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Einrichtungen in Bremen Reha-Kliniken kämpfen ums Überleben

Weil Leistungen nicht ausreichend vergütet werden, fühlen sich Betreiber von Bremer Reha-Einrichtungen benachteiligt. Kliniken wie die am Sendesaal kämpfen in der Corona-Pandemie ums Überleben.
20.05.2021, 19:41 Uhr
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Reha-Kliniken kämpfen ums Überleben
Von Pascal Faltermann

Zahlreiche Reha-Einrichtungen in ganz Deutschland kämpfen ums Überleben. Aus Sicht der Betreiber werden sie benachteiligt und haben politisch und gesellschaftlich nicht den Stellenwert, den sie verdient hätten. Das sieht in Bremen nicht anders aus. Einer der Hauptkritikpunkte: Einige Krankenkassen wählen die Reha-Einrichtung weiterhin vorwiegend nicht nach der Qualität aus, sondern nach dem günstigsten Preis. "Viele Reha-Leistungen der Einrichtungen werden zudem nicht ausreichend vergütet", sagt Christian Wolckenhaar, Geschäftsführer der Reha-Klinik am Sendesaal. Auch aus diesem Grund haben sich sechs Bremer Einrichtungen zusammengetan, um eine Schiedsstelle zu gründen. Denn durch die Corona-Pandemie hat sich ihre Situation nochmals verschärft. 

Das Reha-Zentrum Bremen am Klinikum Links der Weser, das neurologische Rehabilitationszentrum Friedehorst, die Mobile Reha Bremen, das Zentrum für seelische Gesundheit, das Reha-Centrum Alt-Osterholz für Suchterkrankungen sowie die Reha-Klinik am Sendesaal haben sich in einer Landesarbeitsgemeinschaft gebündelt. Sie wollen auf ihre Situation aufmerksam machen. "Im Gegensatz zum Krankenhausbereich gehören Reha-Kliniken nicht zur Daseinsvorsorge und unterliegen keinem gesetzlichen Schutz mit verlässlichen Budgets oder Preisregulationen", sagt Wolckenhaar.

Die Reha-Klinik am Sendesaal öffnete im Mai 2011 ihre Türen auf dem ehemaligen Gelände von Radio Bremen, im Randgebiet des Stadtteils Schwachhausen und feiert in diesen Tagen ihr zehnjähriges Bestehen. Die Einrichtung verfügt über 174 Betten in 130 Einzel- und 22 Doppelzimmern, sodass auch eine Unterbringung mit Angehörigen möglich ist. Patienten aus der Kardiologie, Geriatrie und Orthopädie, die im Schnitt zwischen 65 und 90 Jahre alt sind, kommen in die Reha-Klinik. Sie haben Stürze, Hüftbrüche, Herzklappenoperation oder Schlaganfälle hinter sich. Sie kommen meist noch als Pflegefall, sollen das Haus aber wieder zu Fuß verlassen. 15 Ärzte, etwa 40 Therapeuten und 40 Pflegekräfte sowie Servicemitarbeiter helfen und versorgen die Patienten. Von Ergo- bis Physiotherapie, von Sturzprophylaxe bis Diätberatung reicht das Behandlungsspektrum.

Aber die Reha-Kliniken hätten immer noch das Stigma "Morgens Fango, abends Tango", sagt Rolf Specht, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Specht Gruppe, zu der die Reha-Klinik am Sendesaal gehört. Dieses Bild sei teils noch vorhanden, dabei hätten sich die Ziele und Aufgaben der Reha im Lauf der Zeit sehr gewandelt. Statt für Kur stünden die Einrichtungen immer mehr für nachhaltige Reha-Medizin. Denn die medizinischen Anforderungen seien gestiegen, die Patienten kämen immer früher aus dem Krankenhaus. "Früher lagen die Patienten nach Operationen etwa zwölf Tage im Krankenhaus, mittlerweile kommen sie nach fünf Tagen zu uns. Dadurch hat sich die Reha stark verändert", sagt Wolckenhaar.

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"Mit der Eröffnung der Reha haben wir damals eine Lücke in Bremen geschlossen", sagt Specht. Als einzige stationäre Rehabilitationsklinik in der Stadt Bremen habe man die wohnortnahe Versorgungslücke zu geschlossen. Das nächste stationäre Angebot liegt mit der neurologischen Klinik Friedehorst in Bremen-Nord. Der Trend bei der Anschlussheilbehandlung und der Nachsorge gehe eigentlich hin zu immer mehr ambulanten Einrichtungen. "Und es ist eine Verstädterung der Reha zu bemerken", sagt Wolckenhaar. Doch die Patienten würden nicht immer in die nahe gelegene Einrichtung geschickt werden, sondern in die preisgünstigste. 

Bundesweit seien viele Einrichtungen defizitär, weil die Krankenkassen seit Jahren die Tagessätze für die Behandlung der Patienten nicht angemessen erhöht haben, sagt Wolckenhaar. Und die derzeitige Lage wird auch für Bremer Einrichtungen zunehmend zum Problem. Darum appellieren die Einrichtungen an Politik und Krankenkassen, dass anerkannt wird, was sie für die Menschen, für Bremen leisten. Die aktuelle Lage sehe allerdings keinen auskömmlichen Corona-Schutzschirm für die Reha-Einrichtungen vor. Stattdessen müsse oft ein langer, bürokratischer Prozess beschritten werden. Die Reha am Sendesaal mache derzeit selbst jährlich ein Defizit im sechsstelligen Bereich, sagt Geschäftsführer Specht. Aber an der Zukunft der Einrichtung werde definitiv festgehalten. "Wir stehen dazu und führen den Betrieb weiter", so Specht.

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Reha-Klinik-Konzept für ehemaliges Funkhaus

Der gesamte Gebäudekomplex von Klinik und Sendesaal gehört zum ehemaligen Funkhaus von ­Radio Bremen und befindet sich an der Ecke von Bürgermeister-Spitta-­Allee und Heinrich-Hertz-Straße in Schwachhausen. Eigentlich sollte der Sendesaal abgerissen werden. Die Bürger­initiative Verein Freunde des Sendesaales versuchte dies zu verhindern. Der Saal wurde unter Denkmalschutz gestellt und der Verein erhielt Unterstützung durch Investor Klaus Hübotter. Der Bauunternehmer erwarb 2009 gemeinsam mit Rolf Specht, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Specht Gruppe, das Gelände. Durch die Einbindung in das Reha-Klinik-Konzept konnte der Sendesaal gerettet werden. Um den Studiokomplex herum ist die Reha-Klinik entstanden, die von der Specht-Gruppe betrieben wird. Der Sendesaal wird monatlich mit einem vierstelligen Betrag von der Specht Gruppe unterstützt.

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