L 1 KR 42/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 25 KR 160/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 42/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kodierung der Prozeduren 5-808 und 5-785 OPS 2010 nebeneinander - Knochenzement zur Fixierung eines Arthrodesennagels

1. Die Einbringung von Knochenzement bei Arthrodese mit einem Arthrodesennagel ist keine atypische Konstellation, die es zulässt, in Abweichung von dem Prinzip der monokausalen Kodierung neben dem OPS (2010) 5-808.3 (Arthrodese, Kniegelenk) den OPS (2010) 5-785.0 (Implantation von Knochenzement) zu
kodieren.
2. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ist nicht zur authentischen Interpretation der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) befugt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 973,19 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung, insbesondere darüber, ob neben dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-808.3 auch der OPS 5-785.0 (jeweils Version 2010) kodiert werden durfte.

In der vom Kläger betriebenen Hochschulklinik wurde vom 08.11.2010 bis 25.11.2010 der 1941 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Z ... (im Folgenden: Versicherter) stationär behandelt. Dabei erfolgte am 15.11.2010 eine Operation am linken Knie (Rearthrodese mit zementiertem Arthrodesennagel). Für diese stationäre Krankenhausbehandlung stellte der Kläger am 09.12.2010 der Beklagten 11.944,98 EUR in Rechnung; er kodierte dabei neben dem OPS 5-808.3 (Arthrodese, Kniegelenk) den OPS 5-785.0 (Implantation von alloplastischem Knochenersatz, Knochenzement ohne Antibiotikumzusatz) und gelangte zur Fallpauschale DRG I08C. Die Beklagte beglich die Rechnung und leitete eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser hielt den OPS 5-785.0 für nicht kodierbar, weil die Einbringung eines Knochenzements zur Fixation des Arthrodesennagels erforderlich sei (Gutachten vom 21.01.2011, 07.03.2011, 29.06.2011, 18.10.2011); aus der Streichung des OPS 5-785.0 ergab sich die DRG I04Z. Die Beklagte schloss sich dem MDK an und rechnete den Differenzbetrag von 973,19 EUR gegen eine andere Forderung der Klägerin auf.

Am 20.03.2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Der OPS 5-808 schließe nicht die Implantation von Knochenzement ein. Lediglich die Planung sei enthalten ("inkl."). Zwar stehe unter dem Punkt "Hinweis" nicht, dass außer Knochentransplantation (OPS 5-784) und Osteosynthese (OPS 5-786) auch die Knochenzement¬implantation gesondert zu kodieren sei; daraus folge jedoch nicht, dass diese vom OPS 5-808 umfasst sei. Der OPS 5-785 sei ausweislich der Regelung "exkl." lediglich bei bestimmten Implantationen ausgeschlossen, nicht aber beim OPS 5-808. Zudem könnten Arthrodesen sowohl mit als auch ohne Knochenzementimplantation durchgeführt werden. Folglich könne der OPS 5-808 die Implantation von Knochenzement nicht beinhalten. Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall die Implantation des Knochenzements nicht allein um den Arthrodesennagel herum erfolgt, vielmehr habe ein riesiges, knochenloses Areal an beiden gelenkbildenden Teilen, vor allem am Femur und an der Tibia, durch Knochenzement ersetzt werden müssen. Der Ersatz eines knochenlosen Areals könne keinesfalls vom OPS 5-808 mit umfasst sein, sondern stelle einen eigenen Aufwand dar. Die Deutsche Kodierrichtlinie (DKR) P001f schließe eine Doppelkodierung nicht aus. Die Zementeinbringung sei nicht regelhafter Bestandteil, da der Arthrodesennagel auch ohne Zement eingebracht werden könne. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) habe in seinen FAQ ausgeführt, im OPS seien nicht alle Kombinationsmöglichkeiten von Operationen/Prozeduren mit dem Hinweis, eine zusätzliche Kodierung sei erforderlich und möglich, gekennzeichnet; grundsätzlich sei alles, was regelhaft Bestandteil des Eingriffs sei, im Kode abgebildet, und darüber hinausgehende Maßnahmen auch ohne entsprechenden Hinweis zu kodieren. Seit 2011 sei die Zementierung des Arthrodesennagels mit dem Kode 5-822.f1 verschlüsselbar.

