S 38 KR 674/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
38
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 38 KR 674/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine intensivmedizinische Versorgung kann auch außerhalb einer Intensivstation erfolgen.
2. Eine intensivmedizinische Versorgung liegt nur dann vor, wenn die jederzeitige unmittelbare Verfügbarkeit ärztlicher Hilfe gewährleistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 17/06 R - juris Rn. 19)
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Der Streitwert wird auf 7.870,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines Krankenhausaufenthalts.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses und Zentrum für Pneumologie, Allergologie, Beatmungsmedizin und Thoraxchirurgie, das als solches im Krankenhausplan des Freistaates Sachsen aufgenommen ist.

Der bei der Beklagten krankenversicherte B. (im Folgenden: Versicherter) befand sich im Zeitraum vom 04.04.2013 bis 25.04.2013 zur stationären Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Die Einweisung und Aufnahme erfolgte wegen Belastungsdyspnoe bei einer akuten, progredienten globalen respiratorischen Insuffizienz infolge einer schwerstgradigen obstruktiven Ventilationsstörung mit Lungenemphysem sowie Bronchiektasen mit Bronchiolitis. Vor der stationären Aufnahme verfügte der Versicherte weder über ein Heimbeatmungssystem noch über eine Sauerstoffversorgung. Eine Hyperkapnie war am Aufnahmetag nur mäßig ausgeprägt, verschlechterte sich aber sodann in der Nacht vom 04.04.2013 auf den 05.04.2013. Der Versicherte wurde bei respiratorischer Azidose und Orthopnoe am 05.04.2013 auf die Intermediate-Care-Station (IMC) der Klägerin verlegt. Hier wurde er bis zum 15.04.2013 intermittierend nichtinvasiv mittels Maske beatmet und überwacht. Während der Aufenthaltsdauer auf der IMC erfolgten ein kontinuierliches EKG-Monitoring, ein kontinuierliches O&8322;-Sättigungs-Monitoring, mindestens zweistündliche Blutdruckkontrolle und Temperaturmessungen. Ferner wurden ein- bis zweimal täglich Blutgasanalysen durchgeführt. Ab dem 12.04.2013 erfolgte die Umstellung auf ein Heimbeatmungsgerät. Bei Zusammenrechnung der Beatmungszeiten ergeben sich 102 Stunden und 25 Minuten Beatmungszeit.

Nach Angabe der Klägerin war ihre IMC der Station C-0 angegliedert und verfügte zum Zeitpunkt der streitigen Behandlung über zehn Plätze, welche über einen zentralen Monitor überwacht wurden. Die zentrale Überwachungsanlage war mit einer automatisierten engmaschigen Blutdrucküberwachung, einer permanenten Herzfrequenz- und EKG-Überwachung, einer Sättigungsüberwachung und einer Überwachung der Atemfrequenz ausgestattet. Neben den zentralen Monitoren befand sich auch an jedem Einzelbett ein Monitor. Ferner verfügte die Station über Beatmungsgeräte für nichtinvasive Akutbeatmungsmöglichkeiten. Die Dokumentation der Patientenkurve erfolgte auf einem auf die Bedürfnisse der IMC angepassten Kurvenblatt, auf dem die kontinuierliche Aufzeichnung der Vitalparameter prinzipiell vorgesehen war sowie auf einem Verordnungsblatt mit einer Checkliste der kardiopulmonalen Parameter und der Beatmungseinstellungen des Beatmungsgeräts. Zu dem Personal der Station C-0 (einschließlich IMC) gehörten zwei Fachärzte und drei Assistenzärzte sowie Pflegekräfte im Betreuungsschlüssel 4:1. In der Zeit von 16.00 Uhr bis 8.00 Uhr war für die ärztliche Versorgung von insgesamt sechs Stationen der Pneumologie (Stationen C-0 einschließlich IMC, SL, C-2, A-1, A-2, A-3) jeweils ein Arzt eingeteilt. Auf die durch die Klägerin eingereichten Pläne über die Stationsbesetzung und den Dienstplan wird Bezug genommen (vgl. Bl. 103 und Bl. 109 der Gerichtsakte).

