Behandlungskosten
So teuer sind die einzelnen Spitäler im Aargau – erstmals ist ein Fallkosten-Vergleich möglich

Erstmals lassen sich die Behandlungskosten aller Schweizer Spitäler vergleichen. Die Aargauer Spitäler schneiden insgesamt gut ab. Doch es gibt im Kanton auch Unterschiede: Im günstigsten Spital kostet eine Behandlung 1700 Franken weniger als im teuersten.

Noemi Lea Landolt
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Zwischen 8604 und 10370 Franken: Das kostet eine stationäre Behandlung an den Aargauer Spitälern im Durchschnitt. (Im Bild: Spital Menziken: 9172 Franken)
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Kantonsspital Baden: 9967 Franken
GZ Fricktal: 9832 Franken
Zwischen 8604 und 10370 Franken: Das kostet eine stationäre Behandlung an den Aargauer Spitälern im Durchschnitt.
Spital Zofingen: 9558 Franken
Klinik Villa im Park: 10'370 Franken
Spital Muri: 10'064 Franken
Kantonsspital Aarau: 10'271 Franken
Spital Leuggern: 8604 Franken

Zwischen 8604 und 10370 Franken: Das kostet eine stationäre Behandlung an den Aargauer Spitälern im Durchschnitt. (Im Bild: Spital Menziken: 9172 Franken)

Bilder: Elia Diehl, Philipp Zimmermann, Melanie Eichenberger, Mi

Welches Spital ist das beste? Es ist eine jener Fragen, die sich kaum beantworten lässt. Zwar werden immer wieder Studien zur Qualität von Spitälern veröffentlicht. Über alle Zweifel erhaben sind solche Auswertungen selten. Nun hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erstmals Zahlen veröffentlicht, die es ermöglichen, die Schweizer Spitäler anhand ihrer durchschnittlichen Behandlungskosten pro stationären Fall zu vergleichen. Die Unterschiede bei den sogenannten Fallkosten sind schweizweit gross: Am Bethesda-Spital in Basel kostet eine stationäre Behandlung im Durchschnitt 15418 Franken; am Spital Leuggern 8604 Franken.

Die Fallkostenliste könnte ein Mittel sein, um gegen unwirtschaftliche Spitäler vorzugehen, sagte Gesundheitsökonom Stefan Felder gegenüber «10vor10». Er erwartet, dass es bald heisst: «Die Defizite müssen weg – oder ein Spital muss schliessen.»

Gesundheitschefin des Kantons kennt Behandlungskosten bereits

Aber ist es wirklich so einfach? Für Barbara Hürlimann, Leiterin der Abteilung Gesundheit beim Kanton, sind die Zahlen nicht neu. «Wir erheben seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung die schweregradbereinigten Fallkosten der Aargauer Spitäler», also jene Werte, die das BAG nun schweizweit publiziert hat. Seit 2016 nimmt der Aargau zudem am interkantonalen Datenaustausch der Fallkosten teil, den die Gesundheitsdirektorenkonferenz organisiert.

«Wenn ein Spital hohe Fallkosten nicht plausibel erklären kann, kann es sein, dass wir den Leistungsauftrag nicht erteilen», sagt Barbara Hürlimann Leiterin Abteilung Gesundheit.

«Wenn ein Spital hohe Fallkosten nicht plausibel erklären kann, kann es sein, dass wir den Leistungsauftrag nicht erteilen», sagt Barbara Hürlimann Leiterin Abteilung Gesundheit.

Britta Gut

Die Fallkosten werden in allen Kantonen nach den gleichen Kriterien erhoben. Sie dienen dazu, den Benchmark-Tarif für ein wirtschaftliches Spital festzulegen. «Dieser Wert ist zentral, wenn sich die Krankenkasse und das Spital nicht auf einen Tarif einigen können und der Kanton den Tarif festsetzen muss», sagt Hürlimann. Die tatsächlichen Fallkosten der Spitäler interessieren sie nur bedingt, die ausgehandelten Tarife seien wichtiger. «Aber wenn ein Spital die hohen Fallkosten nicht plausibel erklären kann, kann es sein, dass wir den Leistungsauftrag im Spitallistenverfahren nicht erteilen.»

Klinik Villa im Park in Rothrist: Hohe Kosten wegen Bauarbeiten

Am meisten kostet eine Behandlung mit 10'370 Franken in der Klinik Villa im Park in Rothrist. Das ist auffällig, zumal die Privatklinik über keine Notfallstation und ein viel weniger breiteres Angebot verfügt als beispielsweise das Kantonsspital Aarau (KSA). Trotzdem ist die Villa im Park auf der Spitalliste. «Wegen Bauarbeiten waren die Fallzahlen rückläufig», sagt Hürlimann. «Das führte gemäss den Klinikverantwortlichen zu den hohen Fallkosten.» Die Erklärung war für sie plausibel. Da zudem der Tarif der Klinik vergleichsweise tief sei, sei ihr der Leistungsauftrag erteilt worden. Mit der Bedingung, dass das Kriterium der Wirtschaftlichkeit in zwei Jahren erfüllt sein muss.

«Die Zahlen zu den Fallkosten bilden die Unterschiede zwischen den Spitälern nicht genügend ab», sagt Daniel Tapernoux, SPO Patientenorganisation.

«Die Zahlen zu den Fallkosten bilden die Unterschiede zwischen den Spitälern nicht genügend ab», sagt Daniel Tapernoux, SPO Patientenorganisation.

Bilder: Elia Diehl, Philipp Zimmermann, Melanie Eichenberger, Mi

Gemäss Bundesamt für Gesundheit dient die Liste der Fallkosten pro Spital Patientinnen und Patienten als Entscheidhilfe. Daniel Tapernoux von der SPO Patientenorganisation sagt: «Die einzelne Patientin oder der einzelne Patient kann gar nicht immer wählen, in welchem Spital er oder sie behandelt wird.» Oft sei es zum Beispiel der Rettungsdienst, der entscheide, oder es sei aufgrund der Komplexität eines medizinischen Leidens klar, dass jemand in ein spezialisiertes Spital müsse.

Privatspitäler und Spezialkliniken haben mehr Spielraum

Tapernoux warnt auch davor, zu viel in die Zahlen hineinzuinterpretieren. «Ich zweifle daran, dass die Fallkosten tatsächlich genügend schweregradbereinigt sind», sagt er. Zu diesem Schluss kommt er unter anderem, weil grosse Spitäler, die viele schwerkranke Patientinnen und Patienten behandeln, eher hohe Fallkosten haben. Privatspitäler oder spezialisierte Kliniken hätten hingegen oft mehr Spielraum. «Sie können beispielsweise eine Auswahl von gesünderen Patientinnen treffen und den Anteil von planbaren Eingriffen höher halten als Zentrums- oder Unispitäler, die verpflichtet sind, alle Patientinnen und Patienten jederzeit zu behandeln.»

Das fällt auch bei den Zahlen der Aargauer Spitäler auf: Am KSA, das im Kanton mit Abstand die meisten Leistungsaufträge hat, sind die Fallkosten mit 10'271 Franken höher als an kleineren Regionalspitälern. Die Leistungsaufträge sind wichtig, weil die Spitäler – sofern sie einen Auftrag für eine Notfallversorgung haben – gewährleisten müssen, dass sie alle Leistungsaufträge rund um die Uhr erfüllen können. Die Ärzte müssen also beispielsweise vor Ort sein, auch wenn es sie im besten Fall nicht braucht. Solche sogenannten Vorhalteleistungen kosten Geld. «Meiner Meinung nach bilden die Zahlen zu den Fallkosten diese Unterschiede zwischen den Spitälern nicht genügend ab. Das führt letztlich dazu, dass trotzdem Äpfel mit Birnen verglichen werden», sagt Tapernoux zur Liste des BAG.

24-Stunden-Notfall und Geburtenabteilung in Muri

Auch das KSA verweist auf Anfrage auf die Vorhalteleistungen und die Endversorgerfunktion, die dem Spital Fälle beschere, die gar nicht kostendeckend behandelt werden können. Zudem seien die Abläufe auf dem weitläufigen Areal mit über 30 teilweise sehr alten Häusern sehr ressourcenlastig.

Im Spital Muri sind die durchschnittlichen Behandlungskosten mit 10'064 Franken ebenfalls eher hoch. Das führen die Verantwortlichen unter anderem auf Abschreibungen wegen der erneuerten Infrastruktur zurück, die in die Fixkosten einfliessen und sich auf die Fallkosten auswirkten. Zudem verfüge das Spital über einen 24-Stunden-Notfall und eine Geburtenabteilung. Zu viel hineininterpretieren will man in Muri aber nicht: Die Fallkosten könnten zwar durchaus zur Orientierung dienen, würden aber letztlich nicht genug aussagen, um die Wirtschaftlichkeit konkret zu beurteilen oder Handlungen von ihnen abzuleiten.

Spital Leuggern gehört zu den Günstigsten

Das teilt auch das Kantonsspital Baden (KSB) mit, das gemäss Liste zu den effizienteren Spitälern gehört: Die Zahlen böten in ihrer Form «keine schlüssigen Erkenntnisse über die Effektivität oder Effizienz der Behandlungen».

Am unteren Ende der Skala steht das kleine Spital Leuggern im Zurzibiet, das mit durchschnittlichen Behandlungskosten von 8604 Franken nicht nur im Aargau, sondern auch schweizweit zu den günstigsten Spitälern gehört. Spitaldirektor René Huber führt das auf die Grösse des Spitals, die schlanke Organisationsstruktur sowie das Belegarztsystem zurück.

Die Hirslanden Klinik Aarau mit durchschnittlichen Behandlungskosten von 8923 Franken führt diese ebenfalls auf die «schlanken Prozesse, die kurzen Kommunikationswege und die engagierten Mitarbeitenden» zurück. Gleichzeitig sei man es als privates Zentrumsspital «gewohnt, unsere Kosten im Griff zu haben». Auch das Belegarztsystem sei sicherlich «sehr effizient».