen dafür die drei im Zuge der Reform zu schließenden Krankenhäuser in Oberkirch, Ettenheim und Kehl sowie im weitesten Sinne auch die bereits umfunktionierte Gengenbacher Klinik. Für die Umnutzung seien "viele bauliche Veränderungen notwendig", räumt Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz, CDU-Sprecher im Klinikausschuss, ein.

Für die Nachnutzung habe die CDU- mit der SPD-Fraktion bereits einen Betrag von 100 Millionen Euro in ihren Finanzierungsvorschlag für die Agenda eingeplant. "Nachnutzung ohne Geld funktioniert nicht", betonte auch CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Brucker. Tragen sollen sich die neuen Zentren dann allerdings selbst.

Strahlkraft "weit über die Ortenau" hinaus

Der zeitliche Rahmen für eine Umsetzung ist noch offen. Zunächst muss der Klinikausschuss bei seiner Sitzung am Dienstag, 22. September, abstimmen. Eine vergleichbare Struktur gebe es noch nicht, erklärte Jens-Uwe Folkens, SPD-Sprecher des Klinikausschusses und selbst Mediziner, das mache es sehr schwierig. Dafür müssten Entscheidungen bis auf Bundesebene fallen. Die Beteiligten erhoffen sich jedoch eine Strahlkraft weit über die Ortenau hinaus.

Das Konzept der zukünftigen "Zentren der Gesundheit" selbst klingt ähnlich dem der "Medizinischen Versorgungszentren" (MVZ), von denen es bereits zwei im Kreis gibt. Beide werden vom Ortenau-Klinikum unter Leitung von Geschäftsführer Christian Keller betrieben. Das Angebot der neuen "Gesundheitszentren" soll allerdings darüber hinaus gehen und vor allem "unter einem eigenen Dach", also eigenständig realisiert werden, erklärte Brucker, "eventuell auch mit einem eigenen Gesicht".

Auch Nachsorge soll im Zentrum stattfinden

Bisher lag der Fokus der Planungen auf der Zentralisierung der stationären Versorgung – namentlich an den Klinikstandorten Offenburg, Lahr und Achern. Doch "ein gutes Haus, muss gerade stehen", konstatierte Rusts Rathauschef Klare, daher brauche es die "gleichstarke zweite Säule" der ambulanten Versorgung: die Gesundheitszentren. Sie sollen künftig unter Kontrolle eines kommunalpolitischen Aufsichtsrats stehen.

Wie ein "denkbarer Weg" durch so ein Zentrum aussehen könnte, erklärte Klare an einem Beispiel: Eine ältere Patientin geht zum Facharzt. Der ordnet eine ambulante OP an, die am selben Standort erfolgt. Im Anschluss könnte die Patienten bei Bedarf zur Überwachung in einem der Genesungsbetten bleiben. Wird sie entlassen, findet sie alles für die Nachsorge ebenfalls im Zentrum.

Gesamtkosten übersteigen wohl eine Milliarde Euro

"Wir wollen das, was an einem Ort noch fehlt, in den Zentren für Gesundheit ansiedeln", ergänzte Folkens. Eine anziehende Wirkung – also dass Ärzte aus umliegenden Orten in die neuen Zentren ziehen – befürchten die Köpfe hinter dem Konzept jedoch nicht. Im Gegenteil: "Der Sog geht viel stärker von stationären Krankenhäusern aus", erklärte Ettenheims Stadtoberhaupt Metz. Für die niedergelassenen Mediziner sei es oft attraktiv, sich um eine Klinik anzusiedeln. Mit den Zentren für Gesundheit wolle man gerade diesem Trend entgegenwirken.

Bis zu 700 Millionen Euro wird die Klinikreform Agenda 2030 den Ortenaukreis womöglich kosten. Das geht aus dem Finanzierungsplan hervor, über den die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit und Kliniken am Dienstag abstimmen sollen. Die Gesamtkosten der Reform betragen laut Prognose rund 1,3 Milliarden Euro. Abzüglich eines Landeszuschuss von etwa 412 Euro bleiben rund 517 Millionen Euro übrig. Hinzu kommen Altschulden (bis zu 60 Millionen Euro) und die Finanzierungskosten bis 2030 (20 Millionen Euro) sowie 100 Millionen Euro für die Nachnutzung der zu schließenden Kliniken.

Kreisumlage muss erhöht werden

Um diese Investitionen zu stemmen, setzt die Kreisverwaltung auf eine Erhöhung des Eigenkapitals des Klinikums bis 2030 um 175 Millionen Euro. 2019 und 2020 erfolgte bereits eine Erhöhung um 20 Millionen Euro, bis 2030 soll das Eigenkapital jährlich um weitere 15 Millionen Euro aufgestockt werden. 2031 sollen nochmals fünf Millionen folgen. Letztlich müsste der Kreis dann noch 422 Millionen Euro durch Kredite mit einer Laufzeit bis 2058 finanzieren.

Möglich wird die Finanzierung jedoch nur durch eine Anhebung der Kreisumlage, also Zahlungen der Kommunen an den Kreis. Hier sieht das Konzept der Kreisverwaltung vor, die Kreisumlage um 1,9 Prozentpunkte bis zum Jahr 2030 anzuheben und um bis zu weitere 2,2 Prozentpunkte in den Jahren bis 2058. Mit einem Hebesatz von aktuell 27,5 Prozent liegt die Ortenau im Landesvergleich aktuell noch im unteren Bereich dieser Skala.

Die bis 2030 auflaufenden Verluste des Ortenau-Klinikums von 280 Millionen Euro sollen laut Plan durch die ab 2031 prognostizierten Gewinne ausgeglichen werden. Die rund 130 Millionen Euro für den "nicht-klinischen Bereich", wie Parkhäuser oder Kindergärten, sollen laut Verwaltung je nach Betriebs- und Organisationsform durch Dritte oder durch das Ortenau-Klinikum zu finanzieren sein. Für das Finanzierungskonzept war unter anderem das von den Fraktionen der CDU und SPD erarbeitete Finanzierungsmodell Grundlage.