Unter dem 03.05.2013 stellte die Klägerin der Beklagten den Krankenhausaufenthalt mit insgesamt 11.692,21 EUR in Rechnung. Hierbei rechnete sie die DRG Fallpauschale A13G ab, wobei sie u. a. mehr als 95 Beatmungsstunden zu Grunde legte. Auf die Rechnung und die ihr zu Grunde liegenden Daten gemäß § 301 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird Bezug genommen (Bl. 19 der Gerichtsakte). Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung der Abrechenbarkeit der Beatmungsstunden. Der MDK erklärte, dass die in den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) bei Maskenbeatmung und heimbeatmeten Patienten geforderte intensivmedizinische Versorgung nicht dokumentiert sei. Neben der Beatmung sei eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung nicht dokumentiert. Darüber hinaus sei auf der IMC-Station eine nichtinvasive Heimbeatmung erfolgt (Gutachten vom 05.11.2013 und 10.10.2015). Unter dem 15.10.2015 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des Gutachtens mit und verrechnete am 18.02.2016 einen Betrag in Höhe von 7.850,37 EUR, der sich aus der Differenz einer Abrechnung der DRG-Fallpauschale A13G und der DRG-Fallpauschale E65A ergab, mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin.

Mit der am 27.07.2017 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages. Bei dem Versicherten seien die Beatmung sowie die intensivmedizinische Versorgung dringend medizinisch indiziert gewesen. Der Versicherte sei auch intensivmedizinisch versorgt worden, da die IMC alle Voraussetzungen erfülle, die an die Behandlung eines Intensivpatienten gestellt würden. Die Argumentation der fehlenden Dokumentation müsse widersprochen werden. Für das Ausmaß des Monitorings eines intensivmedizinisch versorgten Patienten und dessen Dokumentation gebe es zwar gewisse Erfahrungswerte, letztendlich müssten diese aber dem individuellen Patienten angepasst werden. Die Überwachung und Dokumentation zur Initiierung und Kontrolle bzw. Änderung der nichtinvasiven Beatmung bestehe insbesondere in der Kontrolle der Blutgase und des klinischen Zustandes, wie der Beobachtung des Beatmungsmusters des Patienten. Es seien täglich durch ärztliche Visitation die Indikation zur weiteren Behandlung und Überwachung der Patienten auf der Station überprüft und dies entsprechend auf dem Verordnungsblatt der IMC dokumentiert worden. In diesem Zusammenhang hätten die diensthabenden Ärzte täglich aufgrund bestimmter Parameter (Blutgasanalytik oder Hämodynamik) über die klinische Stabilität und über eine etwaige Verlegung auf eine Normalstation entschieden. Das ärztliche Personal sei so eingeteilt worden, dass bei auftretenden Krisen ein Arzt unmittelbar hätte eingreifen können. Dies sei dadurch gewährleistet gewesen, dass die Fachärzte der Station, Herr Dr. med. C. und Herr D. verantwortlich gewesen seien. Die eingesetzten Ärzte wiesen die erforderliche Notfallkompetenz und seien damit vertraut, die vorhandenen Spezialapparaturen auch in Notfallsituationen einsetzen zu können. Die IMC habe zum Zeitpunkt der Behandlung damit über die fachlichen und gerätetechnischen Voraussetzungen einer Intensivstation verfügt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.870,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie legt das MDK-Gutachten vom 18.04.2019 vor. In diesem kommt der MDK-Gutachter zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten keine intensiv-medizinische Versorgung stattgefunden habe. Die zweistündliche Überwachung von Blutdruck und Herzfrequenz sowie der Sauerstoffsättigung entspreche am ehesten dem Standard für die Dokumentation auf einer IMC und nicht der einer Intensivstation. Somit könne der Dokumentation weder die Notwendigkeit der intensivmedizinischen Versorgung noch deren Durchführung entnommen werden.

