Gesundheitspolitik:Wenn kleine Kliniken sterben

Gesundheitspolitik: Protest gegen Klinikschließungen vor der Nürnberger Lorenzkirche

Protest gegen Klinikschließungen vor der Nürnberger Lorenzkirche

(Foto: oh)

Trotz Corona wurden auch in Bayern einige Land-Krankenhäuser geschlossen. In Nürnberg demonstriert ein Bündnis für mehr Aufmerksamkeit

Von Dietrich Mittler, München/Nürnberg

Todesanzeigen im Großformat vor der Nürnberger Lorenzkirche - Klaus Emmerich aus dem oberfränkischen Himmelskron war durchaus klar, dass er und seine Mitstreiter vom Bündnis Klinikrettung und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Regensburg damit provozieren. Emmerich, einst Vorstand der Kreiskrankenhäuser Amberg-Sulzbach und jetzt Kopf der Initiative "Schluss mit Kliniksterben in Bayern", baute die "Grabschilder für geschlossene Kliniken" am Dienstag dennoch auf, um die Blicke der Passanten auf die Protestveranstaltung inmitten der Fußgängerzone zu richten - gezielt einen Tag vor der Konferenz der Gesundheitsminister, die an diesem Mittwoch von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) geleitet wird.

"Kreiskrankenhaus Vohenstrauß" steht auf einer der überdimensionierten Todesanzeigen vor der Lorenzkirche. Und: "Geschlossen seit 1. August 2020". Daneben reihen sich weitere solcher Schilder, vor denen jeweils ein Grablicht steht. Emmerich spricht von einem symbolischen "Krankenhausfriedhof". 2019 habe es in Bayern die Akutkrankenhäuser Hersbruck und Waldsassen getroffen, ein Jahr später den Rehabereich in Waldsassen sowie die Akutkrankenhäuser Parsberg, Vohenstrauß und Fürth. "Aktuell begleite ich noch weitere von der Schließung bedrohte Krankenhäuser", sagt Emmerich - darunter das zu den Haßberg-Kliniken gehörende Haus Ebern. Dort ist zumindest die Schließung der Chirurgie beschlossene Sache.

"Vohenstrauß wurde bis zu seinem Ende noch als Covid-Krankenhaus genutzt, um Kapazitäten für das Klinikum Weiden zu schaffen", betont Emmerich. "Ohne die Hilfe der kleinen Krankenhäuser", sagt er, "wären wir gar nicht durch die Pandemie gekommen." Schon deshalb nicht, weil nicht wenige große Häuser aufgrund der vielen Covid-19-Fälle keine weiteren Patienten mehr aufnehmen konnten. "Corona zeigt, dass wir nicht zu viele, sondern zu wenig Krankenhäuser haben", sagt Emmerich. Mit Blick auf die Forderung einiger Gesundheitsberater und der Krankenkassen, bundesweit die Zahl kleiner Kliniken zu reduzieren, gibt er zu bedenken: "Was nützt uns ein hundert Kilometer entferntes Maximalversorgungskrankenhaus bei traumatisch verletzten Patienten, wenn die bis dorthin verblutet sind?"

"Es ist ein Irrtum, dass wir ohne die kleineren Häuser auskommen", meinen auch weitere Teilnehmer der Protestkundgebung. Darunter Angelika Pflaum aus Hersbruck. Mit vielen weiteren Bürgerinnen und Bürgern der mittelfränkischen Kleinstadt hatte sie mit aller Kraft gegen die Schließung des 60-Betten-Hauses angekämpft - vergebens. Ihre Kernaussage: Es bleibt nicht allein bei der Schließung des Krankenhauses, es wandern danach auch Ärzte ab. "Fünf der sieben Belegärzte, die in unserem Krankenhaus tätig waren, haben ihre Praxen verlegt - also weg aus Hersbruck", sagt Pflaum. "Es kam schlimmer, als wir befürchtet hatten", lautet ihr Resümee. Die ärztliche Bereitschaftspraxis, seinerzeit geradezu vorbildlich angesiedelt am Hersbrucker Krankenhaus, gebe es nun auch nicht mehr.

Aus dem Gesundheitsministerium hieß es am Dienstag auf Anfrage: "Klar ist, dass sich die bayerische Krankenhauslandschaft seit geraumer Zeit in einem Prozess der Umstrukturierung befindet." Bereits seit Jahren finde ein kontinuierlicher Strukturwandel statt, der zu einem Abbau stationärer Behandlungskapazitäten geführt habe. Allgemein gelte: "Krankenhäuser werden nicht vom Staat eröffnet oder geschlossen und sind auch keine nachgeordneten Behörden der Staatsverwaltung. Die Entscheidung über Standortschließungen trifft vielmehr der jeweilige Krankenhausträger in eigener Verantwortung."

Gesundheitsminister Holetschek sieht indes keinen Grund zum Pessimismus. "Es ist trotz vereinzelter Schließungen oder Klinikfusionen nicht so, dass es auf Sicht nur noch große Behandlungszentren geben wird", sagte er. Im Gegenteil: Es sei zum Erhalt der Versorgungsstrukturen unentbehrlich, "kleinere Standorte, die eine wichtige Rolle in der wohnortnahen Versorgung spielen, kontinuierlich weiterzuentwickeln".

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