L 1 KR 111/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 376/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 111/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Kosten einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. Sie nahm den 1932 geborenen Versicherten der Beklagten CP der bereits vom 13. Mai 2010 bis 21. Mai 2010 bei ihr behandelt worden war, vom 14. Juli 2010 bis 4. August 2010 zur stationären Behandlung auf. Der Versicherte war aus der Klinik der Radioonkologie und Strahlentherapie des Klinikum Ernst v. Bergmann nach palliativer Bestrahlung der rechten Hüfte und des Halses bei einem Tumor der Glandula submandilubaris links zur weiteren Versorgung in das Krankenhaus der Klägerin verlegt worden.

Am 13. September 2010 stellte die Klägerin der Beklagten 5.734,24 EUR für die Behandlung des Versicherten in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der abgerechneten Hauptdiagnose. Am 15. Dezember 2010 befand die Gutachterin des MDK, dass die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose E43 (Nicht näher bezeichnete erhebliche Energie und Eiweißmangelernährung) medizinisch nicht plausibel sei. Nach Analyse sei C08.0 (bösartige Neubildung Glandula submandibularis) die Hauptdiagnose, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich gewesen sei.

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 7. Januar 2011 auf das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK hin. Abzurechnen sei statt der DRG K44Z (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten) die DRG D60B (bösartige Neubildungen an Ohr, Nase, Mund und Hals, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren oder schweren CC, ohne starre Endoskopie).

Die Klägerin legte gegen das Gutachten des MDK Widerspruch ein. Der Patient sei bei Aufnahme in die Klinik deutlich stimmungsgemindert, hochgradig mangelernährt und umfangreich hilfebedürftig gewesen. Es habe sich eine Mangelernährung gezeigt. Aufgrund des Ressourcenverbrauchs (Ernährungsscreening bei Aufnahme, durchgeführtes Ernährungsprotokoll/Mangelernährung über 3 Tage mit Bestimmung der Gesamtkalorien und Eiweißaufnahme, nahezu täglicher Schlucktherapie, Anlage einer PEG-Sonde sowie dem anschließenden Kostaufbau) sei die Diagnose Mangelernährung als Hauptdiagnose gerechtfertigt.

Die Beklagte befragte erneut den MDK. Dieser blieb in einem weiteren Gutachten vom 7. Juli 2014 bei der bisherigen Einschätzung. Zwar habe auch ein Ernährungsproblem bestanden. Dieses sei jedoch Folge des Tumorleidens und nicht ein selbständiges Krankheitsgeschehen. Das Ernährungsproblem habe nicht isoliert bestanden. Es habe sich um einen Symptomkomplex aus Kachexie, Schmerzen und Depression gehandelt, die sämtlich als Symptome des Tumorleidens zu sehen seien. Das Ernährungsproblem könne nicht isoliert, sondern nur im Kontext mit dem Tumor gesehen werden.

Bereits vorher, am 28. Januar 2013 hatte die Beklagte die sich nach ihrer Auffassung ergebende Überzahlung in Höhe von 1.773,40 EUR mit einer anderen unstreitigen Forderung der Klägerin verrechnet.

Mit der am 28. August 2015 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.773,40 EUR und 300,- EUR Aufwandspauschale begehrt.

Das Sozialgericht hat Dr. M mit einem internistischen und sozialmedizinischem Fachgutachten über die Abrechnung des streitigen Krankenhausaufenthaltes beauftragt. In seinem Gutachten vom 31. Oktober 2017 kommt Dr. M zu dem Ergebnis, dass als Hauptdiagnose die Tumorerkrankung gelten müsse, auch wenn keine tumorspezifische Behandlung erfolgt sei. Die Kachexie wäre nur dann als Hauptdiagnose anzusehen gewesen, wenn ausschließlich sie behandelt worden wäre.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 22. Februar 2018 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere Vergütung. Die Beklagte habe zu Recht die angegebene Hauptdiagnose korrigiert. Richtig sei die Kodierung der C08.0 – bösartige Neubildung Glandula submandibulares - anstelle der von der Klägerin angesetzten E43 - nicht näher bezeichnete erhebliche Energie- und Eiweißmangelernährung. Auf die Entscheidung des behandelnden Arztes komme es nur an, wenn tatsächlich zwei oder mehr Diagnosen als Hauptdiagnosen in Betracht kämen. Nach dem Schlichtungsausschuss Bund sei gerade in den Fällen einer malignen Erkrankung entscheidend, ob die Behandlung bereits abgeschlossen sei. Nicht erheblich sei, ob die behandelte Erkrankung eine direkte Folge der Tumorerkrankung darstelle. Vorliegend wäre E43 nur zu kodieren gewesen, wenn sie ausschließlich behandelt worden wäre. Das könne indessen nicht bestätigt werden. Die ursprüngliche Schenkelhalsfraktur sei durch eine Duo-Kopf-Prothese versorgt worden, im Zusammenhang damit habe sich der Verdacht auf einen Speicheldrüsentumor ergeben. Nach einer konsularischen strahlentherapeutischen Vorstellung sei zunächst vom 13. Mai 2010 bis 21. Mai 2010 die geriatrische Therapie nach endoprothetischer Versorgung fortgesetzt worden. Dies habe nach einer Woche wegen der raschen Progredienz des Tumors unterbrochen werden müssen. Bei der Aufnahme am 13. Mai 2010 habe sich der Versicherte ausweislich des Arztbriefs vom 21. Mai 2010 in einem reduzierten Allgemeinzustand und ausreichendem Ernährungszustand befunden. Am 21. Mai 2010 sei der Versicherte in die Klinik für Radiologie/Onkologie/Strahlentherapie zurückverlegt worden, wo er bis zum 14. Juli 2010 behandelt worden sei. Danach sei er in einem schlechten, jedoch stabilen Allgemeinzustand zur weiteren Therapie in die Klinik der Klägerin verlegt worden. Bei der Aufnahme dort am 14. Juli 2010 habe ein deutlich reduzierter Allgemein- und kachektischer Ernährungszustand vorgelegen, der aus den Schluckbeschwerden resultierte, welche durch die Strahlenbehandlung hervorgerufen wurden. Während des stationären Aufenthalts vom 14. Juli 2010 bis zum 4. August 2010 sei nicht ausschließlich die Kachexie behandelt worden. Neben der physiotherapeutischen Behandlung habe die logopädische Behandlung der Schluckstörung im Vordergrund gestanden. Die Schluckstörung sei durch die Strahlentherapie hervorgerufen worden. Nach der strahlentherapeutischen Behandlung sei während des Aufenthalts bei der Klägerin keine tumorspezifische Behandlung erfolgt. Vielmehr habe die Mobilisation und Stabilisierung des Versicherten im Vordergrund gestanden, hinzugekommen sei die tumorbedingte Kachexie und Depression. Gegen die Kodierung der Kachexie als Hauptdiagnose spreche, dass sie Folge der Tumorerkrankung gewesen und nicht ausschließlich behandelt worden sei. Vielmehr sei die bereits begonnene geriatrische Rehabilitation nach endoprothetischer Versorgung fortgesetzt und zusätzlich die durch Schluckbeschwerden hervorgerufene Mangelernährung berücksichtigt worden. Damit sei E43 nicht als Hauptdiagnose zu kodieren. Es komme nicht auf die Entscheidung des behandelnden Arztes in Bezug auf den größten Ressourcenverbrauch an, da sich die C08.0 als Hauptdiagnose bereits aus der Definition der Hauptdiagnose ergebe. Auch nach der Patientenakte habe die Kachexie nicht den größten Ressourcenverbrauch verursacht. Der von der Klägerin noch gestellte Antrag auf Vernehmung des Sachverständigen im Termin habe keinen Erfolg gehabt, weil es letztlich um Fragen der rechtlichen Wertung gehe. Aufgrund des Inhalts der Patientenakte gehe die Kammer davon aus, dass die Energie- und Eiweißmangelernährung während des stationären Aufenthalts bei der Klägerin nicht ausschließlich behandelt worden sei. Es seien daneben weitere Gesundheitsstörungen behandelt worden, die aus der Tumorerkrankung und der endoprothetischen Versorgung resultierten. Da kein Anspruch auf weitere Kosten für den stationären Aufenthalt bestehe, sei auch ein Anspruch auf die geltend gemachte Aufwandspauschale zu verneinen. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfte es sich ohnehin um einen Fall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung gehandelt haben.

