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Frankfurter Kliniken-Chef über Corona-Lage: „Hat uns Schweißperlen auf die Stirn getrieben“

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Das Höchster Krankenhaus ist Teil der Kliniken Frankfurt Main-Taunus. Bislang, sagt Geschäftsführer Martin Menger, seien die Häuser in Höchst, Hofheim und Bad Soden relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen.
Das Höchster Krankenhaus ist Teil der Kliniken Frankfurt Main-Taunus. Bislang, sagt Geschäftsführer Martin Menger, seien die Häuser in Höchst, Hofheim und Bad Soden relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen. © picture alliance/dpa

Kliniken-Geschäftsführer Martin Menger über Corona, die schwarze Null und andere Herausforderungen der Kliniken Frankfurt Main-Taunus.

Frankfurt/Main-Taunus – Der Klinikverbund Frankfurt Main-Taunus konnte sein Defizit zuletzt verringern. 2019 stand ein Minus von 1,7 Millionen Euro unterm Strich. Ob die Richtung raus aus den roten Zahlen im Corona-Jahr 2020 zu halten sein wird, wo aktuelle Herausforderungen liegen und was es an Schritten zur Stärkung des Verbunds gibt, hat Barbara Schmidt Kliniken-Geschäftsführer Martin Menger gefragt.

Besonders zu Beginn der Pandemie: Kliniken in Frankfurt und im Main-Taunus-Kreis bangen

Herr Menger, die finanzielle Situation der Kliniken hatte sich 2019 ja erfreulich entwickelt. Dann kam, was keiner auf der Rechnung hatte: Corona. Wie sehr wird das die Bilanz 2020 verhageln?

Stand heute gehe ich davon aus, dass wir unsere Planziele erreichen werden können. Zu Beginn der Pandemie hat es nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Kliniken-Geschäftsführern allerdings die Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Im Moment kommen wir unter Berücksichtigung der Maßnahmenpakete von Bund und Land als Krankenhaus klar. Daher gehe ich davon aus, dass wir halbwegs über die Runden kommen.

Was macht das schwierig?

Entschädigungen für leere Betten werden, Stand jetzt, zum 1. Oktober gestrichen. Wir dürfen aber weiter höchstens zwei Betten pro Zimmer belegen. Das sind über alle drei Standorte immerhin 120 Betten, die wegfallen. Zudem weiß keiner, ob manche Patienten lieber weiter einen Bogen um Krankenhäuser machen. Wir haben hier das Infektionsrisiko aber gut im Griff und sind nach meinem Dafürhalten ein sicherer Ort.

Frankfurt/ Main-Taunus: Kliniken-Geschäftsführer an der schwarzen Null fest

Sie haben ja auch noch mit anderen unplanmäßigen Herausforderungen zu tun. Die Fertigstellung des neuen Klinikgebäudes in Höchst hat sich weiter verzögert. Ist unter den gegebenen Umständen das Ziel der schwarzen Null nach fünf Jahren Verbund überhaupt zu schaffen?

Das Ziel haben wir nicht aufgegeben. Ich halte es noch für realistisch. Allerdings sind all das kommunizierende Röhren. Covid hatte keiner auf dem Radar. Und die verspätete Fertigstellung in Höchst, die jetzt 2021 erfolgen soll, macht es nicht einfacher. Geplante Einsparungen lassen sich noch nicht realisieren. Und die Unterhaltungskosten für die alten Gebäude werden nicht weniger. Trotzdem gehe ich davon aus, wir können es schaffen. Aber ich kann auch nicht in die Glaskugel schauen.

Es gab Applaus und viel Anerkennung für Ärzte und Pflegekräfte in der harten Phase der Pandemie. Was ist davon übriggeblieben?

An der Wertschätzung hat sich nichts geändert. Das war immer schon so. Alle hier haben gut angepackt. Wir haben im Verhältnis zu anderen Krankenhäusern überdurchschnittlich viele Covid-Patienten behandelt, rund 170 wirklich an Covid erkrankte, dazu mehr als 1000 Verdachtsfälle.

Kliniken in Frankfurt beklagen hohen Nachholbedarf: Drei Milliarden Euro vom Bund sollen helfen

Zeigt sich die Wertschätzung für diesen Einsatz auch ganz konkret, beim Lohn?

Die Bundesregierung hat 100 Millionen Euro dafür in einen Topf gegeben. Was davon hier ankommt, geben wir sicher weiter. Aber ich brauche dafür diese Gegenfinanzierung.

Für die Krankenhäuser selbst soll es vom Bund rund drei Milliarden Euro für Investitionen geben. Wofür würden Sie gern Geld ausgeben?

(lächelt breit) Für alles. - Im Ernst, es ist unstreitig, dass die Krankenhäuser in Deutschland fast in allen Investitionsbereichen einen hohen Nachholbedarf haben. Es wird einen Investitionstopf für Digitalisierung geben. Das brauchen wir genauso wie Geld für die Verbesserung baulicher Strukturen oder um unsere Medizintechnik auf dem neuesten Stand zu halten.

Dass die Main-Taunus-Kliniken heute so gut dastehen, das sieht der frühere Geschäftsführer Tobias Kaltenbach auch mit als sein Verdienst an. Ist es nach dem zu seinen Gunsten ausgegangenen Rechtsstreit über seinen Auflösungsvertrag nicht an der Zeit, da öffentlich ein bisschen Wiedergutmachung zu betreiben?

Es gibt sicher durchaus Dinge, die er angeschoben hat. Das will ihm ja keiner nehmen. Aber ich möchte das Feld nicht mehr aufrollen. Dazu ist alles gesagt.

Geschäftsführer Martin Menger plant große Veränderungen für die Kliniken Frankfurt Main-Taunus

Sie wollen den Verbund weiter voranbringen. Welche Schritte planen Sie aktuell?

Vieles wurde schon umgesetzt in den nicht-medizinischen Bereichen. Für die sogenannten ,weißen Berufe' etablieren wir ein ,medical board', das ist ein Gremium, in dem Ärzte und Geschäftsführer aus allen Standorten zusammensitzen und über Neuerungen und Veränderungen sprechen und das eine gewisse Entscheidungsbefugnis hat, wie etwas umgesetzt werden soll an der Basis. Das betrifft zum Beispiel ein gemeinsames OP-Statut oder den Einkauf von Medizin-Produkten. Wenn wir das verwendete Material für alle Häuser harmonisieren, können wir kostengünstiger einkaufen. Auch die Mitwirkung an Chefarzt-Stellenbesetzungen oder die Überwachung der Medizinqualität sind Themen.

Gibt es weitere Veränderungen?

Gefestigt hat sich die standortübergreifende Schlaganfallversorgung. In der Kinderchirurgie werden klare Absprachen getroffen, wenn es darum geht, bis zu welchem Alter junge Patienten wo versorgt werden. Und für die Urologie in Bad Soden und Höchst, wo beide Chefärzte altersbedingt ausscheiden, werden wir nur noch einen gemeinsamen Chefarzt, standortübergreifend, berufen. Der Nachfolger wird zu Jahresbeginn übernehmen. Das Versorgungsangebot werden wir aber an beiden Standorten aufrechterhalten, mit jeweiligen Spezialisierungen.

Wenn das Verbund-Modell so erfolgreich ist, wie wäre es im mit Kliniken so dicht besetzen Rhein-Main-Gebiet denn, sich mit weiteren Krankenhäusern zusammenzutun?

Erst mal müssen wir unsere eigenen Hausaufgaben machen. Mag sein, unser Beispiel weckt das Interesse anderer. Aber das ist nicht meine Entscheidung. (Von Barbara Schmidt)

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