Das Gericht hat zu der Frage, ob der Versicherte einer intensivmedizinischen Behandlung bedurfte, ein Gutachten bei Prof. Dr. med. E., Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Allergologie eingeholt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 25.05.2020 wird Bezug genommen (Bl. 115 ff. der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird gemäß § 136 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Patientenakte der Klägerin und der Gerichtsakte Bezug genommen. Die vorgenannten Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (dazu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 9; Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn. 7) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter erlosch in Höhe von 7.870,37 EUR dadurch, dass die Beklagte wirksam mit einem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten aufrechnete.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Krankenhausbehandlung anderer Versicherter der Beklagten gegen diese einen Anspruch auf Zahlung weiterer 7.870,37 EUR hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 29). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob dieser Zahlungsanspruch entsprechend § 387 Bürgerliches Gesetzbuch durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten erloschen ist (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 33). Dies ist der Fall. Denn die Beklagte hatte der Klägerin 7.870,37 EUR Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt, weil der Klägerin für den stationären Aufenthalt des Versicherten ein Vergütungsanspruch nicht in der von ihr geltend gemachten Höhe zustand.

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st. Rspr., z. B. BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 34 m.w.N.). Vorliegend war die Krankenhausbehandlung der Versicherten erforderlich; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Klägerin durfte ihrer Abrechnung jedoch nicht die DRG-Fallpauschale A13G sondern nur die DRG-Fallpauschale E65A zugrunde legen. Die von der Klägerin begehrte DRG-Fallpauschale A13G wird im Groupierungsvorgang bei Kodierung von mehr als 95 Beatmungsstunden angesteuert. Die Klägerin war zu dieser Kodierung jedoch nicht berechtigt.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 1 Fallpauschalenvereinbarung 2013 (FPV 2013) sowie Anlage 1 der FPV 2013 (Fallpauschalenkatalog 2013). Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2013 rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten – insbesondere von Diagnosen und Prozeduren – in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (näher dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 19 ff.). Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich ICD und OPS ist nicht automatisiert und unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 41/14 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 30/17 R – juris Rn. 14).

Obwohl der Versicherte nach der Dokumentation in dem Zeitraum vom 05.04.2013 bis 15.04.2013 unstreitig und gutachterlich bestätigt mehr als 95 Stunden beatmet wurde, war die Klägerin nicht berechtigt, die Beatmungsstunden bei der Kodierung in Ansatz zu bringen.

Die spezielle Kodierrichtlinie zur maschinellen Beatmung 1001 DKR 2013 bestimmt, dass (nur) bei intensivmedizinisch versorgten Patienten eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen kann, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden. Die entsprechenden Beatmungszeiten sind nur dann zu kodieren, wenn "die obige Definition" erfüllt ist.

Für die Kodierung von Stunden maschineller Beatmung über Maskensysteme ist es zum einen erforderlich, dass der Patient einer intensivmedizinischen Versorgung bedurfte und er zum anderen tatsächlich auch intensivmedizinisch versorgt wurde.

Eine nähere Erläuterung des Begriffs "intensivmedizinische Versorgung" ist den DKR – jedenfalls in den bis zum Jahr 2019 geltenden Fassungen – nicht zu entnehmen. Erst in der für den vorliegenden Abrechnungsfall nicht maßgeblichen Kodierrichtlinie 1001s DKR 2020 findet sich eine entsprechende Definition. Nach der Rechtsprechung des BSG ist Intensivmedizin die Behandlung, Überwachung und Pflege von Patienten, bei denen die für das Leben notwendigen sog. vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, mit dem Ziel, diese Funktionen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu ersetzen, um Zeit für die Behandlung des Grundleidens zu gewinnen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – juris Rn. 19). Die Zahl der betreuten Patienten auf der Intensivstation ist deutlich geringer als auf normalen Krankenstationen, weil das Pflegepersonal die Körperfunktionen ihrer Patienten wesentlich umfangreicher beobachten und überwachen muss. Die apparative Versorgung ist vielfältiger und umfasst neben den Geräten zur kontinuierlichen Kontrolle von EKG, Blutdruck, Körpertemperatur und anderen Vitalparametern meist zusätzliche Spezialapparaturen – etwa Beatmungsgeräte, elektronisch gesteuerte Medikamentenpumpen, Beobachtungsmonitore oder Dialysegeräte, die alle – abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild – in unmittelbarer Nähe zum Patientenbett vorhanden sein müssen (BSG, a.a.O.). Auch die ärztliche Tätigkeit ist intensiver als auf anderen Stationen; der Arzt muss bei auftretenden Krisen unmittelbar eingreifen, entsprechende Notfallkompetenz besitzen und die Intensivapparatur zielgerecht einsetzen können. Der Aufenthalt auf einer Intensivstation stellt deshalb die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und damit den Prototyp einer stationären Behandlung dar (BSG, a.a.O.).

Dabei legen die Ausführungen des BSG nahe, dass es die Intensivmedizin grundsätzlich räumlich-organisatorisch auf einer Intensivstation verortet (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2019 – L 16 KR 562/17 – juris Rn. 41). Das Urteil des BSG ist allerdings nicht zu der hier relevanten Frage ergangen, ob sich aus den 1001 DKR 2013 ergibt, dass intensivmedizinische Versorgung ausschließlich auf einer Intensivstation stattfinden kann. Dies hält die Kammer bei gebotener eng am Wortlaut orientierter Auslegung der Formulierung in 1001 DKR 2013 für möglich. Der Begriff "intensivmedizinisch versorgt" knüpft nämlich gerade nicht an eine Räumlichkeit an, sondern an die Tätigkeit der "Versorgung" selber. Hieraus entnimmt die Kammer, dass eine intensivmedizinische Versorgung auch außerhalb der Räumlichkeit einer klassischen Intensivstation erfolgen kann. Die Kammer sieht sich darüber hinaus in ihrer Auslegung durch die Regelung für den Sonderfall für heimbeatmete Patienten, die über ein Tracheostoma beatmet werden, bestätigt. Bei dieser Patientengruppe ist nach 1001 DKR 2013 analog zur Regelung zu intensivmedizinisch versorgten Patienten vorzugehen, bei denen die maschinelle Beatmung über Maskensysteme erfolgt. Weiter heißt es in der Kodierrichtlinie: "Dies bedeutet, dass die Beatmungszeiten zu erfassen sind, wenn es sich im Einzelfall um einen intensivmedizinisch versorgten Patienten handelt." Auch hier wird nicht an die Räumlichkeit "Intensivstation" sondern an die Versorgung angeknüpft. Dem Erfordernis der Einzelfallprüfung ist zu entnehmen, dass auch außerhalb der Intensivstation eine intensivmedizinische Versorgung i.S. der DKR stattfinden kann. Eine Einzelfallprüfung würde keinen Sinn machen, wenn intensivmedizinische Versorgung nur auf der Intensivstation stattfinden könnte, da auf einer Intensivstation annehmbar alle Patienten intensivmedizinisch versorgt sind. Eine Absenkung des geforderten Standards der intensivmedizinischen Versorgung ist bei der Versorgung außerhalb der Intensivstation allerdings damit nicht verbunden. Eine intensivmedizinische Versorgung außerhalb der Intensivstation liegt daher nur dann vor, wenn die Versorgung dem Standard einer intensivmedizinischen Behandlung auf einer Intensivstation entspricht.

