WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Charité-Chef: Klinikfinanzierung setzt „Anreiz, fragwürdige Dinge zu tun“

Deutschland Charité-Chef Kroemer

System der Klinikfinanzierung setzt „Anreiz, fragwürdige Dinge zu tun“

Delta-Variante breitet sich aus – Spahn und Wieler zur aktuellen Corona-Lage

Der Weltärztebund warnt vor einer schnellen Ausbreitung der Delta-Variante auch in Deutschland. Wie RKI-Präsident Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens Spahn die Lage einschätzen und wie die Impfkampagne vorankommt, erfahren Sie hier.

Quelle: WELT

Autoplay
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.
Charité-Chef Heyo Kroemer fordert einen Umbau der Krankenhaus-Finanzierung, hohe Renditeerwartungen im Gesundheitssystem sieht er „generell kritisch“. Dass die Belastung von Intensivstationen derzeit infrage gestellt werde, mache ihn fassungslos.

Charité-Chef Heyo Kroemer hat sich in der Debatte um mögliche Tricksereien bei staatlichen Hilfen für Klinikbetten zu Wort gemeldet – er fordert einen Umbau der Krankenhaus-Finanzierung in Deutschland. „Ein System, das monetär eng gestrickt ist, setzt in Ausnahmesituationen möglicherweise Anreize, fragwürdige Dinge zu tun“, sagte er dem „Spiegel“. Vor allem privat geführte Konzerne stünden unter großem Druck ihrer Aktionäre. Hohe Renditeerwartungen im Gesundheitssystem sehe er „generell kritisch“.

Der Vorwurf, Kliniken hätten bei der Zahl der Intensivbetten möglicherweise geschummelt, um staatliche Hilfen zu erhalten, müsse nach der Pandemie „kritisch aufgearbeitet“ werden, so der Charité-Vorstandsvorsitzende Kroemer. „Diese Vorwürfe gibt es bei der Maskenbeschaffung, bei Teststationen und jetzt bei den Intensivbetten.“ Heute wisse man, dass während der Pandemie nicht überall intensiv kontrolliert wurde. „Aber die Politik musste im vergangenen Frühjahr ja schnell reagieren, weil wir alle Angst vor einer Bergamo-Situation hatten.“

Die umstrittenen staatlichen Ausgleichszahlungen für frei gehaltene Betten mögen „für manche Kliniken das Geschäft ihres Lebens gewesen sein“. Daran zweifle er nicht. Anfangs zahlte der Staat für ein frei gehaltenes Bett täglich 560 Euro. „Großen Universitätskliniken wie uns hat das zwar geholfen, wir haben aber trotzdem Verluste gemacht“, so Kroemer. Nach der Pandemie müsse auch über die Finanzierung von Universitätskliniken gesprochen werden.

Dass die Belastung von Intensivstationen derzeit infrage gestellt werde, mache ihn fassungslos. „Die Lage war ohne Zweifel extrem angespannt, das gilt für die meisten Krankenhäuser in Deutschland, die sich um Covid-Patienten gekümmert haben“, sagte Kroemer. „Zu Anfang waren vor allem sehr alte Menschen bei uns, die sind inzwischen geimpft.“ Derzeit seien mehr als ein Drittel der Covid-Patienten auf den Charité-Intensivstationen jünger als 60. „Das heißt: Aktuell sterben hier Mütter und Väter, die oft sehr lange bei uns waren. Das ist für unsere Leute besonders schlimm.“

Der digitalen Pandemiebekämpfung in Deutschland stellte Kroemer ein vernichtendes Urteil aus. „Wir sind bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems wirklich weit, weit zurück.“ Als Grund nannte er auch fehlenden Veränderungswillen. „Wir alle haben 15 Monate lang in der ‚Tagesschau‘ gesehen, dass die neuesten Infektionszahlen immer wieder nicht stimmten, weil die Behörden am Wochenende nicht gefaxt haben. Ein eklatanter Missstand – einen öffentlichen Aufschrei gab es nicht.“ Ein weiteres Beispiel: „Nach der Impfung bekommt man einen Vermerk in ein kleines gelbes Buch. Den elektronischen Impfnachweis gibt es erst seit dieser Woche, das ist doch zum Schämen.“

Kritik äußerte Kroemer auch an der Corona-Warn-App: „Hätten wir eine vernünftige, verpflichtende Tracking-App gehabt, hätte man vermutlich die Infektionszahlen stärker reduzieren können.“ Das Problem sei aber ein grundsätzliches: „Wer heute in die Charité oder andere Krankenhäuser kommt, verlässt die Klinik noch immer mit einem ausgedruckten Arztbrief.“ Einflussreiche Interessenvertreter hätten mehr Digitalisierung bislang verhindert.

jr

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema