Operation in Kopfzentrum
Von einer Betroffenen liegt MDR exakt ein medizinisches Gutachten vor. Die OP an der Nase in der Acqua Klinik Leipzig bewertet der Gutachter als "Unterschreitung des medizinischen Standards". (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Privatklinik Schwere Vorwürfe gegen Acqua Klinik und Kopfzentrum

20. Mai 2021, 12:13 Uhr

Mehrere Patienten des Leipziger Arztes Gero Strauß beklagen, dass sie zu ästhetischen Eingriffen überredet worden seien, obwohl sie sich nur wegen eines medizinischen Nasen-Problems vorgestellt hätten. Zudem sollen einige Nasen-Operationen des Betreibers der Acqua Klinik schiefgegangen sein.

"Die Nase, das war ein einziger Unfall im Gesicht", sagt eine Frau, die in der Acqua Klinik in Leipzig operiert worden ist. Diese ist auf Chirurgie im HNO-Bereich spezialisiert. "Ich hatte Schmerzen, mir lief der Eiter aus dem Nasenrücken heraus", berichtet sie und möchte gern anonym bleiben. Seit der Operation leide sie an Depressionen. Sie ist einen von mehreren, ehemaligen Patienten der Acqua Klinik, die sich bei MDR exakt gemeldet haben.

Das MDR-Magazin hatte bereits im März über das Kopfzentrum berichtet, in dem Indikationen für die Operationen gestellt werden, die dann meist in der Acqua Klinik erfolgt sind. Das Kopfzentrum ist ein medizinisches Versorgungszentrum aus Leipzig, das im Osten Deutschlands HNO-Praxen betreibt. Der medizinische Leiter ist Gero Strauß. Der Professor operiert auch selbst in seiner Privatklinik (Acqua Klinik) und ist dort auch Chef. Gegen ihn richten sich die Vorwürfe.

Gab es eine Quote für Operationen pro Arzt?

In der Privatklinik, in der auch Kassenpatienten betreut werden, finden rund 4.500 Operationen pro Jahr statt. Bereits im März hatte das MDR-Magazin exakt interne Mails erhalten, in denen Gero Strauß die Wichtigkeit von OP-Verordnungen (OP-Indikationen) betont. Darin ist jeder Arzt angehalten worden, eine gewisse Anzahl auszustellen. Die untere Grenze liegt bei 20 pro Monat und sechs pro Woche. Gero Strauß erklärte dazu, dass damit nur die Qualität der ärztlichen Arbeit genauer im Blick behalten werden solle. Eine OP-Mindestquote gäbe es aber nicht.

Doch wenn diese "untere Grenze" nicht erreicht wurden, dann "wird man als schlechter Arzt bezeichnet und muss sich rechtfertigen", sagte eine ehemalige Ärztin des Kopfzentrums, die unerkannt bleiben will. Sie erklärte: Geld zu verdienen stehe im Kopfzentrum über dem Patientenwohl. Aus ihrer Sicht seien dort unnötige Operationen durchgeführt worden.

Vorwurf: Professor rät auch zur äußeren Korrektur

Nach der ersten Berichterstattung durch MDR exakt, melden sich zahlreiche Zuschauer und schildern ihre Erfahrungen mit dem Kopfzentrum und der Acqua Klinik. Drei Frauen berichten der Redaktion bei einem Treffen, dass ihnen wegen Atmungsproblemen die Nasenscheidewand begradigt werden sollte. Doch Professor Strauß rät angeblich allen dreien auch zu einer Korrektur der äußeren Nase.

"Ich möchte keine Schönheitsoperation haben", habe eine Betroffene zu Gero Strauß gesagt. Sie erklärt, dass der Chirurg ihr daraufhin geantwortet habe: "Das eine schließt das andere nicht aus. Sie werden es bereuen, wenn Sie es nicht machen. So eine Operation macht man im Leben nur einmal. Dann muss das Gesamtbild stimmen."

Den Frauen soll ein Höcker auf der Nase abgetragen werden. In der Acqua Klinik zahlen sie um die 100 Euro für 3-D-Simulationen. Damit habe ihnen Professor Strauß den Eingriff schmackhaft gemacht, so die Betroffenen.

Sind Patienten zu Operationen überredet worden?

Eine Operation an der hochkomplexen Nase gilt in der plastischen Chirurgie als Königsdisziplin. Auch, weil viel schiefgehen kann. Die Frauen sagen, sie hätten nie ein Problem mit der Form ihrer Nase gehabt. Doch Gero Strauß soll die Schönheits-Operationen auch mit medizinischen Argumenten beworben haben. "Er hatte gesagt, dass die Funktion der Nase, wenn wir den Höcker oder die Nase äußerlich mit anpassen, die Nasenscheidewand dann besser steht", sagt eine zweite Betroffene.