Gegen das ihr am 9. März 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. April 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Tatsächlich habe die Behandlung der Kachexie als eigenständige Behandlung mit dem größten Ressourcenverbrauch vorgelegen. Die gesamte stationäre Behandlung bei der Klägerin habe nicht die Tumorerkrankung, sondern weitergehende Behandlungen betroffen. Es dürfe nicht der gesamte stationäre Aufenthalt in zwei verschiedenen Krankenhäusern vermischt werden. Die Malignombehandlung sei abgeschlossen gewesen. Neben der Frage der Mobilisierung habe die Beseitigung des Ernährungsmangelzustands im Vordergrund gestanden. In diesem Zusammenhang sei der höchste Ressourcenverbrauch vorgenommen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.773,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 28. Januar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Das eingeholte Sachverständigengutachten habe eindrucksvoll bestätigt, dass während des streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalts verschiedene Folgezustände der Tumorerkrankung behandelt worden seien. Auch die Behauptung, dass auf die Behandlung der Kachexie der größte Ressourcenverbrauch entfallen sei, stütze nicht die Klageforderung. Das Beispiel 4 der DKR D002f sei vorliegend nicht einschlägig, weil nicht lediglich ein einzelnen Symptom, sondern eine Vielzahl der auf die Malignomerkrankung zurückzuführenden Beschwerden behandelt worden sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die von der Klägerin geführte Patientenakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 14. Juli 2010 bis zum 4. August 2010.

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch zulässigerweise im Wege einer allgemeinen Leistungsklage. Er kann sich nur aus einer anderen hier unstreitigen Forderung ergeben, gegen welche die Beklagte am 28. Januar 2013 mit einem Erstattungsanspruch wegen der hier streitigen Behandlung aufgerechnet hat. Die Aufrechnung erfolgte aber nicht zu Unrecht, weil der Beklagten in der Höhe des hier streitigen Betrags ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustand. Die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten ist in Höhe des streitigen Betrags von 1.773,40 EUR ohne Rechtsgrund zunächst zu hoch vergütet worden.

Rechtsgrundlage für die Vergütung der Behandlung des Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 14. Juli 2010 bis zum 4. August 2010 sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Brandenburger Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997. Nach diesen Regelungen entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich gewesen ist.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder eine ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen (Urteil des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06 – und Urteil des BSG vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – zitiert jeweils nach juris). Die vollstationäre Behandlung als intensivste – und institutionell konstitutive Form der Krankenhausbehandlung wird in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V als Ultima Ratio normiert. Demgemäß muss die notwendige medizinische Behandlung in jeder Hinsicht und ausschließlich nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden können (Noftz in Hauck/Noftz SGB V § 39 RdNr. 72 m.w.Nachw.). Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht in Streit, dass vom 14. Juli 2010 bis zum 4. August 2010 eine Behandlung des Versicherten mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses notwendig war, so dass der Anspruch der Klägerin auf Vergütung dem Grunde nach entstanden ist.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog vergütet. Diese Entgelte decken nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen ab. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle (somatischen) Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung entsprechend ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Aus den Kodierungen ergibt sich nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn 17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn 16). Welche der über die Höhe der Vergütung entscheidenden DRG-Positionen abzurechnen ist, ergibt sich damit nicht aus einem abstrakten Tatbestand, sondern steht am Ende des Verarbeitungsprozesses der einzugebenden Daten. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV sind zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer Fallpauschale Programme (sog. Grouper) einzusetzen, die von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zertifiziert sein müssen. Über die in das Programm einzugebenden Daten bestimmt der ICD-10 in der deutschen Fassung sowie der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS). Maßgebend ist jeweils die im Behandlungsjahr geltende Fassung. Die Klägerin hat ihre Rechnung grundsätzlich nach diesen Vorgaben erstellt. Sie hat aber zu Unrecht die DRG K44Z abgerechnet, weil die einzugebenden Kodierungen nicht zu dieser DRG führen.

Zu kodierende Hauptdiagnose nach dem ICD 10 war C08.0L (Glandula submandilubaris Tumor links) und nicht, wie die Klägerin meint, E43 (nicht näher bezeichnete erhebliche Energie- und Eiweißmangelernährung). Die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der für das Jahr 2010 geltenden Fassung bestimmen unter D002f zur Hauptdiagnose, dass sie die Diagnose ist, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich war. Aus dieser Definition ergibt sich, dass die Funktion der Hauptdiagnose ist, die Krankheit zu bezeichnen, die vorrangig während des Aufenthalts des Patienten im Krankenhaus behandelt wird. Eine bei einem Versicherten bestehende Gesundheitsstörung wird nicht als Haupterkrankung kodiert, wenn sie während des Krankenhausaufenthaltes nicht behandelt wird. Die Fokussierung auf nur die behandelte Erkrankung wird auch deutlich in der ebenfalls unter D002f zu findenden Regelung über die Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose, wonach ein Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren ist, wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird. Maßgebend für die Kodierung der Hauptdiagnose ist nur die im Krankenhaus der Klägerin vorgenommene Behandlung, nicht auch die vorherige Strahlentherapie. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Fallpauschalenvereinbarung in der für das Jahr 2010 geltenden Fassung. Dort ist bestimmt, dass die Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus abgerechnet werden und im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale abrechnet.

Der vom Sozialgericht beauftragte Gutachter hat bestätigt, dass für den Versicherten während seiner Behandlung bei der Klägerin neben der C08.0 auch die E43 zu diagnostizieren gewesen ist. Das steht in Übereinstimmung mit den im Entlassungsbericht der Klägerin angegebenen Diagnosen. Maßgebend für die Entscheidung, welche der beiden als Hauptdiagnose gilt, ist nach den Kodierrichtlinien die Frage, welche der Diagnosen für den Krankenhausaufenthalt hauptsächlich verantwortlich gewesen ist. Das wiederum setzt die Prüfung voraus, für die Untersuchung und Behandlung welcher Krankheit die meisten Ressourcen verbraucht worden sind. Medizinisch gesehen ist die Energie- und Eiweißmangelernährung hier eine Folge der Tumorerkrankung. Das hat der vom Sozialgericht beauftragte Gutachter bestätigt. Diese Aussage erscheint dem Senat ohne weiteres nachvollziehbar. Die Klägerin behauptet selbst keine andere medizinische Ursache für die von ihr behandelten Krankheitszeichen. Insoweit stellt sich jede Behandlung der Ernährungsstörung auch als eine Behandlung der Folgen der Tumorerkrankung dar. Deswegen kann der Umfang der Behandlung hier nicht über die Frage der Kodierung der Hauptdiagnose entscheiden. Vielmehr ist maßgebend, bis zu welcher medizinischen Ursache nach den DKR für die Kodierung zurückzugehen ist.

Entsprechend der in den DKR - 0D002f zu findenden Regelung ist grundsätzlich die den Symptomen zugrunde liegende Krankheit und sind nicht die Symptome als Hauptdiagnose zu kodieren. Das spricht dafür, stets auf die Krankheit abzustellen, die im medizinischen Sinne als Ursache für den Eintritt weiterer Gesundheitsstörungen anzusehen ist. Das war hier die Tumorerkrankung, die als Grunderkrankung dazu führte, dass bei dem Versicherten weitere Krankheitserscheinungen eingetreten sind. Entsprechend wäre die C08.0 als Hauptdiagnose zu kodieren.