Die Beklagte hat erwidert, gemäß DKR P003d gelte der Grundsatz der monokausalen Kodierung. Abweichungen hiervon seien nach Maßgaben der DKR P001f in den Hinweisen beschrieben. Beim OPS 5-808 werde in den Hinweisen gerade nicht darauf verwiesen, dass die Verwendung von Knochenzement gesondert zu kodieren sei. Dass Arthrodesen mit oder ohne Knochenzementimplantation durchgeführt würden, helfe nicht weiter. Der OPS 5-820 unterscheide zwischen zementierter und nicht zementierter Implantation einer Hüft-Endoprothese. Für den OPS 5-808 werde eine solche Unterscheidung aber gerade nicht vorgenommen. Beide Varianten (mit/ohne Zement) seien mangels Exklusivums vom OPS 5-808 abgedeckt. Die Kniegelenksarthrodese werde üblicherweise unter Beimengung von Antibiotika mit einem zementierten Arthrodesennagel durchgeführt; eine Operation ohne Zementierung sei aus medizinischer Sicht eher die Ausnahme. Gerade nach Entfernung einer infizierten Knieendoprothese und Exzision des infizierten Gewebes, wie hier, stelle die Verwendung von antibiotikahaltigem Knochenzement den Standard dar.

Mit Urteil vom 14.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei der OPS 5-785.0 nicht zu kodieren gewesen. Zwar sei im Laufe der Operation am 15.11.2010 unstreitig alloplastischer Knochenersatz in Form von Knochenzement implantiert worden. Die Implantation von alloplastischem Knochenersatz sei aber bereits durch den OPS 5-808.3 abgebildet. Den Grundprinzipien des DRG-Systems entspreche es, monokausal einen durchgeführten Eingriff möglichst mit allen Einzelaspekten in einem Kode abzubilden. Nach DKR P001f seien alle signifikanten Prozeduren zu kodieren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen worden und im OPS abbildbar seien. Die kombinierte Verschlüsselung mehrerer Prozeduren solle die Ausnahme sein. Dies folge aus der speziellen Regelung in DKR P001f, wonach eine Prozedur normalerweise vollständig mit all ihren Komponenten in einem Kode abgebildet sei und Abweichungen davon in den Hinweisen beschrieben seien. Vorliegend sei die Einbringung von Knochenzement nicht als alleinige Maßnahme, sondern im Zusammenhang mit der Arthrodese durchgeführt worden. Die Einbringung von Knochenzement sei auch Voraussetzung für die Einbringung des Arhrodesennagels gewesen und stehe daher in engem Zusammenhang mit dem Haupteingriff. Nichts anderes ergebe sich aus dem Vortrag des Klägers, dass durch den Knochenzement auch ein größeres knochenloses Areal ersetzt worden sei. DKR P001f sei zu entnehmen, dass bei Mehrfachkodierung regelmäßig ein Hinweis erforderlich sei. Weder unter der Überschrift "Operationen an Bewegungsorganen (5-78 5-86)" noch unter der Überschrift "5-808 Arthrodese" finde sich allerdings ein Hinweis, dass die Verwendung alloplastischen Knochenmaterials neben einem anderen Kode gesondert zu kodieren sei. Zwar sei ein Hinweis nicht zwingend erforderlich, wenn die entsprechende Maßnahme nicht regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffs sei. Die Einbringung eines Arthrodesennagels erfordere jedoch üblicherweise die Einbringung von Knochenzement. Daher wäre für die zusätzliche Kodierung ein entsprechender Hinweis erforderlich gewesen. Eine nähere Betrachtung des Beispiels 3 in DKR P001f verdeutliche dies.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 16.02.2015 eingelegten Berufung. Die Mehrfachkodierung sei im vorliegenden Fall korrekt gewesen. Die Zementeinbringung sei weder im OPS 5.808.3 abgebildet noch dessen regelhafter Bestandteil gewesen, da der Nagel auch ohne Zement eingebracht werden könne. Die Zementeinbringung habe nicht nur der Fixierung des Nagels gedient, sondern der Vermeidung eines Totraums und somit der Defektauffüllung. Grundsätzlich könne eine Arthrodese durch Nägel, Schrauben, Platten o.ä. hergestellt werden. Diese seien mit separatem OPS aus 5-786.- zusätzlich zu kodieren. Zement oder Spongiosa seien nicht regelhafter Bestandteil einer Arthrodese. Dementsprechend gebe es seit 2011 einen gesondert verschlüsselbaren OPS 5-822.f1 für die Zementierung des Arthrodesennagels. Weiterhin sei alloplastischer Knochenersatz zur Defektauffüllung eines Totraums nicht regelhafter Bestandteil der Arthrodese. Knochenzement sei hier anstelle einer Spongiosatransplantation verwendet worden. Für die Spongiosatransplantation finde sich im OPS 5-808 ein Hinweis auf eine zusätzliche Verschlüsselung. Die Verwendung alloplastischen Knochenersatzes müsse analog verschlüsselt werden. Die Defektauffüllung sei weder regelhafter Bestandteil einer Arthrodese (OPS 5-808) noch mit dem OPS 5-822.f1 (ab 2011) abgebildet. Die Arthrodese und auch die Implantation eines Arthrodesenmoduls könne zementfrei erfolgen (Hinweis auf OPS 5-822.f0). Die Defektauffüllung unterscheide sich von einer Arthrodese auch bei einer ggf. erfolgten Zementierung zur Stabilisierung des Implantats. Die Defektauffüllung, d.h. der Knochenersatz, sei damit kein Bestandteil des OPS 5-808.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 973,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei hier eine Mehrfachkodierung ausgeschlossen, weil der OPS eine gesonderte Verschlüsselbarkeit nicht vorgesehen habe. Daran habe auch durch die Einführung des OPS 5-822.f1 im Jahr 2011 nichts geändert; denn auch diese habe nicht zu einer Anpassung des OPS 5.808 geführt, was aber Voraussetzung für eine zusätzliche Verschlüsselbarkeit wäre. Wenn die Verwendung alloplastischen Knochenersatzes auch nicht den Regelfall bei einer Arthrodese darstelle, so sei dies auch kein absoluter Ausnahmefall. Wäre der Aufwand im Vergleich zur "üblichen" Vorgehensweise unverhältnismäßig erhöht, so hätten die Vertragsparteien eine entsprechende Anpassung des OPS veranlassen müssen.

