Sorge um Traumaregister: Schadet der EU-Datenschutz dem Gesundheitswesen?

Das Traumaregister sammelt Daten über die Behandlungsverläufe von Schwerverletzten (Symbolbild).

Das Traumaregister sammelt Daten über die Behandlungsverläufe von Schwerverletzten (Symbolbild).

Berlin. Manchmal geht es um Sekunden: Kommt ein Schwerverletzter in die Notaufnahme eines Krankenhauses, muss zügig gehandelt werden. Umso hilfreicher ist es dann, wenn Ärztinnen und Ärzte bei der Versorgung auf bereits gesammelte Daten zurückgreifen können.

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Möglich ist das durch das sogenannte Traumaregister. Seit 1993 werden darin die Behandlungsverläufe von schwer verletzten Patienten gesammelt. Mit diesen pseudonymisierten Daten sollen nicht nur die Qualität der Versorgung gewährleistet und bewertet, sondern auch Erkenntnisse für die weitere Forschung gewonnen werden.

Mehr als 800 Kliniken am Traumaregister beteiligt

Dazu zählen etwa demografische Daten, Informationen über andere Erkrankungen oder die medizinische Versorgung. Mehr als 800 Kliniken beteiligen sich an dem Register, das von der Akademie der Unfallchirurgie betrieben wird. Deutschland nimmt mit rund 650 Einrichtungen eine Vorreiterrolle ein: Fast alle deutschen Krankenhäuser mit einer unfallchirurgischen Abteilung speisen Daten in das Traumaregister ein.

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Doch eine Entwicklung bereitet der Akademie für Unfallchirurgie nun Sorge: Seit 2018 verzeichnet sie einen Rückgang der Daten – zunächst um 6 Prozent, im Jahr darauf sogar um 17 Prozent. Das Auffällige dabei: Im selben Jahr trat die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Die Akademie sieht darin einen Zusammenhang: Die DSGVO bewirke, dass die Gesundheitsdaten in vielen Fällen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn der Patient zustimme, heißt es. „Dies ist jedoch im unfallchirurgischen Alltag mit schwer verletzten und bewusstlosen Patienten oftmals nur schwer umzusetzen.“

Weniger Daten nach DSGVO-Einführung

Mit dieser Einschätzung ist die Akademie nicht alleine: Auch Felix Walcher, designierter Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) bestätigt auf RND-Anfrage, dass aufgrund der DSGVO weniger Daten in das Traumaregister eingetragen würden.

Diese Entwicklung haben auch die Grünen mitbekommen – und eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Darin wollten sie unter anderem wissen, welche Schlüsse die Regierung aus den sinkenden Zahlen ziehe.

Außerdem fragten sie an, inwiefern es „Ausnahmetatbestände“ gebe, bei denen auch ohne vorherige Einwilligung pseudonymisierte Daten gesammelt werden könnten – und ob die Regierung eine Notwendigkeit darin sehe, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um eine „datenschutzkonforme Eingabe pseudonymisierter Daten“ ohne vorherige schriftliche Einwilligung zu ermöglichen.

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Der „enorme Erkenntnissgewinn“ aus der Datenbank des Traumaregisters, heißt es in der Anfrage, sei von „weitreichender Bedeutung“ – insbesondere für die nicht kommerzielle medizinische Forschung.

Was die Bundesregierung dazu sagt

Die Bundesregierung hat mittlerweile reagiert. In ihrer Antwort an die Grünen, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt, räumt sie ein, dass die Einholung einer Einwilligung der Patienten für die Kliniken „vor allem in der Akutsituation der Notfallaufnahme“ ein „zusätzlicher Aufwand“ sei. Eine solche Einwilligung sei aber auch schon vor Inkrafttreten der DSVGO nötig gewesen, heißt es.

Allerdings: Vor dem Hintergrund dieses Problems bedürfe es einer „umfassenden Prüfung, ob und inwieweit gesetzlicher Anpassungsbedarf für das Traumaregister“ bestehe. Dabei seien zunächst Lösungen „auf Basis des bestehenden Rechts“ zu prüfen. Gleichzeitig wird jedoch auf eine Schwierigkeit verwiesen: Die Datenverarbeitung, heißt es in der Antwort, richte sich mitunter nach Landes- und nicht nach Bundesrecht.

Grünen-Politiker Dahmen fordert Rechtssicherheit

Janosch Dahmen, Grünen-Abgeordneter im Bundestag und von Beruf selbst Arzt, übt Kritik an der Antwort. „Es ist bezeichnend, dass die Bundesregierung tatenlos Unsicherheiten über die Rechtslage wichtiger medizinischer Register einfach hinnimmt“, sagte er dem RND.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse nun Verantwortung übernehmen und „schnell bei allen Beteiligten“ für Rechtssicherheit sorgen, um die „für nicht-kommerzielle Forschung und Qualitätssicherung erforderlichen Daten“ auch weiter in medizinische Datenbanken wie das Traumaregister zu übermitteln.

Menschen müssten sich darauf verlassen können, nach einem Unfall bestmöglich versorgt zu werden, so der Grünen-Politiker. Und weiter: „Gute Versorgung kann es nur mit kontinuierlicher Forschung und funktionierender Qualitätssicherung geben“. Und das Traumaregister sei das zentrale Instrument dafür. „Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das Register gut arbeiten kann.“

RND

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