Kurz vor Weihnachten gab die Hamburger Pflegerin Romana Knezevic dem NDR ein Interview. Sie erzählte von völlig überlastetem Personal auf den Intensivstationen, von Kollegen, die putzen müssten, statt sich um Patienten zu kümmern. Von Menschen, die beim Sterben allein gelassen würden.  

Ihr Arbeitgeber, der Klinikkonzern Asklepios, widersprach diesen Darstellungen und wollte der Pflegerin kündigen. Die Empörung, die darauf folgte, war groß. Pflegekräfte sahen in der Kündigung einen Einschüchterungsversuch, nach dem Motto: Wer sich beschwert, fliegt raus. Aus ganz Hamburg – von Kulturschaffenden bis hin zur Stadtreinigung – kamen Solidaritätsbekundungen.

Asklepios hat vor allem sich selbst geschadet

Doch nun zieht Asklepios die Kündigung zurück. Das ist richtig – und klug. Hamburgs größter Klinikkonzern war in einen Kampf gezogen, den er von Anfang an nicht gewinnen konnte. Geschadet hat Asklepios am meisten sich selbst.

Als Betriebsrätin ist es Knezevics Aufgabe, Missstände anzuprangern. Das Arbeitsrecht sieht einen besonders hohen Kündigungsschutz für Betriebsräte vor, damit sie sich nicht einschüchtern lassen. Doch mit der versuchten Kündigung signalisierte Asklepios: Auch eine Position im Betriebsrat schützt Kritiker nicht. Damit nahm der Konzern eine weitere Eskalation in Kauf – und die Aussicht auf einen womöglich jahrelangen Rechtsstreit.

Bevor einem Betriebsratsmitglied gekündigt werden kann, muss der restliche Betriebsrat zustimmen, was er in Knezevics Fall verweigert hat. Daraufhin rief Asklepios das Hamburger Arbeitsgericht an. Dort kann ein Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats durch einen Gerichtsbeschluss ersetzen lassen. Zustimmungsersetzungsverfahren heißt das im Beamtendeutsch. Erst dann ist die Kündigung überhaupt wirksam. Ab diesem Zeitpunkt kann die Betroffene gegen die Kündigung vor Gericht ziehen, wenn nötig durch alle Instanzen. Der Streit hätte sich bis zu zwei Jahre hinziehen können, schätzen Arbeitsrechtler. Und am Ende wäre Asklepios womöglich von höchstrichterlicher Stelle Unrecht beschieden worden.

Da ist es schlauer, sich gleich als der Klügere, der nachgibt, in Szene zu setzen. "Unser aller Anliegen ist es, das wichtige Berufsbild der Pflege zu stärken", heißt es bei Asklepios. Hinter dieser vornehmen Formulierung liegt wohl die Erkenntnis, dass der Konzern – auch wenn er sich vor Gericht durchgesetzt hätte – am Ende der Verlierer gewesen wäre.

Denn mit jedem Verfahrenstag hätte sich Asklepios selbst weiter Schaden zugefügt. Der Streit um die Kündigung hat der Hamburger Krankenhausbewegung, einem Zusammenschluss von Pflegekräften, Aufwind gegeben: In einer Onlinepetition sammelten sie mehr als 10.000 Unterschriften gegen Knezevics Kündigung und für bessere Arbeitsbedingungen. Vor dem ersten Gerichtstermin organisierten sie eine wochenlange Mahnwache vor dem Klinikum in St. Georg, wo Knezevic arbeitet. Eine für Asklepios nicht gerade imagefördernde Kampagne in zentraler Lage.