Eine Ausnahme der Kodierung der medizinischen Ursache gilt nach den DKR 2010 aber für die Fälle, in denen die zugrunde liegende Krankheit bereits bekannt ist, jedoch nur ein Symptom behandelt wird. Dann gilt das Symptom als Hauptdiagnose. Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt wäre die Energie- und Eiweißmangelernährung dann Hauptdiagnose, wenn sie bei der Klägerin als einzige Folge der bekannten Tumorerkrankung behandelt worden wäre. Ausdrücklich dahingestellt lässt der Senat in diesem Zusammenhang, ob ein Symptom im Sinne dieser DKR-Regelung nur vorliegt, wenn es sich um ein Symptom auch im Sinne des Kapitels VIII des ICD-10 handelt (so LSG Baden-Württemberg v. 24. April 2020 – L 4 KR 3159/18 – juris Rn 38 – unter Hinweis auf BSG v. 20. März 2018 – B 1 KR 25/17 R; weiter aber Urteil des erkennenden Senats v. 29. August 2019 – L 1 KR 326/18).

Auch unter Zugrundelegung der weiteren Auffassung sind die Voraussetzungen für die Kodierung von E43 als einzig behandeltem Symptom hier nicht erfüllt. Denn die Tumorerkrankung war nach den Feststellungen des vom Sozialgericht beauftragten Gutachters medizinische Ursache nicht nur für die Mangelernährung, sondern ebenso für die Schluckstörungen, die Depression, die Mukositis und das Schmerzsyndrom. Auch diese Krankheiten sind während des Aufenthalts bei der Klägerin behandelt worden. Der Gutachter stellt ausdrücklich fest, dass die mangelnde Mobilität des Patienten ein mindestens ebenso großes Problem wie die Mangelernährung gewesen sei. Das steht in Übereinstimmung mit dem Inhalt der von der Klägerin geführten Patientenakte. Dann verbietet sich aber die Annahme, dass von den durch die Grunderkrankung des Versicherten hervorgerufenen Gesundheitsstörungen im Krankenhaus der Klägerin ausschließlich die Mangelernährung behandelt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen muss es für die Kodierung der Haupterkrankung bei dem Grundsatz verbleiben, dass auf die medizinische Ursache der behandelten Gesundheitsstörungen und Beeinträchtigungen abzustellen ist. Nicht entscheidend ist dagegen, ob die Behandlung der eigentlichen medizinischen Ursache noch kurativ möglich war oder nur noch palliativ erfolgte. Denn den DKR ist nicht zu entnehmen, dass es für die Kodierung der Hauptdiagnose auf den noch möglichen Behandlungserfolg ankommen könnte.

Auch aus dem Beschluss des Schlichtungsausschusses gem. § 17c Abs. 3 KHG vom 4. Juli 2016 – 1/2015 – zur Auslegung der DKR 0201 ergibt sich nichts Anderes. Nach diesem Beschluss ist bei einem Patienten, der mit einem bekannten Malignom vor Abschluss der Malignom Behandlung aufgenommen wird, der Tumor nur dann als Nebendiagnose (und nicht als Hauptdiagnose) anzugeben, wenn während der stationären Aufenthalts ausschließlich eine einzelne Erkrankung (oder Komplikation) als Folge einer Tumortherapie oder eines Tumors behandelt wird. In dem vorliegenden Sachverhalt behandelte die Klägerin jedoch einen Symptomkomplex, der durch die Tumorerkrankung des Versicherten entstanden war. Bei der Klägerin wurde gerade nicht nur eine einzelne Erkrankung behandelt.

Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass sich bei Kodierung der C08.0 als Hauptdiagnose die DRG D60B ergibt, die zu einem um den streitgegenständlichen Betrag geringeren Entgelt als die von der Klägerin erteilte Abrechnung führt.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved