Immer mehr Vordrängler beim Impfen – Klinikmitarbeiter: Impfstoff „unter der Hand“ vergeben

Eine Spritze ist an eine Ampulle mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca gelehnt - manche Personen wurden von der Liste der Impflinge gestrichen. © picture alliance/dpa/APA
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Immer mehr Betrugsversuche von Medizinern, die versuchen, sich selbst und ihre Angehörige beim Impfen vorzudrängeln, kommen jetzt ans Licht. Auch in Bochum gibt es jetzt solche Fälle.

Wie die WAZ berichtet, sind in den Augusta-Kliniken Bochum zum Impfstart für das medizinische Personal Führungskräfte ohne Patientenkontakt und sogar „betriebsfremde Personen“ geimpft worden. Das habe auch die Klinik eingeräumt.

Mitglieder der erweiterten Führungsebene des Hauses sowie ein Elternteil und ein Ehemann von Beschäftigten in der Augusta-Chefetage erhielten nach WAZ-Informationen den Impfstoff von Biontech in der Zeit vom 18. bis 20. Januar. Keine dieser Personen war zu diesem Zeitpunkt impfberechtigt. Augusta-Mitarbeiter werfen der Krankenhausleitung in einem anonymen Schreiben an die WAZ „klüngelhaftes Verhalten“ vor. Der Impfstoff werde quasi „unter der Hand“ vergeben.

Auch Ärzte in Essen haben Familienmitglieder impfen lassen

Auch niedergelassene Ärzte in Essen haben laut der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) versucht, widerrechtlich Familienmitglieder mit in das Impf-Programm für ihre Praxen zu bekommen. Das geht aus einer E-Mail des Vorsitzenden der Kreisstelle Essen der KV Nordrhein, Ralph-Detlef Köhn, hervor, aus der am Donnerstag die „Westdeutsche Allgemeine“ (WAZ) zitierte.

Wie die Zeitung berichtete, organisiert Köhn derzeit die Corona-Schutzimpfung für die rund 1300 niedergelassenen Ärzte in Essen sowie deren Angestellte. Die Unregelmäßigkeiten seien dem in Essen praktizierenden Internisten bei der Sichtung der Anmeldungslisten aufgefallen. Köhn bestätigte der dpa die Angaben der Zeitung.

Ärzte gaben Angehörige als Mitarbeiter an

Mit einer Mischung aus Ironie und Ernsthaftigkeit schrieb Köhn in der Mail laut WAZ: „Wir haben mit großer Freude feststellen können, wie viele Ehepartner, Schwiegereltern, ganze Familien offenbar in Euren Praxen beschäftigt sind.“ Und weiter: „Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kontrollieren, aber Ihr solltet berücksichtigen, dass diese Liste an die KV, die Stadt, das Impfzentrum etc. geht und auch von vielen Kollegen eingesehen wird.“

Der Zeitung sagte Köhn: „Sie haben in jeder gesellschaftlichen Gruppe, also auch unter Ärzten, einige, die sich nicht an die Regeln halten.“ Gleichwohl enttäusche ihn der Versuch, Familienangehörige bevorzugt in das Impfprogramm zu bekommen, indem man sie als Praxis-Angehörige ausgebe. „Ich hätte eigentlich erwartet, dass so etwas unter Ärzten gar nicht vorkommt.“

Entsprechende Personen aus der Liste der Impflinge gestrichen

In „vielleicht zehn“ Fällen habe er dann schließlich eingegriffen, sagte Köhn der „WAZ“. „Wir haben die entsprechenden Personen dann diktatorisch aus der Liste der Impflinge gestrichen.“ Zu den 1300 niedergelassenen Ärzten kommen nach Schätzungen von Köhn noch rund 4800 Praxis-Angehörige, die sich in diesen Tagen impfen lassen können.

Nach Angaben der KVNO-Zentrale koordinieren die Kommunen die Impfungen der niedergelassenen Ärzte und des Praxispersonals. Die KV stellten dafür den Kommunen Verzeichnisse zur Verfügung, sagte ein Sprecher in Düsseldorf. Die Impfungen würden dann in den Impfzentren vorgenommen. Geimpft werde der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca.

dpa/kar

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