Dem Senat haben die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte des Klägers vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägers gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter erlosch dadurch in Höhe von 973,19 EUR, dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 08.11.2010 bis 25.11.2010 aufrechnete.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass dem Kläger aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten zunächst Anspruch auf Vergütung von 973,19 EUR hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 29; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 7; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R – juris Rn. 8).

Dieser andere Vergütungsanspruch erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam entsprechend §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten die Aufrechnung erklärte (zur entsprechenden Anwendung der §§ 387 ff. BGB: BSG, Urteil vom 18.06.2014 – B 3 KR 10/13 R – juris Rn. 11; Urteil vom 28.11.2013 – B 3 KR 33/12 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.09.2013 – B 3 KR 31/12 R – juris Rn. 11; zur Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 8 f.; Urteil vom 12.07.2012 – B 3 KR 18/11 R – juris Rn. 14 f.; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 9 f.). Der Vergütungsanspruch des Klägers und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch des Klägers erfüllbar (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 30; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 18; Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn. 9). Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs der Beklagten aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 973,19 EUR waren erfüllt. Denn die Beklagte hatte dem Kläger 973,19 EUR Euro Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger für die zugunsten des Versicherten vom 08.11.2010 bis 25.11.2010 erbrachten Leistungen ein Vergütungsanspruch allenfalls in Höhe von 10.971,79 EUR nicht aber in Höhe von 11.944,98 EUR zustand.

Der Vergütungsanspruch des Klägers für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 08.11.2010 bis 25.11.2010 entstand dem Grunde nach. Der Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung und dazu korrespondierend die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (siehe nur BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R – juris Rn. 13; Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R – juris Rn. 26; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 18/15 R – juris Rn. 9; Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R – juris Rn. 9; Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – juris Rn. 8; Urteil vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R – juris Rn. 10). Dies war hier unstreitig der Fall.

