PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 10.03.2021 Rekordausgaben für Kliniken und Ärzte – 6,2 Mrd. Euro Minus für die GKV

GKV-Spitzenverband

Portrait von Frau Dr. Doris Pfeiffer, der Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes.

Dr. Doris Pfeiffer

Die Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im vergangenen Jahr war geprägt von deutlichen Ausgabensteigerungen in zentralen Leistungsbereichen, aber teils auch von Ausgabenrückgängen, etwa im Bereich der Früherkennung, die unter Versorgungsgesichtspunkten beunruhigend sind.

Dazu erklärt Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes:

„Die gesetzliche Krankenversicherung hat Wort gehalten und in der Corona-Pandemie nicht nur alles medizinisch Notwendige finanziert, sondern auch für eine Stabilisierung der Versorgungsstrukturen gesorgt. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich in der Krise bewährt und die flächendeckende Versorgung der Menschen sichergestellt.

Von den niedergelassenen Ärzten über die Kliniken bis hin zu Hebammen und Heilmittelerbringern stiegen die Ausgaben teils deutlich. Sorge bereitet mir, dass die Ausgaben für Früherkennungsmaßnahmen gesunken sind. Ich appelliere dringend an alle Versicherten, die Vorsorgeangebote der gesetzlichen Krankenversicherung auch in Corona-Zeiten wahrzunehmen.

Die Ausgaben der Krankenkassen sind allerdings schneller gestiegen als die Einnahmen, sodass die gesetzliche Krankenversicherung das vergangene Jahr 2020 mit einem Minus von 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen hat. Das ist ein Alarmsignal.

Für dieses Jahr bin ich noch optimistisch, dass die Zusatzbeitragssätze nicht weiter angehoben werden müssen. Möglich wird das vor allem durch das weitere Abschmelzen der Reserven der Krankenkassen. So müssen die Krankenkassen in diesem Jahr allein acht Milliarden Euro aus ihren Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen, damit dieser seine laufenden Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann. Und der Bund leistet hierfür ergänzend einen einmaligen zusätzlichen Bundeszuschuss in Höhe von fünf Milliarden Euro. Allerdings bleibt der Pandemieverlauf auch für dieses Jahr die große Unbekannte.

Für das kommende Jahr zeichnen sich große finanzielle Herausforderungen ab. Da der Extra-Bundeszuschuss einmalig war und die Rücklagen sowohl der Krankenkassen als auch des Gesundheitsfonds zum großen Teil in diesem Jahr aufgebraucht werden, entsteht im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich. Wer im nächsten Jahr stabile GKV-Finanzen haben möchte, muss jetzt die Weichen für eine adäquate Finanzierung stellen. Leistungskürzungen sollten im Interesse der Patientinnen und Patienten tabu sein, auf der anderen Seite wären höhere Beiträge kein gutes Zukunftssignal für den notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung. Deshalb wäre ein dauerhaft erhöhter Bundeszuschuss der richtige Schritt. Die Bundesregierung ist gefordert, in der Haushaltsplanung entsprechende Mittel einzuplanen.“

Krankenhauseinnahmen plus 14 Prozent

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die Krankenhäuser stiegen im Jahr 2020 auf 81,5 Milliarden Euro. Hinzu kamen rund 700 Millionen Euro für zusätzliche Intensivbetten sowie vom Bund 9,4 Milliarden Euro an sogenannten Freihaltepauschalen, also Ausgleichszahlungen für Klinikbetten, die als Reserve für Corona-Patienten gezielt nicht belegt wurden oder aufgrund abgesagter oder verschobener Eingriffe frei geblieben sind. Insgesamt erhielten die Kliniken im vergangenen Jahr 91,64 Milliarden Euro, also rund 14 Prozent mehr als 2019 (80,3 Mrd. Euro). Gleichzeitig ist die Anzahl der Behandlungsfälle von 19,2 Millionen im Jahr 2019 um rund 13 Prozent auf 16,8 Millionen im vergangenen Jahr gesunken. Im Jahresdurchschnitt waren rund 4 Prozent der Intensivkapazitäten in den deutschen Kliniken mit Corona-Patienten belegt.

Niedergelassene Ärzte plus 7 Prozent

Die niedergelassenen Ärzte sind von der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Finanzierung zusätzlicher pandemiebedingter Aufwände und die Fortzahlung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung in der Corona-Pandemie umfassend gestützt worden. Im Ergebnis stiegen die Ausgaben für ärztliche Behandlungen um 7,3 Prozent auf 44,0 Milliarden Euro (2019: 41,1 Milliarden Euro). Gleichzeitig ist die Zahl der Patienten zurückgegangen – allein im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um rund 7 Prozent von 299,3 Mio. auf 277,3 Mio. kurativ-ambulante Fälle (Zahlen für das zweite Halbjahr liegen noch nicht vor).

Früherkennung minus 2,8 Prozent

Von der Darmkrebsfrüherkennung über Kinderuntersuchungen bis hin zum Hautkrebsscreening finanzieren die gesetzlichen Krankenkassen ein umfangreiches Paket an Früherkennungsmaßnahmen. Die Ausgaben dafür sind von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 um 2,8 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro gesunken.

Gemeinsame Verantwortung

„Die gesetzliche Krankenversicherung stellt die Versorgung von 73 Millionen Menschen sicher und sorgt insgesamt für eine flächendeckende Versorgungsstruktur. Diese Versorgungsstrukturen für die Zukunft zu sichern und zu modernisieren, muss das gemeinsame Ziel von Politik und Selbstverwaltung sein“, so Pfeiffer.

Hintergrund zum Defizit

Das Defizit 2020 der gesetzlichen Krankenversicherung setzt sich aus einem Minus beim Gesundheitsfonds in Höhe von 3,582 Mrd. Euro sowie dem Krankenkassen-Defizit in Höhe von 2,654 Mrd. Euro zusammen. Insgesamt kommt die gesetzliche Krankenversicherung somit im Jahr 2020 auf ein Defizit in Höhe von 6,236 Mrd. Euro.

Grafiken zur amtlichen Statistik KV 45, 1.–4. Quartal 2020