Eine Frau hält sich die Ohren zu, während eine andere Frau einen Keks kaut.
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Ein bisher nicht erkanntes medizinisches Phänomen, das einen Ig-Nobelpreis bekommen hat - die Angst vor Kaugeräuschen.

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Ig-Nobelpreis 2020: Helium-Alligator und Angst vor Kaugeräuschen

Mit dem Ig-Nobelpreis werden jedes Jahr skurrile Forschungsarbeiten ausgezeichnet. In diesem Jahr ging es in den Studien um einen grölenden Alligator, Insektenforscher mit Angst vor Spinnen und die Verzweiflung beim Hören von Kaugeräuschen.

Der Ig-Nobelpreis ist eine Art Anti-Nobelpreis. Sein Name ist ein Wortspiel mit dem englischen Wort "ignoble", was so viel bedeutet wie "unwürdig". Scheinbar abstruse und überflüssige Forschungsarbeiten werden seit 1991 jedes Jahr an der Harvard-Universität in Cambridge (USA) mit diesem Preis geehrt, verliehen von der Zeitschrift "Annals of Improbable Research". Gestern wurden die Preise zum 30. Mal verliehen. Wegen der Corona-Pandemie fand die traditionell schrille Gala zum ersten Mal nur im Internet statt.

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Die Gewinner des Ig-Nobelpreises 2020

Die Auszeichnungen sollen laut Veranstalter "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren". In der anderthalbstündigen Online-Preisverleihung wurde folgende Arbeiten ausgezeichnet:

Akustik: Wissenschaftler aus Österreich, Schweden, Japan, den USA und der Schweiz konnten einen weiblichen chinesischen Alligator dazu bewegen, in einer mit Helium gefüllten luftdichten Kammer zu grölen. Sie fassten ihre Studie so zusammen: "Alligatoren klingen komisch, wenn sie einen Party-Ballon einatmen." Der Physik-Nobelpreisträger Andre Geim überreichte ihnen online den Preis.

Psychologie: Wissenschaftler aus Kanada und den USA haben eine Methode entwickelt, Narzissten anhand der Untersuchung ihrer Augenbrauen zu identifizieren.

Frieden: Die Regierungen von Indien und Pakistan wurden dafür ausgezeichnet, dass sie ihre Diplomaten heimlich mitten in der Nacht die Türklingeln der jeweils anderen betätigen und sie dann wegrennen ließen, bevor jemand die Tür öffnen konnte.

Physik: Forscher aus Australien, der Ukraine, Frankreich, Italien, Deutschland, Großbritannien und Südafrika erhielten den Preis, weil sie experimentell herausgefunden hatten, was mit der Form eines lebenden Regenwurms passiert, wenn man seinen Körper mit hoher Frequenz vibrieren lässt.

Wirtschaft: In der Kategorie Wirtschaft bekamen Wissenschaftler aus Schottland, Polen, Frankreich, Brasilien, Chile, Kolumbien, Australien, Italien und Norwegen die Auszeichnung für den Versuch, die Beziehung zwischen der Einkommens-Ungerechtigkeit eines Landes und der durchschnittlichen Häufigkeit von Küssen auf den Mund zu quantifizieren. Ihre Studie fassen die Autoren so zusammen: "Menschen aus weniger gerechten Ländern haben berichtet, dass sie ihre Partner öfter küssen".

Management: Fünf professionelle Auftragsmörder in China wurden dafür ausgezeichnet, dass sie einen Auftrag folgendermaßen ausführten: Der Erste bekam die Bezahlung für den geplanten Mord, gab den Auftrag an den Zweiten weiter, dieser an den Dritten usw. bis zum Fünften. Jeder nachfolgende Auftragsmörder bekam dabei einen immer geringeren Prozentsatz der Bezahlung und niemand beging wirklich einen Mord.

Entomologie: Ein Forscher aus den USA bekam den Preis für seine Sammlung an Beweisen, dass Entomologen, also Wissenschaftler, die Insekten erforschen, Angst vor Spinnen haben (die keine Insekten sind). Der Forscher Richard Vetter sagte in seiner vorab aufgezeichneten Dankesrede: "Für diese Menschen machen die zwei Beine mehr einen echten Unterschied."

Medizin: Forscher aus den Niederlanden und Belgien erhielten den Preis für die Diagnose eines bisher nicht erkannten medizinischen Befunds: "Misophonia" - die Verzweiflung, wenn man die Kaugeräusche anderer Menschen hört.

Medizinische Bildung: In dieser Kategorie wurden die Staatsoberhäupter von Brasilien, Großbritannien, Indien, Mexiko, Belarus, den USA, der Türkei, Russland und Turkmenistan dafür ausgezeichnet, "dass sie die Coronavirus-Pandemie dafür genutzt haben, der Welt beizubringen, dass Politiker einen unmittelbareren Einfluss auf Leben und Tod haben können als Wissenschaftler und Ärzte". Alexander Lukaschenko, der Präsident von Belarus, hatte übrigens bereits 2013 einen Ig-Nobelpreis bekommen, und zwar den Friedens-Ig-Nobelpreis dafür, dass er zum Nationalfeiertag Applaus verbieten ließ. Mit lautem Klatschen hatte die demonstrierende Opposition im Lande ihren Protest gegen den Diktator ausgedrückt.

Materialwissenschaften: Wissenschaftler aus den USA und Großbritannien konnten nachweisen, dass aus menschlichem Kot gemachte Messer nicht gut funktionieren. Sie wollten einer Geschichte auf den Grund gehen, wonach ein Inuit in Kanada ein Messer aus seinen eigenen Exkrementen gebaut habe. Die Forscher setzten echte menschliche Hinterlassenschaften Temperaturen von minus 50 Grad aus, feilten sie so zurecht, dass sie eine scharfe Kante bekamen. Der Versuch, damit Fleisch zu schneiden, scheiterte auf ganzer Linie.

Unterhaltsame Gala im Internet

Normalerweise finden sich zur Verleihung der Ig-Nobelpreise mehr als 1.000 Zuschauer ein und verfolgen die Gala live in einem Theater der Universität Harvard. Doch auch die reine Online-Version der Gala unter dem Oberthema "Insekten" hatte Unterhaltungswert: Papierflieger, die sonst traditionell während der Reden geworfen werden, flogen trotzdem, außerdem gab es Sketche und bizarre Kurz-Opern. Marc Abrahams, der Herausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung, beendete die Zeremonie mit der klassischen Abschiedsformel:

"Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!" Marc Abrahams

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