Der Kläger durfte jedoch im Behandlungsfall des Versicherten nicht die Fallpauschale DRG I08C, sondern allenfalls die Fallpauschale DRG I04Z abrechnen. Dabei sind sich die Beteiligten zu Recht darüber einig, dass der Anspruch auf die höhere Vergütung voraussetzt, dass der Kläger den OPS 5-785.0 neben dem OPS 5-808.3 hätte kodieren dürfen. Dies bedarf keiner weiteren Ermittlungen, weil insoweit zwischen den Beteiligten, die eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen, weder Streit besteht noch Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung vorliegen (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 9; Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 9/15 R – juris Rn. 29). Der Kläger war indessen nicht berechtigt, den OPS 5-785.0 zu kodieren.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 08.11.2010 bis 25.11.2010 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 1 Fallpauschalenvereinbarung 2010 (FPV 2010) sowie Anlage 1 der FPV 2010 (Fallpauschalenkatalog 2010), jeweils in der im Behandlungszeitraum geltenden Fassung. Denn der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe gemäß § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und – sofern das Krankenhaus nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist – der Bundespflegesatzverordnung vertraglich abschließend festgelegt wird (siehe nur BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R – juris Rn. 8 f.; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 KR R – juris Rn. 15; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 11).

Die Höhe des Vergütungsanspruchs bemisst sich im DRG-Vergütungssystem, in das die meisten Krankenhäuser einbezogen sind (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 KHEntgG), nach Fallpauschalen des nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordneten und auf Bundesebene vereinbarten Fallpauschalen-Katalogs (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG i.V.m. § 17b KHG). Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer der DRG-Fallpauschalen in zwei Schritten: Zunächst werden die Diagnosen nach der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD) und die medizinischen Prozeduren nach dem OPS kodiert. Sodann werden in einem zweiten Schritt anhand dieser Kodes sowie zusätzlicher fallbezogener Variablen mithilfe eines zertifizierten Software-Programms (Groupers) die DRG-Fallpauschale sowie die dafür zu zahlende Vergütung errechnet (näher dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 19 ff.). Dabei greift das Programm auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die FPV selbst, aber auch die ICD in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2010). Ebenso gehört zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR. Die Verbindlichkeit der in den FPV und den DKR angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in das vertraglich vereinbarte Fallpauschalensystem und insbesondere in dessen Kern, den Grouper, einbezogen sind (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 31; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn. 13; Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 24).

Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich ICD und OPS ist nicht automatisiert und unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 17; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn. 14; Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 9/15 R – juris Rn. 13; Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 R – juris Rn. 13; Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 14/12 R – juris Rn. 14; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 27). Auch für die Vergangenheit kann ein Schlichtungsausschuss auf Bundesebene Kodier- und Abrechnungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verbindlich klären (§ 17c Abs. 3 Satz 2 KHG).

Zu der hier streitigen Kodierung von Prozeduren bestimmen die DKR (Version 2010) unter P001f (Allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren): "Prozedurenkomponenten Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Zugang, Naht, usw., in einem Kode abgebildet (siehe Beispiel 1 und 2). Abweichungen davon sind in den Hinweisen beschrieben. Bei den Operationen am Nervensystem zum Beispiel ist gewöhnlich der Zugang zusätzlich zu kodieren. Deshalb werden diese individuellen Komponenten einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt. " Nach Beispiel 3 heißt es dort: "Eigenständige Prozeduren, die nicht im direkten Zusammenhang mit einer operativen Prozedur stehen, werden getrennt kodiert." Unter P003d (Hinweise und formale Vereinbarungen für die Benutzung des OPS) ist bestimmt: "Informationsgehalt eines Einzelkodes Grundprinzip des OPS ist die Abbildung eines durchgeführten Eingriffes möglichst mit einem Kode (monokausale Kodierung). Das bedeutet: jeder Einzelkode enthält normalerweise alle Informationen für eine Prozedur mit allen notwendigen Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Zugang, die eigentliche Operation, Naht, usw. (s.a. den Abschnitt "Prozedurenkomponenten" in DKR P001 Allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren (Seite 35)). Mehrfachkodierung In einigen Bereichen ist eine Kodierung von Operationen mit mehreren Kodes vorgesehen. Dies ist insbesondere für die Abbildung komplexer Eingriffe erforderlich. In diesen Fällen wurden im OPS Hinweise formuliert, die auf eine gesonderte Kodierung der einzeln durchgeführten Eingriffe verweisen. "

Unter Berücksichtigung dieser Regelungen durfte die Beklagte den OPS 5-785.0 der Abrechnung nicht zugrunde legen.

