Leistungsaufträge
Thomas Weber kontert Kritik der Spitäler: «Wenn sich alle beschweren, sind wir auf einem guten Weg»

Die für Sommer geplante Spitalliste beider Basel wird von den Spitälern harsch kritisiert. Einige Private fürchten um ihre Existenz. Der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber verteidigt den Entzug von Leistungsaufträgen aber vehement.

Michael Nittnaus
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Der Baselbieter Regierungsrat Thomas Weber hat der Überversorgung in der Region den Kampf angesagt.

Der Baselbieter Regierungsrat Thomas Weber hat der Überversorgung in der Region den Kampf angesagt.

Archiv/niz (4. Januar 2021

Thomas Weber hätte sich auch kurz fassen können. Schliesslich hatte der Baselbieter Gesundheitsdirektor den Vorstoss von FDP-Landrat Sven Inäbnit schon Mitte Dezember schriftlich beantwortet. Doch stattdessen nutzte er die Landratssitzung vergangenen Donnerstag für einen epischen Monolog. Zu heftig war offenbar der Sturm der Entrüstung, der sich über ihm und seinem Basler Amtskollegen Lukas Engelberger wegen der per 1. Juli geplanten ersten gemeinsamen Spitalliste entladen hat. Wie die bz vor gut einer Woche publik machte, sehen sich vor allem die Privatspitäler massiv benachteiligt. Gemäss der Entwurfsfassung würden sie viele Leistungsaufträge verlieren, während das Basler Universitätsspital (USB) und das Kantonsspital Baselland (KSBL) deutlich besser fahren. Aber auch das USB ist nicht zufrieden.

Bei 19 Disziplinen werden Eingriffe beschränkt

In seinem Referat stellte sich Weber voll und ganz hinter die Systematik, die der Vergabe der einzelnen Leistungsaufträge zugrunde liegt. Die viele Kritik konterte er trocken: «Wenn sich alle beschweren, heisst das meistens, dass wir auf einem guten Weg sind.» Doch Weber lieferte auch Fakten und gewährte einen vertieften Einblick in die Vergabekriterien. Massgebend dafür, welches Spital welche Eingriffe durchführen darf, ist dessen Beitrag an die Erreichung der drei übergeordneten Ziele des Staatsvertrags Gesundheitsversorgung beider Basel:

  • Optimierte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung beider Basel.
  • Deutliche Dämpfung des Kostenzuwachs im Spitalbereich.
  • Langfristige Sicherung der Hochschulmedizin in der Region.

Zuerst berechneten die beiden Kantone, wie viel Bedarf es an den einzelnen stationären Leistungen überhaupt gibt. In nicht weniger als 19 Leistungsgruppen soll es künftig eine Mengenbeschränkung der Eingriffe geben, darunter in der Orthopädie und Urologie, wo die grösste Überversorgung festgestellt wurde. Die als genügend definierte Eingriffsmenge wird mittels eines Punktesystems auf die Spitäler verteilt. Je besser ein Spital gewisse Kriterien erfüllt, desto mehr Punkte erhält es in der jeweiligen Leistungsgruppe. Zu wenig Punkte bedeutet gleichzeitig, dass die Institution den Leistungsauftrag nicht erhält.

Wissenschafts-Verlag prüfte die Methodik

Weber betonte, dass nicht nur die unabhängige Fachkommission die Methodik prüfe und Ende März einen Bericht verfasse. Das Verfahren sei auch einem «renommierten wissenschaftlichen Verlag zur Publikation vorgelegt» worden. Der Springer-Verlag habe den Artikel einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen und werde ihn im April publizieren.

«Ich bin mir sicher, dass die Methode einer wissenschaftlichen Beurteilung standhält», sagt Sven Inäbnit im Nachgang zu Webers Rede zur bz. Das freisinnige Mitglied der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission (VGK) bleibt dennoch skeptisch: «Nach wie vor unklar ist, ob die Kriterien, die die Vergabe beeinflussen, richtig gesetzt sind.» Tatsächlich bemerkte selbst Weber, dass einige der Kriterien und wie sie gewichtet sind den Bewerbern sauer aufstossen. Erreicht eine Klinik etwa nicht die erforderliche Mindestfallzahl einer Eingriffsart, so gibt es vom System dafür knallhart null Punkte.

Mindestmarktanteil ist hohe Hürde für kleine Kliniken

Höchst umstritten ist, dass ein Bewerber für einen Leistungsauftrag einen Mindestmarktanteil in diesem Bereich vorweisen muss. «So wollen wir Gelegenheitsmedizin vermeiden und die Qualität sichern», hielt Weber fest. Zudem sei die Schwelle zum Erreichen der Versorgungsrelevanz mit zwei Prozent Marktanteil tief gewählt. Die Fachkommission habe fünf Prozent gefordert. «Entscheidend sind doch die Fallzahlen pro Disziplin sowie die Qualität und nicht der Marktanteil», sagt dazu Inäbnit. Er befürchtet, dass kleine Privatkliniken so keine Chance mehr hätten, obwohl sie gute Fallzahlen pro Operateur aufweisen. Auf Nachfrage der bz präzisiert Webers Direktion, dass der Marktanteil nur bei den grössten Leistungsgruppen mit einem Bedarf von über 500 Fällen pro Jahr in beiden Basel zum Zuge käme.

Überhaupt betont Weber: Alle Entscheidungen erfolgten rein faktenbasiert, die Ergebnisse dürften nicht durch Einzelinteressen beeinflusst werden. Und: «Strukturerhalt kann nicht das Ziel sein.» Diese Aussage hält Inäbnit für äusserst bedenklich, denn schliesslich rede man hier von gut laufenden Spitälern wie der Ergolz- oder der Rennbahnklinik, die viele Arbeitsplätze bieten.

Hier droht also nicht Strukturerhalt, sondern Strukturvernichtung»,

so Inäbnit. Gesunde Unternehmen zu schädigen, könne für einen Regierungsrat, der neben Gesundheits- auch noch Volkswirtschaftsdirektor sei, doch kaum eine Option sein.

Gefährdet eine Beschwerdeflut den Starttermin im Sommer?

Inäbnit kann sich nicht vorstellen, dass die neue Spitalliste bereits per 1. Juli in Kraft treten kann, denn der Widerstand mehrerer Spitäler dürfte gross sein. Sie könnten Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht einreichen. Bei seinem Monolog hielt Weber allerdings fest, dass ein Rechtsverfahren die Gültigkeit der neuen Spitalliste nur für das betroffene Spital hinausschieben würde. «Was ist aber, wenn die Hälfte aller Spitäler beider Basel Beschwerde einreichen? Dann ist die Liste doch Makulatur», sagt Inäbnit trocken.

Etwas hält er Weber aber zugute: Seine lange Rede zeige, dass er realisiert habe, dass es jetzt eine Informations- und Transparenzoffensive brauche. Inäbnit deutet es aber auch noch anders: «Thomas Weber befürchtet grossen Widerstand. Er weiss, dass es kein Spaziergang wird.»