Das Verwirrspiel des BSG zur Diagnose T83.5

Das BSG hatte sich in zwei Entscheidungen mit der Frage zu befassen, ob die Diagnose T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt) aufgrund einer Infektion durch einen Katheter zutreffend vom Krankenhaus kodiert wurde.

Im ersten Urteil vom 09.04.2019 zum Az. B 1 KR 27/18 R kam das BSG im Ergebnis dazu, dass die Diagnose T83.5 zutreffend vom Krankenhaus kodiert worden sei, wenn die Infektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit „durch“ den Katheter bedingt war. Dies habe die Vorinstanz noch aufzuklären, weshalb das Verfahren an das LSG zurückverwiesen wurde. Im zweiten Urteil vom 26.05.2020 zum Az. B 1 KR 26/18 R kommt das BSG demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Diagnose T83.5 vom Krankenhaus unzutreffend kodiert worden sei.

Frank Wölfer

Frank Wölfer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Wölfer berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Gleichwohl sind beide Entscheidungen des BSG zutreffend und widersprechen sich auch nicht. Auf den ersten Blick mag dieses Ergebnis überraschen, kommen doch das BSG hinsichtlich der Frage der Kodierung der Diagnose T83.5 zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Man könnte nun wie einige Sozialgerichte auf die Idee kommen, dass die abweichenden Entscheidungen damit zusammenhängen, dass es bei dem Urteil des BSG vom 09.04.2019, Az. B 1 KR 27/18 R, um die Frage der zutreffenden Kodierung der Nebendiagnose ging und im Urteil des BSG vom 26.05.2020, Az. B 1 KR 26/18 R, um die Frage der zutreffenden Hauptdiagnose. Für die Frage, ob die Diagnose T83.5 zu kodieren ist, spielt es jedoch keine Rolle, ob diese als Hauptdiagnose oder als Nebendiagnose kodiert wurde. Die Frage der Bestimmung der zutreffenden Schlüsselnummer ist sowohl bei Hauptdiagnosen als auch bei Nebendiagnosen gleich zu beantworten.

Schaut man sich die Begründung des BSG in seinem Urteil vom 09.04.2019 an, wird deutlich, dass das BSG anhand des Anhangs A der Deutschen Kodierrichtlinien die Bestimmung der Schlüsselnummer vornimmt. Entsprechend dieses Anhangs A der Deutschen Kodierrichtlinien prüft das BSG daher, welche Schlüsselnummer nach dem alphabetischen Verzeichnis herauskommt und sodann, ob die Schlüsselnummer durch Rückgriff auf das systematische Verzeichnis richtig ist. Im dortigen Fall war die Diagnose T83.5 spezifischer als die von der Kasse gewünschte Diagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet).

Ebenso geht das BSG in seinem Urteil vom 26.05.2020 vor, auch wenn es in dieser Deutlichkeit nicht zum Ausdruck kommt. Es kommt zu folgendem Ergebnis:

„Danach war im Fall des Versicherten N30.0 gegenüber T83.5 der spezifischere Kode…Denn nach dem Gesamtzusammenhang der vom LSG getroffenen Feststellungen, die von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), litt der Versicherte an einer akuten Harnblasenentzündung, die den stationären Aufenthalt auch hauptsächlich veranlasst hat. Diese Erkrankung wird durch den Kode N30.0 (Akute Zystitis) sowohl hinsichtlich ihrer Lokalisierung (Harnblase) als auch hinsichtlich der Art der Erkrankung (akute Entzündung) spezifischer bezeichnet als durch den Kode T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch… im Harntrakt). Selbst wenn die Entzündung durch den suprapubischen Blasenkatheter verursacht worden sein sollte – was das LSG nicht festgestellt hat -, wäre diese zusätzliche Information aus T83.5. im vorliegenden Fall nicht geeignet, die Erkrankung als solche spezifischer zu beschreiben.“

Unter Rz. 20 macht das BSG deutlich, dass es für die Frage der Bestimmung einer Schlüsselnummer darauf ankommt, welche der vorliegend in Betracht kommenden Schlüsselnummern die Erkrankung bzw. Störung spezifischer abbildet. Sind die gefundenen Schlüsselnummern gleich spezifisch, kommt erst dann der Ursache (Infektion durch Katheter) Bedeutung zu.

Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man entsprechend des Urteils des BSG zum Az. B 1 KR 27/18 R nach den Grundsätzen im Anhang A der Deutschen Kodierrichtlinien vorgeht. Schlägt man in dem alphabetischen Verzeichnis unter „Harnblase“ und „Entzündung“ nach, wird einem der Kode N30.0 für eine akute Zystitis vorgegeben. Auch ist insoweit der Auffassung des BSG, dass bei einer akuten Harnblasenentzündung der Kode N30.0 (akute Zystitis) sowohl hinsichtlich ihrer Lokalisierung (Harnblase) als auch hinsichtlich der Art der Erkrankung (akute Entzündung) spezifischer ist, zuzustimmen. Der Kode T83.5 gibt im Verhältnis zu N30.0 demgegenüber eine ungenauere Lokalisierung (Harntrakt) als auch eine ungenauere Bezeichnung der Entzündung (Infektion und entzündliche Reaktion) wieder.

Leider hat sich das Bundessozialgericht in beiden Urteilen nicht mit der übergeordneten Rechtsfrage beschäftigt, wie medizinische Begriffe in der ICD-10-GM oder dem OPS auszulegen sind.

Fazit

Für die Frage, ob der Kode T83.5 zutreffend kodiert wurde, kommt es nicht darauf an, ob dieser Kode als Haupt- oder Nebendiagnose kodiert werden soll. Vielmehr ist für den jeweiligen Behandlungsfall die Frage zu beantworten, welcher Kode die Erkrankung am spezifischsten beschreibt. Erst wenn die gefundenen Schlüsselnummern gleich spezifisch sind, kommt der Ursache der Erkrankung eine Bedeutung zu. Am einfachsten lässt sich die Schlüsselnummer über das alphabetische Verzeichnis bestimmen. Kommt man danach zu dem Ergebnis, dass die Diagnose T83.5 zu kodieren ist, hängt es entscheidend davon ab, ob die Harnwegsinfektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit „durch“ den Katheter bedingt war.