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Deutschland Milliarden-Ausgaben

Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik an Spahns Ministerium

Redakteurin Innenpolitik
Jens Spahn Jens Spahn
Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit
Quelle: dpa/Markus Schreiber
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Gesundheitsminister Spahn steht weiter im Kreuzfeuer der Kritik: Jetzt nimmt sich der Bundesrechnungshof das Gesundheitsministerium vor. Masken seien zu teuer abgerechnet, der Aufbau von Intensivbetten nicht genau genug überwacht worden.

Der Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik an einer Reihe von Entscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) während der Corona-Pandemie. Dies geht aus einem noch unveröffentlichten Bericht hervor, der am Mittwoch verschickt wurde und WELT vorliegt.

Die Kritik bezieht sich auf drei Punkte.

Erstens: Abgabe von Schutzmasken an besonders vulnerable Personengruppen

Bis Anfang April 2021 zahlte der Bund über das Bundesamt für Soziale Sicherung 2,1 Milliarden Euro für die Abgabe der Masken. Der Bundesrechnungshof beanstandet, dass das BMG mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an der Spitze die Schutzmasken kostenintensiv über Apotheken verteilt und keine alternativen Verteilungswege geprüft habe.

Zudem habe der Erstattungsbetrag von sechs Euro pro Maske „zu einer deutlichen Überkompensation zugunsten der Apotheken“ geführt, heißt es. Gleiches gelte für den ab Februar 2021 auf 3,90 Euro pro Maske abgesenkten Betrag.

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So ermittelte dem Bericht zufolge ein Beratungsunternehmen im Oktober und November 2020 für das BMG die Preise anhand von Internetrecherchen und Versandapotheken. Preise, die in Vor‐Ort‐Apotheken und Drogeriemärkten üblich waren, wurden dabei nicht erhoben. Eine spätere Preisanalyse des Ministeriums von Ende November ergab, dass zu diesem Zeitpunkt im Großhandel zertifizierte Schutzmasken bereits zu einem durchschnittlichen Preis von 1,62 Euro zu kaufen waren.

Das Fazit im Bericht: „Der Bundesrechnungshof fordert, bei künftigen Maßnahmen zulasten der Steuerzahler stärker auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Mittelverwendung zu achten.“ Dazu gehöre auch, die Länder bei der Finanzierung von Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsschutzes grundsätzlich zu beteiligen.

Masken für Personen ohne gesetzlichen Anspruch

Der Bundesrechnungshof moniert zudem, dass mit der Verteilung via Apotheken einerseits nicht alle vulnerablen Personen erreicht worden seien - und andererseits auch Personen Masken erhielten, die gar keinen gesetzlichen Anspruch gehabt hätten.

Spahns Ministerium verteidigt sich: Für „konzeptionelle Überlegungen in der Vorbereitungsphase“ hätten nur vier Wochen zur Verfügung gestanden. Die Umsetzung sei „bemerkenswert reibungslos“ verlaufen. Außerdem seien nur die Apotheken in der Lage gewesen, die „erheblichen Anforderungen“ für die Abgabe der Masken zu erfüllen. Der Erstattungsbetrag von sechs Euro je Maske beruhe wesentlich auf einer Markterhebung, die im vergangenen Oktober einen durchschnittlichen Bruttobetrag von 5,11 Euro ergeben hatte. Zu berücksichtigen waren außerdem unter anderem Kosten für die Beschaffung, für Beratungsleistung und Kosten für eine „gegebenenfalls notwendige Umverpackung“.

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Einer Recherche von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR zufolge hat das Gesundheitsministerium auch bei Antigen-Schnelltests privaten Anbietern zu hohe Preise gezahlt. So seien allein für das Material bis zu sechs Euro abgerechnet worden. Dem Medienbericht zufolge lagen aber bereits im April die Marktpreise für Testsets nur noch zwischen 2,50 und 2,80 Euro pro Stück.

Zweitens: Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser

Für das Jahr 2020 zahlte der Bund 10,2 Milliarden Euro für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser. Das derzeitige System der Ausgleichszahlungen habe „unerwünschte Mitnahmeeffekte“ eröffnet, heißt es in dem Bericht. Die Zahlungen ermöglichten vielen Krankenhäusern 2020 eine „massive Überkompensation“ aus Steuermitteln.