Vorliegend konnte die Kammer sich nicht davon überzeugen, dass der Versicherte in diesem Sinne intensivmedizinisch versorgt wurde. Zwar steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Versicherte zumindest zum Zeitpunkt der Verlegung auf die IMC der Klägerin intensivmedizinischer Versorgung bedurfte. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen, der überzeugend dargestellt hat, dass Verschlechterung der Hyperkapnie am 05.04.2013 mit konsekutiver respiratorischer Azidose eine lebensbedrohende schwere Störung, insbesondere der Atmung, der Homöostase und des Stoffwechsels darstellte, die ab dem 05.04.2013 eine intensivmedizinische Versorgung erforderlich machte, insbesondere um den Versicherten zu stabilisieren und kontinuierlich zu überwachen. Auch der MDK-Gutachter bezeichnet den Zustand zum Verlegungszeitpunkt "aktuell krisenhaft". Der Versicherte hätte in diesem Zustand jedenfalls nicht mehr auf einer Normalstation behandelt und überwacht werden können und hätte in Krankenhäusern ohne IMC auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Das Gutachten hat die Kammer dagegen noch nicht vollständig davon überzeugt, dass der Zustand des Versicherten in dem gesamten Zeitraum bis zur Rückverlegung auf die Normalstation am 15.05.2013 eine intensivmedizinische Versorgung erforderte. Dies könnte insbesondere vor dem Hintergrund der dokumentierten Mobilisierung, des unkomplizierten Verlaufs und der Umstellung auf ein Heimbeatmungsgerät ab dem 12.04.2013 auf der einen Seite und der teilweise fehlenden Compliance des Versicherten auf der anderen Seite weiter zu prüfen sein. Die Dauer der Notwendigkeit der intensivmedizinischen Versorgung kann jedoch dahin gestellt bleiben, da die Kammer sich nicht davon überzeugen konnte, dass der Versicherte auf der IMC der Klägerin intensivmedizinisch versorgt wurde.

Es ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass die Ausstattung der IMC räumlich, apparativ und personell deutlich die Ausstattung einer Normalstation überstieg. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend, um schon eine intensivmedizinische Versorgung anzunehmen, denn der Versorgungsstandard auf der IMC der Klägerin entsprach im streitigen Zeitraum nicht demjenigen einer Intensivstation.

Ausschlaggebend hierfür war für die Kammer allerdings nicht, dass auf der IMC der Klägerin vorwiegend ein "Ein-Organ-Versagen" behandelt wurde, während auf "klassischen" Intensivstationen auch "Mehr-Organ-Versagen" behandelt werden und diese deshalb mit weiteren Spezialapparaturen ausgestattet sein müssen. Diese werden bei der Behandlung und Überwachung eines Versagens der Atemwege nicht benötigt. Gleichwohl kann auch bei einem "Ein-Organ-Versagen" der Atemwege eine lebensbedrohliche Situation vorliegen, die eine intensivmedizinische Versorgung erforderlich macht.

Die Kammer konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass der Umfang des auf der IMC im streitigen Zeitraum verfügbaren Personals dem Standard einer Intensivstation entsprach. Zu diesem Kriterium hat das BSG gefordert, dass ein Arzt bei auftretenden Krisen unmittelbar eingreifen, entsprechende Notfallkompetenz besitzen und die Intensivapparatur zielgerecht einsetzen können muss (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – juris Rn. 19). Darüber hinaus orientiert sich die Kammer für den Personalbedarf einer intensivmedizinischen Versorgung an den "Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen" der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin vom 30.11.2010 (DIVI-Empfehlungen, veröffentlicht unter https://www.divi.de) Hier heißt es unter "Ärztlicher Ausstattung" auszugsweise:

"Eine Intensivtherapiestation soll durch einen Arzt geleitet werden, der die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin besitzt und hauptamtlich auf der Intensivtherapiestation tätig ist (Empfehlungsgrad 1A). Auf der Intensivtherapiestation soll 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche ein Arzt präsent sein, der in der Intensivmedizin erfahren ist und die aktuellen Probleme der Patienten kennt (Empfehlungsgrad 1A). Ein Arzt mit mindestens der in der Weiterbildungsordnung geforderten Weiterbildung in der Intensivmedizin (Facharztstandard) soll auf der Intensivtherapiestation präsent sein, nachts zumindest im Krankenhaus präsent und kurzfristig auf der Intensivtherapiestation sein; (Empfehlungsgrad 1B). Für 8 bis 12 Betten sind mindestens sieben Arztstellen erforderlich (40 Stundenwoche), neben der Stelle des Leiters und dessen Ausfallskompensation (Empfehlungsgrad 1C)."

Unter "Pflegeausstattung" heißt es auszugsweise:

"Für zwei Behandlungsplätze ist pro Schicht eine Pflegekraft erforderlich. (Empfehlungsgrad 1A). Zusätzlich soll eine Stelle für die pflegedienstliche Leitung (mit der Qualifikation der Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivtherapie) pro Intensivtherapieeinheit vorgesehen werden (Empfehlungsgrad 1C)."

Die Kammer stellt fest, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum auf ihrer IMC zwar mehr Personal als auf einer Normalstation, aber immer noch erheblich weniger als in dem von der DIVI empfohlenen Umfang einsetzte. Denn bei 10 Behandlungsplätzen waren der Station C-0/IMC insgesamt nur zwei Fachärzte und drei Assistenzärzte anstelle des empfohlenen Umfanges (sieben Stellen zuzüglich Leiter und dessen Vertretung) zugeordnet. Auch der empfohlene Schlüssel an Pflegepersonal (2:1) wurde auf der IMC der Klägerin (4:1) deutlich unterschritten. Die Kammer lässt dahinstehen, ob nur bei Erfüllen aller genannten Kriterien von einer intensivmedizinischen Versorgung ausgegangen werden kann. Im Hinblick darauf, dass auf der IMC der Klägerin am ehesten Patienten mit "Ein-Organ-Versagen" behandelt werden, könnte ein etwas geringerer Personalbedarf erforderlich sein als auf einer Intensivstation mit Patienten mit "Mehr-Organ-Versagen". Dagegen kommt dem Erfordernis der Anwesenheit eines Arztes auf der Station selber an 24 Stunden an sieben Tagen der Woche besondere Bedeutung zu. Dieses Erfordernis ist dem lebensbedrohlichen krisenhaften Zustand der Patienten, die einer intensivmedizinischen Versorgung bedürfen, geschuldet und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich um ein "Mehr-Organ-Versagen" oder um ein "Ein-Organ-Versagen" handelt. Dieser Zustand macht die jederzeitige unmittelbare Verfügbarkeit ärztlicher Hilfe notwendig. Das Kriterium der unmittelbaren ärztlichen Verfügbarkeit wurde bereits vom BSG als wichtiges Kriterium der intensivmedizinischen Versorgung genannt gewinnen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – juris Rn. 19) und ist nicht abdingbar. Es findet sich auch in der Neufassung der 1001 DKR im Jahr 2020 wieder. Dieses Kriterium war im streitigen Zeitraum auf der IMC nicht erfüllt. Nach dem Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Dienstplänen war in der Zeit von 16:00 Uhr bis 8:00 Uhr für die ärztliche Versorgung von insgesamt sechs Stationen der Pneumologie (Stationen C-0 einschließlich IMC, SL, C-2, A-1, A-2, A-3) jeweils nur ein Arzt eingeteilt. Dies bedeutet, dass zwei Drittel des Tages (16 von 24 Stunden) zwar die Anwesenheit eines diensthabenden Arztes im Krankenhaus der Klägerin sichergestellt war, nicht jedoch dessen Anwesenheit auf der IMC selber. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Diensthabenden regelmäßig nicht immer um einen Arzt handelte, "der in der Intensivmedizin erfahren ist und die aktuellen Probleme der Patienten kennt". Vorliegend war ausweislich des Dienstplans im streitigen Zeitraum nur an einem Tag (15.04.2013) ein der Station C-0/IMC zugehöriger Arzt für den Dienst von 16:00 Uhr bis 8:00 Uhr eingeteilt, an den übrigen Tagen waren Ärzte anderer Stationen für den Spät- und Nachtdienst zuständig. Damit war weder die unmittelbare Verfügbarkeit eines Arztes auf der IMC noch die Verfügbarkeit eines Arztes sichergestellt, der die aktuellen Probleme des Versicherten kannte. Die Kammer ist daher zur Überzeugung gelangt, dass im streitigen Zeitraum auf der IMC der Klägerin keine intensivmedizinische Versorgung stattfand mit der Folge, dass die Beatmungsstunden bei der Kodierung nicht zu berücksichtigen sind.

Nach alledem war der stationäre Aufenthalt der Versicherten mit der DRG-Fallpauschale E65A abzurechnen, so dass die Beklagte zu Recht mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.870,37 EUR aufgerechnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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