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Bad Soden: „Darum kämpfen, dass es weitergeht“ - Hessischer Heilbäderverband zieht Bilanz

Stefan Ziegler (sitzend), Claudia Kugler (von links), Holger Reuter, Almut Boller und Michael Köhler.
Stefan Ziegler (sitzend), Claudia Kugler (von links), Holger Reuter, Almut Boller und Michael Köhler. © Lena Quandt

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, da sind sich Stefan Ziegler, Kurdirektor in Bad Soden-Salmünster, und Michael Köhler, Vorsitzender des Hessischen Heilbäderverbands, einig. Bei der Mitgliederversammlung des Verbands im Spessart-Forum wurde deutlich: Corona hat die Kurbetriebe überrollt. Verheerende wirtschaftliche Folgen sind zu erwarten.

Bad Soden - Nichts wurde schön geredet bei der Zusammenkunft am Freitag. Kurdirektor Ziegler zitierte während einer Pressekonferenz Bad Soden-Salmünsters Bürgermeister Dominik Brasch (parteilos) mit den Worten: „Die Heilbäder und Kurorte sind durch die Pandemie in ihrer Existenz bedroht.“ Hessens Kurbetriebe werden ohne Unterstützung die Krise nicht überstehen, fügte Ziegler hinzu.

Für Hessen ergibt sich folgendes Bild: ein Rückgang der Übernachtungen von 45 Prozent, geschätzt 27 Millionen Einnahmeverluste aus den Tätigkeiten für Kur und Tourismus, keine Kongresse, keine Veranstaltungen, 40.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Es braucht Lösungen, um die Abwicklung von Kurbetrieben zu verhindern.

Kurbäder im Kinzigtal: „Wir fühlen uns von der Politik verlassen“

Claudia Kugler, Leiterin der Rehabilitationsklinik St. Marien in Bad Soden, erzählte aus dem Arbeitsalltag. „Wir fühlen uns von der Politik verlassen. Reha-Kliniken haben keine Lobby. Dabei sind sie systemrelevant“, beklagt sie und berichtet von Kurzarbeit und geringer Auslastung trotz hoher Nachfrage. Stichwort Abstandsregeln: 100 Prozent müsse eine Klinik wie ihre belegt sein, um wirtschaftlich zu sein.

Derzeit seien es gerade einmal 40 Prozent. Das Haus hat 185 Betten, ist auf Geriatrie und Orthopädie spezialisiert. Hohe Personalkosten, geringe Auslastung – so sieht es derzeit überall in Bad Soden-Salmünster aus. Trotzdem sei der Kurbetrieb laut Ziegler mit einer Auslastung von 40 Prozent noch nicht das Schlusslicht, sondern in „mittlerer Gesellschaft“. Es gelte, nach Lösungen zu suchen. Die Bäderfamilie kämpfe darum, dass es weitergeht.

Verband Hessischer Heilbäder fordert Sonderprogramm in Höhe von 20 Millionen Euro

Um weiter „einen hohen Beitrag“ zur Gesundheit zu leisten, fordern die Verantwortlichen des Verbands nun hessenweite Kompensationsleistungen von Bund und Ländern, darunter etwa der volle Ausgleich der durch die Pandemie ausgelösten Mindereinnahmen sowie eine Anpassung des „Bäderpfennings“. Gespräche sind anberaumt, eine Liste mit Forderungen wurde erarbeitet. Wie Köhler berichtet, sei das Nachbarbundesland Thüringen ein gutes Beispiel.

10 Millionen Euro seien an die insgesamt zehn Kurbetriebe ausgezahlt worden. Hessen zähle 30 Betriebe. Der Verband fordere daher ein Sonderprogramm in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro über drei Jahre, um die Heilbäder und Kurorte weiterzuentwickeln und vor der Schließung zu retten. Zwei Drittel davon befinden sich in Hessen im ländlichen Raum, wie Bad Soden-Salmünster, sind wichtige, manchmal sogar die einzigen Arbeitgeber in der Region.

„Die schlimmste Krise, die wir je erlebt haben“ - Bäder wollen ihren Teil an der Rettung tragen

„Sollten als Folge der Krise Kurbetriebe schließen, kann sich das im ländlichen Bereich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem entwickeln. Wenn Arbeitsplätze fehlen, kommt es zu Landflucht, örtliche Cafés und Geschäfte schließen, Innenstädte sterben aus, in den Ballungszentren steigen die Mieten. Es ist die schlimmste Krise, die wir je erlebt haben“, erläuterte Köhler. „Wir wollen weiter dazu beitragen, dass Menschen mit uns ihre Gesundheit stärken können. Die Kur hat eine 3000 Jahre alte Geschichte. Sie hat Bedeutung“, so Almut Boller, Geschäftsführerin des Verbands.

Die Lösungen liegen aber nicht nur in den Forderungen. „Das ist keine Vollkasko-Versicherung. Wir wollen selbst unseren Teil dazu beitragen, in dem wir an Plänen arbeiten, wie wir Kurbetriebe jünger und moderner aufstellen können“, sagt Holger Reuter, neugewählter stellvertretender Vorsitzender. Boller spricht von Veränderungen im Marketing sowie Natur und Nachhaltigkeit als Standbein.

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