Dresden (dpa/sn) - Sachsen hat nach Einschätzung verschiedener Verbände die Corona-Krise bisher gut gemeistert und muss dennoch Lehren aus der Pandemie ziehen. Das ist das Fazit aus einer Experten-Anhörung am Montag im Landtag. Dazu hatte der Ausschuss für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eingeladen. Eine weitere Anhörung zum Krisenmanagement ist am Donnerstag geplant.

Als erster Sachverständiger ergriff Erik Bodendieck, Präsident der Landesärztekammer Sachsen, das Wort. Seiner Ansicht nach ist zur Bewältigung von Pandemien wie Corona mehr medizinisches Personal erforderlich. Man habe nicht zu wenig Beatmungsgeräte und Betten, sondern ein personelles Problem. Das betreffe sowohl Pflegekräfte als auch Ärzte und anderes medizinisches Personal. Es gelte, eine Balance zu schaffen zwischen dem, was möglich ist, und dem, was nötig ist.

Aus Sicht der Ärzte sind die Corona-Maßnahmen gut gelaufen, betonte Bodendieck: "Das sage ich ohne Wenn und Aber." Sie seien sach- und zeitgemäß erfolgt, das Gesundheitswesen sei gut aufgestellt, Deutschland relativ glimpflich davongekommen. Man habe nicht eher wissen können, was da auf einen zukommt, und auf Informationen aus China warten müssen: "Wir wussten nicht, was das Virus macht." Deshalb sei die Zahl der Todesopfer anfangs größer gewesen.

Bodendieck: "Wir haben viel über das Virus gelernt." Covid-19 werde zwar immer noch als Lungenkrankheit beschrieben, mache aber weit mehr mit dem Körper. Deshalb sei noch jede Menge Forschung nötig. Auch die Frage der Immunität könne noch nicht beantwortet werden. Man könne jetzt aber mit einiger Erfahrung in die Zukunft schauen.

Michael Eisenberg, Geschäftsführer der Pflegeeinrichtung Alterswohnsitz Gut Föstel in Raschau-Markersbach (Erzgebirge), sparte nicht mit Kritik. Die Verordnungen der Regierung seien nicht immer eindeutig gewesen und sehr kurzfristig gekommen. Regelungen müssten künftig verständlicher formuliert werden. Die Einschränkungen seien nur schwer zu vermitteln gewesen.

Eisenberg machte als Folge der Krise einen erhöhten Personal- und Investitionsbedarf geltend. Angesichts der neuerlich steigenden Zahlen sei man weit von einer Rückkehr zur Normalität entfernt. Die Einrichtungen hätten Mehrausgaben und Mindereinnahmen zu verkraften. Der Rettungsschirm für Pflegeeinrichtungen müsse für die gesamte Dauer der Pandemie gelten.

Nach Ansicht von Michael Richter, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, haben sich soziale Probleme durch Corona verschärft. Die Pandemie habe dies wie ein Brennglas gezeigt und als Katalysator gewirkt. Richter forderte genau wie Katja Sturm vom Deutschen Kinderschutzbund in Sachsen, bestehende Strukturen im sozialen Bereich durch Kürzungen im nächsten Doppelhaushalt nicht aufs Spiel zu setzen.

Die Grünen sprachen sich im Anschluss dafür aus, dem Kinderschutz in der Corona-Krise oberste Priorität einzuräumen. "Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern setzen wir uns deshalb dafür ein, dass sich die Jugendämter zu einem Masterplan 'Kinderschutz in der Krise' verständigen." Jede Entscheidung müsse auch berücksichtigen, wie in Zeiten der Corona-Pandemie dennoch ein soziales Leben gewährleistet werden kann, um Einsamkeit durch Isolation vorzubeugen. Dazu trage eine gut funktionierende soziale Infrastruktur entschieden bei.

"Die Anhörung hat gezeigt, dass es in unserem Land immer noch zu viele Menschen gibt, die im Krankheitsfall medizinisch nicht ausreichend versorgt werden", konstatierten die Linken. Zudem brauche Sachsen dringend ein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung. Der Öffentliche Gesundheitsdienst müsse in ganz Sachsen in die Lage versetzt werden, Menschen in prekären Lebenslagen stärker zu unterstützen.