Einleitung des Prüfverfahrens vor Erhalt der Rechnung bleibt für die Krankenkasse nicht ohne Folgen

Als das BSG vor mehreren Jahren über die Voraussetzungen entschied, unter denen die Krankenkassen zur Zahlung der Aufwandspauschale (aktuell § 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V) verpflichtet sind, hat dies bei mancher Krankenkasse anscheinend zu der Ansicht geführt, dass sie jedenfalls dann nicht zur Entrichtung der Aufwandspauschale verpflichtet ist, wenn ihr zum Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrags an den Medizinischen Dienst (MD) noch keine Abrechnung des Krankenhauses vorliegt. Diesem pauschalen Verständnis erteilte das LSG Baden-Württemberg in einem aktuellen Urteil nun eine klare Absage (Urteil vom 11.12.2020, Az. L 4 KR 985/19). Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Der Fall

In der Hochschulklinik der Klägerin wurde die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin Ende September 2013 für wenige Tage vollstationär behandelt (Hornhauttransplantation). Die Klägerin zeigte die Entlassung der Patientin und andere Daten im Wege des Datenträgeraustauschs an. Die Daten wurden im System der beklagten Krankenkasse am 07.10.2013 erfasst. Noch am selben Tag verfasste die Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, dass sie aufgrund der vorliegenden Daten davon ausgehe, dass die Möglichkeit einer ambulanten Durchführbarkeit bestanden habe, jedenfalls aber von einer kurzstationären Aufnahme mit äußerst begrenzter Verweildauer auszugehen sei. Die Klinik möge daher die vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) angegebenen Unterlagen bis Ende Oktober 2013 dorthin übersenden. Dem Schreiben beigefügt war ein ebenfalls auf den 07.10.2013 datiertes Schreiben des SMD der Beklagten, das auf den Prüfauftrag der Krankenkasse Bezug nahm und ein Verfahren gemäß § 275 SGB V anzeigte. Die Klinik übersandte die erbetenen Unterlagen fristgerecht, erfuhr vom Prüfergebnis seitens der Beklagten allerdings nichts. Die gegen Ende November 2013 erstellte Abrechnung beglich die Beklagte in vollem Umfang.

Kurze Zeit später stellte die Hochschulklinik der Beklagten eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 € in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Zahlung unter Hinweis auf mehrere Urteile des BSG ab. Da ihr zum Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrags an den SMD die Rechnung zu dem in Rede stehenden Krankenhausaufenthalt noch nicht vorgelegen habe, könne der Prüfauftrag nicht mit dem Ziel einer Minderung des Abrechnungsbetrages erteilt worden sein. Die Klägerin zog vor das SG Reutlingen und obsiegte. Die Berufung der Krankenkasse vor dem LSG Baden-Württemberg war erfolglos.

Die Entscheidung

Der 4. Senat des LSG Baden-Württemberg entschied, dass die Krankenkasse für eine die Aufwandspauschale auslösende Prüfung den MD gezielt beauftragt haben müsse, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben, mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen. Das BSG, so das LSG, habe eine Zeitspanne beschrieben, innerhalb derer die Krankenkasse dem MD einen Prüfauftrag erteilen könne, ohne dass eine Aufwandspauschale verlangt werden könne. Diese Zeitspanne beginne mit dem Zugang der Krankenhausaufnahmeanzeige und ende mit der ersten Zwischenabrechnung. Voraussetzung für einen solch frühzeitigen Prüfauftrag sei laut BSG allerdings das Vorliegen eines sachlichen Grundes. Fehle es an einem solchen sachlichen Grund, könne ein frühzeitiger Prüfauftrag folglich durchaus eine Aufwandspauschale auslösen, also auch dann, wenn das Krankenhaus die Rechnung noch gar nicht erstellt habe. Im vorliegenden Fall verneinte das LSG das Vorliegen eines sachlichen tragfähigen Grundes. Weder dem Prüfauftrag selbst noch dem Vorbringen der Krankenkasse sei zu entnehmen, aus welchem Grund sie die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ohnehin bereits beendeten Krankenhausbehandlung zu diesem frühen Zeitpunkt veranlasste und die Rechnungsstellung nicht abwartete. Da auch sonst kein sachlicher Grund ersichtlich sei, sei das Gericht davon überzeugt, dass die unmittelbar nach Eingang der Daten gemäß § 301 SGB V erfolgte Beauftragung des SMD allein dazu gedient habe, eine gezielte Abrechnungsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG, d.h. nach Rechnungsstellung, zu vermeiden, um eine Aufwandspauschale in jedem Fall zu verhindern. Ein derartiges Verhalten sei rechtsmissbräuchlich.


Fazit

Auch wenn der Fall nach den inzwischen durch das MDK-Reformgesetz geänderten Vorschriften des SGB V zur MD-Prüfung bei einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu beurteilen war, bedeutet dies keineswegs, dass die Thematik unter den aktuell geltenden Bestimmungen an Bedeutung verloren hat. Krankenhäuser, die mit einer MD-Prüfung noch vor Versand der Rechnung konfrontiert werden, sollten daher nach Abschluss des Prüfverfahrens in jedem Fall prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aufwandspauschale nicht doch gegeben sind.