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Sieben Corona-Todesfälle in bayerischer Klinik? Task Force belastet Krankenhaus schwer

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Ein Krankenhaus, Mitarbeiter in Schutzanzügen
In einem bayerischen Krankenhaus starben Menschen an Corona - jetzt gibt es schwere Vorwürfe. (Symbolbild) © Armando Franca/dpa/dpa-Bildfunk

Eigentlich werden im Friedberger Krankenhaus keine Corona-Fälle behandelt. Trotzdem hat sich das Virus dort verbreitet, einige Menschen starben. Jetzt gibt es schwere Vorwürfe.

Friedberg - Eigentlich werden im Friedberger Krankenhaus nahe Augsburg* keine Corona*-Fälle behandelt. Doch Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) sollen zeigen, dass sieben Menschen gestorben sind, nachdem sie sich wohl in der Klinik infiziert haben. Das Landesamt für Gesundheit sieht demnach massive Versäumnisse - unter anderem am Umgang der Klinik mit den Infektionen. Möglicherweise habe auch das Personal zur Ausbreitung des Virus beigetragen.

Corona-Fälle an Friedberger Klinik: Erste Fälle schon im November

„Einen Tag nach der Operation hat er mich angerufen. Er hat gesagt, dass es ihm gut geht. Er hätte nur ein bisschen Husten.“ Das war das letzte Mal, dass Kerstin M. von ihrem Schwiegervater gehört hat, wie der BR berichtet. Der 80-Jährige wurde wegen Darm-Beschwerden operiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Coronavirus* im Friedberger Krankenhaus bereits verbreitet - obwohl dort eigentlich keine Corona-Fälle behandelt werden. Laut dem Bericht kam es spätestens seit dem 11. November in der Klinik zu Corona-Fällen. Und schon Mitte November traten wohl erste nosokomiale Infektionen auf - also Fälle, bei denen sich Menschen im Krankenhaus mit dem Coronavirus* infiziert haben.

Sieben Tote nach Corona-Fällen in Friedberger Krankenhaus: Task Force-Bericht belastet Klinik

Dem BR liegt exklusiv ein interner Zwischenbericht der Task Force des Landesamtes für Gesundheit vor. Diese untersucht das Geschehen in der Klinik. Darin heißt es, in dem Friedberger Krankenhaus bestehe „keine gesetzeskonforme Überwachung“ nosokomialer Infektionen. Der Bericht soll weiter zeigen, dass der Task Force bei einem Besuch Ende Januar „keine genauen Daten durch die Klinikhygiene“ geliefert werden konnten. Demnach sei die Hygienefachkraft, die dauerhaft in der Klinik angestellt ist, nach eigener Aussage mit der Situation überfordert.

Die Hygienefachkraft habe im November letztmals eine Begehung der Klinik durchgeführt. „Es bestehen keinerlei Aufzeichnungen zu nosokomialen Infektionen, die Bewertung hatte augenscheinlich den Focus, andere – nicht mit dem Klinikaufenthalt oder der Tätigkeit in der Klinik verbundene – Gründe für Infektionen mit SARS-CoV-2* zu finden“, heißt es im Zwischenbericht der Task Force, der dem BR exklusiv vorliegt.

Nach Corona-Fällen: Schwere Vorwürfe an Klinik - Maßnahmen zu spät eingeleitet?

Die Task Force beschreibt laut BR als Beispiel den Fall einer mit Corona infizierten Ärztin. Als Begründung für ihre Infektion sei angeführt worden, dass sie Kinder habe. Eine Überprüfung des Sachverhalts, also zum Beispiel ob die Kinder positiv getestet wurden, habe aber nicht stattgefunden. Auch eine Prüfung, ob die Frau sich in der Klinik angesteckt haben könnte, blieb dem Bericht zufolge aus.

Dieses Fallbeispiel sei nur eines von vielen. Notwendige Maßnahmen seien zu spät eingeleitet worden. Beim Besuch der Task Force Ende Januar sei das Krankenhaus auf die gesetzlichen Verpflichtungen hingewiesen worden. „Die unverzügliche personelle Verstärkung der Klinikhygiene wurde dringend angemahnt“, zitiert der BR. Die Geschäftsleitung des Krankenhauses wollte sich zu den nosokomialen Infektionen nicht äußern. Beim zuständigen Gesundheitsamt wurde ebenfalls spät auf die steigenden Infektionen reagiert, wie BR-Recherchen zeigen sollen.

Hygienisch Mängel? Schwere Vorwürfe an Friedberger Klinik nach Corona-Fällen

Wie das Portal weiter berichtet, konnte das Virus sich offenbar auch durch hygienische Mängel ausbreiten. In dem Bericht der Task Force heiße es demnach, dass zum Beispiel FFP2-Masken* nicht sachgemäß gelagert wurden, Desinfektionsmittel für die Hände nicht eindeutig gekennzeichnet gewesen seien und Anweisungen für die notwendige Einwirkzeit gefehlt hätten. Auch sei Kot nicht ausreichend beseitigt worden.

Möglicherweise hat sogar das Personal zur Ausbreitung beigetragen, wie der BR unter Berufung auf den Task Force-Bericht schreibt. So hätten die Mitarbeiter in den Pausen keine Masken getragen. Außerdem hätten Schichtwechsel in „deutlich zu großen Gruppen“ stattgefunden, wie es im Zwischenbericht heißt.

Corona-Fälle in Klinik nahe Augsburg: Interne Dokumente zeigen wohl Versäumnisse

Andere interne Dokumente, die dem BR exklusiv vorliegen, zeigen außerdem, dass eine Dienstanweisung zum Umgang mit Corona-Fällen am Krankenhaus erst am 12. Januar herausgegeben wurde. Kritik dafür gab es demnach vom Landesamt für Gesundheit: Die Dienstanweisung sei „sehr knapp gehalten“, zahlreiche Ergänzungen wurden angemerkt. Krankenhaus und Gesundheitsamt wollten sich nicht dazu äußern.

Kerstin M. erfährt im Dezember nichts von den Vorfällen. Knapp eine Woche nach der OP ihres Schwiegervaters will sie ihn im Krankenhaus anrufen. Von der Station bekommt sie zunächst die Antwort, dass er nicht mehr im Krankenhaus sei. Sie fragt nach:„Das Krankenhaus hat am Anfang nur rumgedruckst. Dann kam raus, dass seine Entzündungswerte nach oben geschnellt sind. Der Bauch wurde nochmal aufgeschnitten. Aber da war alles ok. Dann wurde festgestellt, dass es von der Lunge kommen könnte“ Ein PCR-Test* sei dann positiv gewesen: „Mein Schwiegerpapa hatte Corona“, erzählt sie dem BR. Tage später war der Mann tot.

Video: Corona regional - Das Update für Bayern

Corona-Fälle in Friedberger Klinik: Medienbericht zeigt Versäumnisse - Klinik mit Stellungnahme

Hubert Mayer, Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, erklärt gegenüber dem BR, dass die räumliche und personelle Trennung von Infizierten, Verdachtsfällen und Gesunden geschehen sei. Wie das Portal berichtet, lassen die Erzählungen von Betroffenen daran aber Zweifel aufkommen. Eine Angehörige hatte berichtet, dass ihr Vater zu einem schwer hustenden Patienten in ein Zimmer gebracht wurde. Er hatte Corona und steckte seinen Zimmergenossen an, der Mann starb.

Kerstin M. hat mittlerweile einen Anruf von dem Mann erhalten, der mit ihrem verstorbenen Schwiegervater im Zimmer lag. „Er konnte es kaum glauben, dass mein Schwiegervater verstorben ist.“ Eigentlich hätte er es aber erfahren müssen, denn als Zimmernachbar war er Kontaktperson ersten Grades. Doch weder vom Krankenhaus noch vom Gesundheitsamt habe sich jemand bei dem Mann gemeldet, wie der BR berichtet. (kam) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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