Die hier streitigen OPS lauten in der Version 2010: "5-808 Arthrodese Inkl.: Planung Exkl.: Arthrodese an kleinen Gelenken der Hand (5.846) Temporäre Fixation eines Gelenkes (5-809.2) Temporäre Fixation an kleinen Gelenken der Hand (5-849.1) Hinw.: Eine durchgeführte Knochentransplantation ist gesondert zu kodieren (5-784) Eine durchgeführte Osteosynthese ist gesondert zu kodieren (5-786) 5-808.3 Kniegelenk 5-785 Implantation von alloplastischem Knochenersatz Inkl.: Planung und Zurichtung Exkl.: Implantation von endoprothetischem Gelenk- und Knochenersatz (5-820 ff.) Implantation eines nichtalloplastischen Knochen(teil-)ersatzes (5-828) Hinw.: Dieser Kode kann als Zusatzkode zu 5-828 verwendet werden Die Lokalisation ist in der 6. Stelle nach der Liste vor Kode 5-780 zu kodieren 5-785.0 Knochenzement ohne Antibiotikumzusatz "

Die tatbestandlichen Voraussetzungen beider OPS-Prozeduren sind erfüllt. Eine Kodierung beider OPS ist dennoch ausgeschlossen. Denn Grundprinzip des DRG-Systems ist es, monokausal einen durchgeführten Eingriff möglichst mit allen Einzelaspekten in einem Kode abzubilden (siehe nur BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn. 19). Und ein Ausnahmefall, in dem eine kombinierte Verschlüsselung mehrerer Kodes zulässig ist, liegt hier nicht vor.

Weder der OPS 5-808 noch der OPS 5-785 enthält einen expliziten Hinweis darauf, dass beide nebeneinander zu kodieren sind. Der Hinweis zum OPS 5-808 sieht allein für die OPS 5-784 und 5-786 eine gesonderte Kodierung vor, erwähnt aber den dazwischen liegenden OPS 5-785 nicht.

Nach der Rechtsprechung des BSG kann eine gesonderte Kodierung über den Wortlaut des OPS hinaus auch in atypischen Konstellationen zulässig sein (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn. 22 ff.). Eine Atypik ist dann gegeben, wenn der aufgetretene Fall im Rahmen der durchgeführten Prozedur kaum vorhersehbar war. Bei vorhersehbaren Fällen liegt es dagegen nahe, die zusätzliche Verschlüsselbarkeit über entsprechende Hinweise aufgrund von Abweichungen vom Normalfall im OPS selbst vorzusehen. Denn ließe man eine zusätzliche Verschlüsselung auch bei vorhersehbaren Teilprozeduren zu, wäre das Grundprinzip der monokausalen Kodierung weitgehend ausgehöhlt (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn. 25). In diesem Lichte ist der Hinweis zu sehen, den das DIMDI zu Kodierfragen veröffentlicht hat (OPS Nr. 0011) und auf den sich die Beklagte beruft: "Ist für die Kodierung einer Prozedur mit zwei oder mehr OPS-Kodes zwingend ein entsprechender Hinweis im OPS erforderlich? Im OPS sind nicht alle Kombinationsmöglichkeiten von Operationen/Prozeduren mit dem Hinweis gekennzeichnet, dass eine zusätzliche Kodierung erforderlich und möglich ist. Grundsätzlich ist alles, was regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes ist, im Kode abgebildet. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind zusätzlich zu kodieren, auch wenn es keinen entsprechenden Hinweis im OPS gibt." Dabei sind diese Ausführungen des DIMDI unverbindlich (so auch Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2018 – L 11 KR 865/17 – juris Rn. 41). Nicht einmal zu einer authentischen Interpretation der DKR ist das DIMDI befugt, da nicht er, sondern die Vertragsparteien auf Bundesebene (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) Normgeber dieses Regelwerks sind. Nichts anderes lässt sich § 301 Abs. 2 SGB V entnehmen, selbst wenn daraus eine Pflicht des DIMDI abgeleitet wird, die tägliche Praxis der Verschlüsselung zu beobachten und durch regelmäßige Anpassung von Hinweisen zu einzelnen OPS-Kodes Lücken und Unklarheiten beseitigen (so BSG, Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 25/12 R – juris Rn. 15 – vgl. auch § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V i.d.F. des Pflegepersonalstärkungsgesetzes vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2394). Ungeachtet seiner Unverbindlichkeit lässt sich dem Hinweis OPS Nr. 0011 des DIMDI entnehmen, dass nicht vorhersehbar im Sinne einer Atypik nichts ist, was regelhaft Bestandteil eines Eingriffs ist.

