Beweislastverteilung bei nicht Einleitung des Überprüfungsverfahrens

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In einer aktuellen Entscheidung des SG Karlsruhe vom 12.11.2020 (- S 5 KR 1859/20 -) beschäftigt sich das Gericht mit der Beweislastverteilung bei unterbliebener Beauftragung des Medizinischen Dienstes (MD) zur Überprüfung einer Krankenhausabrechnung.

In dem entschiedenen Fall hatte die beklagte Krankenkasse es versäumt nach einer Beanstandung einer Rechnung und nachfolgenden Auseinandersetzung mit dem klagenden Krankenhaus, den MD mit einer Prüfung des Behandlungsfalls zu beauftragen.

Im Verfahren bestritt die beklagte Krankenkasse aber auf Basis der vorhandenen Daten die stationäre Behandlungsnotwendigkeit. Das Krankenhaus weigerte sich unter Hinweis auf die Ausschlussfrist nach § 275 Abs. 1c SGB V aF (vgl. jetzt § 275c Abs. 1 Satz 1 SGB V) die Behandlungsunterlagen im Prozess vorzulegen, so dass eine Überprüfung der Beanstandungen der Krankenkasse nicht durchgeführt werden könnte.

Statt aufgrund des Fristversäumnisses zur Beauftragung des MD einen umfassenden Einwendungsausschluss der Krankenkasse anzunehmen, äußerte sich das Gericht mit einer interessanten Begründung zur Beweislastverteilung in diesen Fällen.

Auf Grundlage nur der verwertbaren Daten aus § 301 SGB V und der vorliegenden Rechnung war das Gericht nicht davon überzeugt, dass die vollstationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen wäre. Die noch vorhandenen Zweifel des Gerichts gehen nach Ansicht der Richter aber allein zu Lasten der beklagten Krankenkasse, weil sie letztlich die Beweislast für die fehlende stationäre Behandlungsnotwendigkeit trifft.

Wer für sich ein Recht in Anspruch nimmt, trägt grundsätzlich die objektive Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsache, so dass eigentlich nach allgemeinen Grundsätzen das Krankenhaus die stationäre Behandlungsnotwendigkeit nachzuweisen hat. Anders verhält es sich aber bei einer sog. Beweisvereitelung. Hat etwa die Behörde im Verwaltungsverfahren eine ihr obliegende Pflicht verletzt und dadurch die weitere Aufklärung des Sachverhalts erschwert, kann dies zu Beweiserleichterungen zugunsten der Gegenseite führen und zwar bis hin zur Umkehr der Beweislast.

Auch wenn es daher grundsätzlich dem Krankenhaus obläge die medizinische Erforderlichkeit der stationären Behandlung zu beweisen, hat es nach Ansicht des SG Karlsruhe hier die Krankenkasse versäumt, den MD zu beauftragen, mit der Folge, dass das Gericht nur noch wenige Beweismittel verwerten darf. Dadurch ist nach Auffassung des Gerichts dem Krankenhaus weitgehend die Chance genommen, ihren Vortrag bezüglich der Notwendigkeit einer stationären Behandlung so zu belegen, dass das Gericht davon voll überzeugt wird. Denn dazu bedarf es in aller Regel der Angaben in der Patientenakte, deren Auswertung im gerichtlichen Verfahren aber gerade ausgeschlossen ist. Für diesen Beweisnotstand des Krankenhauses hat letztlich die Krankenkasse gesorgt, nämlich durch ihr pflichtwidriges Unterlassen, den MD mit einer Prüfung zu beauftragen. Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt dies eine Umkehr der Beweislast, denn andernfalls würde die Krankenkasse von Beweisschwierigkeiten des Krankenhauses profitieren, die sie selbst verursacht hat.

Mit Blick auf die gesetzlichen Grundlagen mag es für diese Sachverhalte einfacher sein, einen umfassenden Einwendungsausschluss der Krankenkassen bei einer Fristversäumung zu begründen, so dass es auf die Beweislastverteilung nicht mehr ankommt. Dennoch bietet die Argumentation des SG Karlsruhe insbesondere in den Verfahren einen Ansatzpunkt, in denen die Krankenkassen ins Blaue hinein bei der Abrechnung von Komplexpauschalen die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen bestreiten und nachträglich eine gerichtliche Überprüfung der Behandlungsunterlagen verlangen. Denn diese muss das Krankenhaus nicht vorlegen, weil für den Einzelfall die Krankenkasse kein Prüfverfahren durch den MD eingeleitet hat. Sofern die Krankenkasse dann einen Nachweis der Einhaltung der Mindestvoraussetzungen der Komplexpauschale im Einzelfall behauptet, kann diesem Ansinnen mit dem auch vom SG Karlsruhe genutzten Argument der Beweisverteilung und der daraus folgenden Beweislastumkehr begegnet werden.

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