Die Fachanwältin für Medizinrecht, Gabriele Mayer, äußert sich gegenüber MDR exakt ganz allgemein dazu, dass es schon rein ethisch sehr bedenklich sei, wenn Patienten zu einer Schönheits-OP überredet würden. Es sei fraglich, ob ein Patient noch von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen konnte, wenn er von jemanden, dem er vertraue, so "zugequatscht" werde. "Aufgrund dieser Täuschung willigt der Patient in diesen Eingriff ein. Dann wäre das schon Betrug und Körperverletzung auch."  

Andere Ärzte berichten von vielen zweifelhaften Indikationen

Zurück zu Gero Strauß. Er lehnt ein Interview ab, in dem er sich zu den Vorwürfen seiner ehemaligen Patienten äußern könnte. Eine Rechtsanwaltskanzlei antwortet. Der Vorwurf, Gero Strauß habe Patienten zu einer Schönheitsoperation überredet, wird bestritten: "Erst wenn Patienten in den Vorgesprächen wegen einer Operation der inneren Nase nach einer gleichzeitigen Veränderung der äußeren Nase fragen, wird eine solche Möglichkeit auf diese ausdrückliche Frage hin erörtert."

Doch zweifelhafte OP-Indikationen durch das Kopfzentrum kämen immer wieder vor, sagt ein erfahrener HNO-Arzt aus der Region Leipzig. Dies würden er und seine Kollegen immer wieder feststellen, wenn sie mit Patienten zu tun haben, die von dort kommen. "Das ist seit Jahren bekannt. Wir sind darüber verärgert, weil wir uns strikt an die Leitlinien halten. Und im Kopfzentrum wird nicht nach möglichen Alternativen zu Operationen gesucht", sagt der Arzt, der ebenfalls anonym bleiben will. Denn: Wer sich kritisch äußere, würde mundtot gemacht.

Einige Kollegen haben schon Post erhalten von Professor Strauß, in der er juristische Schritte angedroht hat. Das Ganze wird sehr aggressiv angegangen.

HNO-Arzt aus der Region Leipzig

Die Anwältin von Professor Strauß vermutet hinter solchen Vorwürfen Argwohn und Abwehrhandlungen einiger Mitbewerber.

Gutachten: Medizinische Standards unterschritten

Die Frauen, die mutmaßlich und ihrem Empfinden nach zu einer Schönheitsoperation überredet wurden, zeigen MDR exakt Bilder, die belegen sollen, dass die Eingriffe durch Professor Strauß gründlich schiefgelaufen seien. Sie berichten von viel zu engen Nasenlöchern und deformierten Nasen. Die geplante Funktionsverbesserung sei auch nicht eingetreten, berichten zwei der drei Frauen.

Von einer Betroffenen liegt MDR exakt ein medizinisches Gutachten vor. Den operativen Eingriff in der Acqua Klinik bewertet der Gutachter als "Unterschreitung des medizinischen Standards".  Gero Strauß, sagen die Betroffenen, habe in weiteren Operationen versucht, nachzubessern. Weil das angeblich scheiterte, suchten sie Hilfe in anderen Kliniken.

Patienten müssen Nasenrekonstruktion selbst bezahlen

Aus diesen Kliniken liegen MDR exakt die OP-Berichte der drei Frauen vor. Die Chirurgen beschreiben die Nasenrekonstruktion in allen Fällen als "extrem komplex". Das bedeutet: allen drei Frauen muss ein Teil der Rippe entnommen werden. Aus Rippenknorpelspänen entsteht das neue Nasengerüst.

Weil die Komplikationen bei einem ästhetischen Eingriff entstanden sind, müssen die Frauen die Nasenrekonstruktion größtenteils selbst bezahlen. Schon in der Acqua Klinik mussten die Frauen für die Höckerabtragung selbst aufkommen, da die Krankenkassen nur medizinisch relevante Eingriffe zahlen. Bei einer Betroffenen hat allein dies 1.750 Euro gekostet.

Die Medizinrechtlerin Gabriele Mayer betreut nach Recherchen von MDR exakt seit Jahren Mandanten, bei denen es in der Acqua Klinik zu OP-Komplikationen gekommen sein soll. Sie gibt eine allgemeine und persönliche Einschätzung ihrer Fälle: "Wenn überproportional viele Fehler passieren, dann spricht vieles dafür, dass da nicht mehr sorgfältig gehandelt wird. Und das wird auch in manchen Prozessen dann offenkund", schätzt die Expertin ein.

Die Anwältin von Professor Strauß teilt uns mit: "Unsere Mandantschaft operiert auf hohem Niveau mit einer nachweislich konstant niedrigen Fehlerquote. Das gilt gleichermaßen auch für unseren Mandanten, Herrn Professor Strauß persönlich."

Quelle: MDR exakt/ mpö

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 19. Mai 2021 | 20:15 Uhr

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