Die Pandemie setzt den Berliner Kliniken auch wirtschaftlich zu

Krankenhäuser sind während der Corona-Pandemie besonders wichtig, ihre wirtschaftliche Situation ist aber alles andere als gut.

In wirtschaftlicher Not: das Vivantes Klinikum im Friedrichshain.
In wirtschaftlicher Not: das Vivantes Klinikum im Friedrichshain.Imago/Joko

Berlin-Krankenhäuser sind aus dem Berliner Wirtschaftsleben nicht hinwegzudenken – über 53.000 Menschen sind in Berlin in einem Krankenhaus beschäftigt. Dazu kommen die zahlreichen Dienstleister und Firmen, deren Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Krankenhausbetrieb abhängen. Der Jahresumsatz der Berliner Krankenhäuser betrug 2019 immerhin 4,8 Milliarden Euro. 

So wie alle Krankenhäuser in Deutschland wirtschaften auch die Berliner Kliniken nach dem Prinzip der dualen Finanzierung: Die Bundesländer tragen die Investitionskosten und die Krankenkassen finanzieren den laufenden Betrieb. Die Länder entscheiden, ob ein Krankenhaus gebaut, erweitert oder geschlossen werden soll und ob neue Geräte angeschafft werden können. Zum laufenden Betrieb gehören die Kosten für die Behandlungen und das Personal – die werden von den Krankenkassen übernommen.

Während die Behandlungskosten seit Jahren steigen, sinkt der Anteil der Investitionen durch die Länder kontinuierlich. Für ihren Erhalt sind die Krankenhäuser daher mittlerweile ausschließlich von der behandelten Anzahl von Patienten abhängig – sinkt die Zahl der Behandlungen, reißt das auch ein Loch in die Kassen der Krankenhäuser. Die Corona-Pandemie hatte daher eine verheerende Auswirkung auf die Krankenhäuser. Operationen mussten verschoben werden, Patienten scheuten den Gang in die Klinik, der Medizintourismus kam fast vollends zum Erliegen und auch Betriebskindergärten und Kantinen mussten ihren Dienst einstellen.

Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte mit der Freihaltepauschale auf diese Schieflage: Die Krankenhäuser erhielten für jedes Krankenhausbett, das nicht belegt werden konnte, eine Pauschale von 560 Euro pro Tag. Das System funktionierte zunächst für alle Beteiligten zufriedenstellend während der ersten Corona-Welle – doch Ende September ist dieser Schutzschirm ausgelaufen, obwohl die zweite Corona-Welle und die damit verbundenen Schwierigkeiten für die Krankenhäuser bereits absehbar waren. Erst im November erfolgte dann der zweite Schutzschirm, der in der praktischen Ausgestaltung deutlich komplexer war. Nunmehr sollte nur eine begrenzte Auswahl an Krankenhäusern anspruchsberechtigt sein. In Berlin ist es durch Bemühungen der Politik gelungen, dass zumindest alle Notfallkrankenhäuser unter diese Regel fallen.

Trotzdem fehlt es den Krankenhäusern an Planungssicherheit, denn der zweite Schutzschirm sollte ursprünglich im Januar enden und wurde nun, nur um ein paar Wochen, bis Ende Februar verlängert. Die Krankenhäuser schlugen Alarm. Im Dezember vergangenen Jahres warnten die Krankenhausbetreiber davor, dass sie mit den Lohnzahlungen im ersten Quartal 2021 in Verzug geraten könnten. Für die Planungssicherheit fordern sie eine Finanzierung bis weit in das Jahr 2021 hinein: „Die Kliniken der Stadt sind hochbelastet und haben ihren Regelbetrieb mancherorts komplett herunterfahren müssen. Diese enorme Belastung wird die gesamte Dauer der Krise noch fortdauern und kann sich mit der Mutation des Virus noch einmal erheblich verschlimmern. Für 2021 benötigen wir einen breiten finanziellen Rettungsschirm und schnell Planungssicherheit, keine Flickschusterei für ein paar Wochen“, so Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG). 

Wie groß die Schwierigkeiten der Berliner Krankenhäuser im vergangenen Jahr waren, illustriert das Beispiel des kommunalen Betreibers Vivantes, dessen alleiniger Anteilseigner die Stadt Berlin ist. Vivantes machte im Jahr 2019 noch einen Umsatz von 1,36 Milliarden Euro und einen Gewinn von 17,5 Millionen Euro. Verschobene und abgesagte Behandlungen führten im vergangenen Jahr zu einem Umsatzrückgang von 200 Millionen Euro, während alle anderen Kosten weiterliefen. Die Belastungen stiegen sogar noch, denn für Schutzausrüstung, Tests und die Sonderzahlungen an die Mitarbeiter mussten 30 Millionen Euro zusätzlich aufgewendet werden. Nach Angaben von Vivantes können diese Mehrausgaben nur zum Teil kompensiert werden. 

Berliner Krankenhäuser übernehmen auch im steigendem Umfang die Versorgung für das Brandenburger Umland – die Brandenburger profitieren so von den vielen Berliner Spezialkliniken. Gerade in der Frühphase der Corona-Krise waren dabei die Sonderisolierstationen der Charité und des Bundeswehrkrankenhauses für die gesamte Region besonders wichtig.

Nicht nur deswegen ist der Investitionsbedarf erheblich gestiegen. Obwohl die Bevölkerung Berlins seit Jahren wächst und auch die Anzahl der älteren Menschen steigt, stagniert die Anzahl der Krankenhausbetten auf niedrigem Niveau. Die Bettenanzahl in Berlin wurde in den vergangenen 20 Jahren sogar nahezu um die Hälfte reduziert. Berlin weist die zweitniedrigste Bettenanzahl im Bundesvergleich auf, so kommen auf 10.000 Berliner nur 51 Betten – zum Vergleich: In Brandenburg sind es 71 Betten. Die Berliner Krankenhausgesellschaft sieht daher einen Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre in Höhe von 3,5 Milliarden Euro – 350 Millionen jährlich, und zwar unabhängig davon, ob Corona noch in diesem Jahr besiegt wird.