Der Bund habe zudem überwiegend nicht gezahlt, um freie Kapazitäten für Corona-Patienten zu gewährleisten, sondern habe vielmehr „das betriebswirtschaftliche Risiko“ einer nicht ausreichenden Belegung der Krankenhäuser mitgetragen. Dabei war dies erst seit März 2021 vordergründiges Ziel der entsprechenden Verordnungsermächtigung.

Der Bundesrechnungshof beschreibt es als „problematisch“, wenn Ausgaben in Milliardenhöhe aufgrund einer Rechtsverordnung getätigt werden können - ohne dass das Parlament über die Angemessenheit der Mittel entscheidet. Dies berge die Gefahr einer „partiellen Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechts“. Zudem habe das Robert-Koch-Institut über Kontaktaufnahmen der Kliniken berichtet, mit dem Ziel, Meldungen der freien betreibbaren Intensivbetten nachträglich zu korrigieren. Dadurch könnten Kapazitätsengpässe abgebildet worden sein, „die in diesem Maße nicht existierten“.

Gesundheitsministerium wehrt sich

Das Gesundheitsministerium hält dagegen, die Regelung durch eine Rechtsverordnung sei erforderlich gewesen. Schließlich seien während der Pandemie kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Überkompensationen seien allenfalls zwischen März und Juli vergangenen Jahres aufgetreten. Danach habe sich die Höhe der Ausgleichszahlungen an der Kostenstruktur der Kliniken orientiert.

Drittens: Aufbau von Intensivkapazitäten

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Für den Aufbau neuer Intensivbetten zahlte das Bundesamt für Soziale Sicherung von Mitte März 2020 bis Anfang März 2021 rund 686,1 Millionen Euro aus. Bis Ende September erhielten Krankenhäuser hierbei für jedes neue Bett einmalig 50.000 Euro. Laut dem Bericht stellt das Gesundheitsministerium fest, dass es bei der Definition eines Intensivbetts „Interpretationsspielraum“ gab. Daher sei die Zahl der tatsächlich vorhandenen Betten nicht sicher ermittelt worden.

Der Bundesrechnungshof moniert, dass Spahns Ministerium „bis heute nicht in der Lage ist, die Zahl der tatsächlich aufgestellten sowie die der zusätzlich angeschafften Intensivbetten verlässlich zu ermitteln“.

Das BMG rechtfertigt sich damit, dass die Regelungen einen Kompromiss zwischen „notwendiger Schnelligkeit und Effektivität der Förderung einerseits und notwendiger Kontrolle und Steuerung der Mittelverwendung andererseits“ darstellten. Bei intensiveren Kontroll‐ und Steuerungsinstrumenten hätte die Förderung nicht so kurzfristig erfolgen können.

Der Bundesrechnungshof erkennt zwar an, dass unbürokratisch geholfen werden musste. Die „gezielte Steuerung und laufende Kontrolle“ der eingesetzten Mittel müsse jedoch stets gewährleistet bleiben, heißt es. So sollten die Länder verpflichtet werden, sich von den Kliniken Belege vorlegen zu lassen - etwa zur Anschaffung von Zubehör und zu Umbaumaßnahmen. Auch sollten Berichtspflichten gegenüber dem Zahlungspflichtigen gesetzlich verankert werden.

„Geld nicht mit Gießkanne verteilen“

Der Haushaltsexperte und bayerische Landesgruppenchef der FDP-Bundestagsfraktion Karsten Klein übt angesichts des Berichts scharfe Kritik an der Bundesregierung: „Eine Pandemie darf keinen Freifahrtschein für den Umgang mit Steuermitteln bedeuten. Zweifellos muss während einer Pandemie schnell und unbürokratisch gehandelt werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass Geld mit der Gießkanne verteilt wird“, sagte Klein WELT. Hier sei auch die Rolle von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu hinterfragen.

„Kontrollmechanismen, Preisermittlungen und klare Definitionen sind im Umgang mit Steuergeldern nicht zu viel verlangt“, monierte der FDP-Haushaltsexperte. Es wäre fatal, wenn SPD und CDU sich nun im Wahlkampf „mit viel Geschrei“ der Suche nach Schuldigen hingäben, anstatt zu einer sachlichen und transparenten Analyse der Corona-Politik beizutragen. Diese sei aber notwendig, um zu verhindern, dass Fehler wiederholt werden.

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