Die Einbringung von Zement bei Arthrodese mit einem Arthrodesennagel ist keine atypische Konstellation. Soweit eine Zementeinbringung zur Fixierung der Arthrodese medizinisch notwendig ist, ist sie keine unvorhersehbare Maßnahme, sondern notwendiger Bestandteil der Arthrodese. Dem steht nicht entgegen, dass es Fälle gibt, in denen eine Fixierung auch ohne Zement möglich ist. Denn über Typik und Atypik entscheidet nicht die Häufigkeit einer Maßnahme, sondern deren Vorhersehbarkeit. Die Einbringung von Knochenzement als Fixationsmedium ist bei einer Arthrodese auch nicht derart unüblich (zu diesem Gesichtspunkt LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2018 – L 11 KR 865/17 – juris Rn. 41 zum Verhältnis von OPS 5-785 zu OPS 5-794 – offene Reposition einer Mehrfragmentfraktur), dass es sich bei ihr um eine darüber hinausgehende Maßnahme handelt. Dafür spricht – anders als der Kläger meint – der 2011 eingeführte OPS 5-822.f1. Dieser lautet, wie folgt: 5-822 Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk Hinw.: Eine durchgeführte Spongiosaplastik ist gesondert zu kodieren (5-784) Die zusätzliche Verwendung von Osteosynthesematerial ist gesondert zu kodieren (5-786) Die komplexe Erstimplantation einer Endoprothese z.B. mit Knochenersatz oder mit Ersatz benachbarter Gelenke ist gesondert zu kodieren (5-829.a) Die Verwendung einer Tumorendoprothese ist gesondert zu kodieren (5-829.c) Die Anwendung von hypoallergenen Prothesen ist gesondert zu kodieren (5-829.e) Die Angaben zur Verwendung von Zement ist in der 6. Stelle nach folgender Liste zu kodieren 0&8596; Nicht zementiert 1&8596; Zementiert 2&8596; Hybrid (teilzementiert) 5-822.f Implantation eines endoprothetischen Gelenkersatzes ohne Bewegungsfunktion Inkl.: Arthrodesenmodule " Mit der Einführung des OPS 5-822.f wurden am Kniegelenk Arthrodesen den Endoprothesen gleichgestellt, obwohl sie gerade nicht – wie Endoprothesen – die Funktion des Gelenks ersetzen, sondern das Gelenk versteifen und damit dessen Bewegungsfähigkeit komplett unterbinden. Seit der Einführung des OPS 5-822.f macht gerade die Verschlüsselbarkeit der Zementierung an 6. Stelle dieses OPS deutlich, dass bei Arthrodesen die Einbringung von Zement als Fixationsmedium Bestandteil des Grundeingriffs ist.

Aus der Streichung des Hinweises im OPS 5-785, dass dieser Kode als Zusatzkode zu 5-828 verwendet werden kann, zum Jahr 2011 ergibt sich nichts anderes. Hinter dieser Streichung stand die Befürchtung des MDK, der Hinweis könne dahingehend (miss-)-verstanden werden, dass der OPS 5-785 nur beim OPS 5-828 als Zusatzkode angegeben werden könne, was aber nicht gewollt sei (dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2018 – L 11 KR 865/17 – juris Rn. 42). Aus der – in der hier streitigen Zeit (08.11.2010 bis 25.11.2010) ohnehin noch nicht erfolgten – Streichung kann indessen nicht abgeleitet werden, dass der OPS 5-785 bei jeder Zementeinbringung und damit letztlich regelhaft als Zusatzkode angegeben werden kann.

Zu keiner anderen Beurteilung führt schließlich der Umstand, dass im vorliegenden Fall die Zementeinbringung auch der Defektauffüllung diente. Denn es musste – wie der MDK überzeugend dargelegt hat – hier der Markraum (von Tibia und Femur) aufgebohrt werden und dann, um einen korrekten, passgenauen Sitz des Arthrodesennagels zu ermöglichen, mit Knochenzement aufgefüllt werden. Insoweit diente der Knochenzement als Fixationmedium. Bei der Aufbohrung des Markraums wurde zugleich eine Infektion ausgeräumt, so dass größere Defekte am Knochen entstanden. Gleichwohl diente der eingebrachte Knochenzement weiterhin zur Befestigung des Marknagels. Eine für eine Arthrodese am Kniegelenk unvorhersehbare Maßnahme, die eine Ausnahme vom Prinzip der monokausalen Kodierung rechtfertigen könnte, ist auch in einer solchen Zementeinbringung nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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