Zusammenfassung
Hintergrund
Entsprechend gesetzlicher Vorgaben entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die Aufnahme neuer Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden in den GKV-Leistungskatalog (Gesetzliche Krankenversicherung) auf Grundlage der bestverfügbaren Evidenz. Sofern der Nutzen hinreichend sicher belegt ist, kann eine neue Methode in den Leistungskatalog aufgenommen werden, andernfalls ist eine Erprobungsstudie durchzuführen.
Fragestellung
Das Ziel der Arbeit ist die Darstellung der Entscheidungsoptionen des G‑BA auch bei unzureichender Evidenzlage für den Bereich Urologie.
Material und Methoden
Auf der Homepage des G‑BA wurde eine Recherche nach den Beschlüssen zu Beratungsverfahren im Bereich Urologie der letzten 10 Jahre durchgeführt. Es werden die jeweiligen Beschlüsse im Lichte der jeweils verfügbaren Entscheidungsoptionen dargestellt.
Ergebnisse
Am Beispiel der Beratungen zur LDR-Brachytherapie („low dose rate“) beim lokal begrenzten Prostatakarzinom wird das jahrelange, letztlich vergebliche Bemühen um eine Verbesserung der Evidenzlage für eine innovative Methode dargestellt.
Diskussion
Im Vergleich zur Entwicklung von Leitlinien kann beispielsweise der G‑BA nur Ja/nein-Entscheidungen treffen und muss dafür die vorgefundene, oft unzureichende Datenlage akzeptieren, oder (muss) versuchen, die Datenlage durch die Initiierung einer eigenen Studie zu verbessern. Letzteres ist besonders schwierig, wenn es sich um bereits in der Praxis etablierte Methoden handelt. Eine besondere Herausforderung stellen neue, besonders invasive Methoden im Krankenhausbereich dar, die vom G‑BA bewertet und ggf. erprobt werden müssen. Inwiefern das gelingt, ist derzeit noch nicht absehbar.
Abstract
Background
In accordance with legal requirements, the Federal Joint Committee (German: Gemeinsamer Bundesausschuss, G‑BA) decides based on the best available evidence which new diagnostic and treatment methods are reimbursed by statutory health insurance. If the benefit is proven with sufficient certainty, statutory health insurance providers pay for the new method, otherwise a trial study must be conducted.
Objectives
To present the G‑BA’s decision-making options even in the case of insufficient evidence in the field of urology.
Materials and methods
A document search was conducted on the homepage of the G‑BA for the decisions about method evaluation and quality assurance in the field of urology of the last 10 years. The respective decisions are presented in the light of the decision options available in each case.
Results
Using the example of the debate on low-dose rate brachytherapy for localised prostate cancer, the years-long, ultimately futile, effort to increase the evidence base for an innovative method is presented.
Conclusion
Compared to the development of guidelines, for example, the G‑BA can only make dichotomous yes/no decisions and has to accept the often insufficient evidence situation, or (has to) try to increase the evidence base by initiating its own study. The latter is particularly difficult when specific methods are already established in routine care. A particular challenge is posed by new, especially invasive methods in the hospital sector, which has to be evaluated (benefit assessment) and, if necessary, tested by the G‑BA with a trial study. To what extent this will succeed in the future is not yet foreseeable.
Literatur
Albers P (2016) Was ist für die Zukunft abzuleiten? Dtsch Arztebl 113:2318–2319
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-Ba) (2020) Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Behandlung mit interstitieller LDR-Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinommit niedrigem Risikoprofil. https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4476/2020-09-17_QS-Ma%C3%9Fnahmen_LDR-Brachytherapie.pdf. Accessed
Gottberg A, Bühler D, Egger B (2021) Der Gemeinsame Bundesausschuss als Motor für die Initiierung klinischer Studien? Eine kritische Analyse. Gesundh Sozialpolitik 74:14–20
Gottberg A, Wiegel T, Stöckle M (2013) Klarheit für Wahl der geeigneten Therapie schaffen. Dtsch Arztebl 110:877–878
Institut Für Qualität Und Wirtschaftlichkeit Im Gesundheitswesen (Iqwig) (2010) Interstitielle Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom – Update; Rapid Report; Auftrag N10-01. https://www.iqwig.de/download/N10-01_Rapid_Report_Brachytherapie_beim_Prostatakarzinom.pdf. Zugegriffen: 8. Juni 2020
Institut Für Qualität Und Wirtschaftlichkeit Im Gesundheitswesen (Iqwig) (2007) Interstitielle Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom; Abschlussbericht; Auftrag N04-02. https://www.iqwig.de/download/N04-02_Abschlussbericht_Brachytherapie.pdf. Zugegriffen: 8. Juni 2020
Institut Für Qualität Und Wirtschaftlichkeit Im Gesundheitswesen (Iqwig) (2018) Interstitielle Low-Dose-Rate-Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom; Rapid Report; Auftrag N17-04. https://www.iqwig.de/download/N17-04_Brachytherapie-beim-Prostatakarzinom_Rapid-Report_V1-0.pdf. Zugegriffen: 8. Juni 2020
Institut Für Qualität Und Wirtschaftlichkeit Im Gesundheitswesen (Iqwig) (2019) Patienteninformation zur interstitiellen Low-Dose-Rate-Brachytherapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom – Addendum zum Auftrag N17-04; Auftrag P19-02. https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/gesundheitsinformation/p19-02-patienteninformation-zur-interstitiellen-low-dose-rate-brachytherapie-beim-lokal-begrenzten-prostatakarzinom-addendum-zum-auftrag-n17-04.12348.html. Zugegriffen: 8. Juni 2020
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) (2019) Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms: Langversion 5.1. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Prostata_5_0/LL_Prostatakarzinom_Langversion_5.1.pdf. Zugegriffen: 8. Juni 2020
Wiegel T, Albers P, Bussar-Maatz R et al (2013) PREFERE—the German prostatic cancer study: questions and claims surrounding study initiation in January 2013. Urologe A 52:576–579
Zylka-Menhorn V (2016) Statt Meilenstein ein Desaster. Dtsch Arztebl 113:2314–2316
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
R.C. Lorenz, D. Lerch, M. Perleth und M. Lelgemann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Lorenz, R.C., Lerch, D., Perleth, M. et al. Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses bei unzureichender Datenlage. Urologe 60, 465–471 (2021). https://doi.org/10.1007/s00120-021-01481-0
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00120-021-01481-0