Freisinger Klinikum:Unter Wert verkauft

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Seit einem guten halben Jahr arbeitet eine Task Force zusammen mit einem externen Beraterunternehmen an einer Strategie, mit der das Krankenhaus seine Potenziale besser ausschöpfen können soll.

Von Peter Becker, Freising

Das Freisinger Klinikum verkauft sich unter Wert, schöpft sein Potenzial nicht aus. Wie das zu ändern sei, damit beschäftigt sich seit einem guten halben Jahr eine Task Force, die zusammen mit einem externen Beraterunternehmen eine Medizinstrategie entwickeln soll. Einen ersten Zwischenstandsbericht gab es am Donnerstag im Kreistag. Den Beratern war bei ihrer Analyse der in allen Bereichen niedrige Casemixpunkte-Index aufgefallen. Nach diesem richten sich die Einkünfte eines Krankenhauses.

Schere zwischen Kosten und Erlösen klafft auseinander

Die Entwicklung in den Jahren 2016 bis 2019 zeigt, dass die Schere zwischen Erlösen und Kosten immer weiter auseinanderklaffte. Mögliche Gründe dafür sehen die Berater in der Notaufnahme und der häufigen Abmeldung der Intensivstation. Was beispielsweise dafür sorgte, dass Rettungswagen mit Notfällen Kliniken in der Region ansteuerten, aber nicht Freising.

Die Berater sehen den Aufbau einer Überwachungsstation als Schnittstelle zwischen Intensiv- und Normalstation sowie die Optimierung der Notaufnahme als dringend notwendig an. Hier sollten erste Projektschritte initiiert werden. "Viele Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten sind weggebrochen", sagte Simon Machnik, Seniormanager der Beratungsfirma Oberender. Neue Partner müssten gefunden werden, um mehr stationäre Patienten zu gewinnen.

"Kooperieren statt konkurrieren"

Für die Niedergelassenen als auch für andere Kliniken gilt: kooperieren statt konkurrieren. Das Klinikum müsste sich intensiver um Fördermittel bemühen. So bietet das Krankenhauszukunftsgesetz einen Fördertopf für Digitalisierung. Und, was Wunder: Die Attraktivität des Arbeitsplatzes soll für eine nachhaltige Personalakquise sorgen. Elementare Bedeutung kommt den Beratern zu Folge der Bereitstellung von günstigem Wohnraum zu.

Mit Blick auf die Wettbewerbssituation halten die Berater es für sinnvoll, das Portfolio des Klinikums zu erweitern, etwa um Altersgeriatrie, interventionelle Radiologie oder multimodale stationäre Schmerztherapie. In anderen medizinischen Bereichen wie Urologie oder Neurologie biete sich die Zusammenarbeit mit niedergelassen Ärzten an. Manche Spektrumserweiterung wie Thoraxchirurgie oder Pneumologie ginge nur in Kooperation mit dem Klinikum Rechts der Isar. Ein großes Potenzial sehen die Berater vor allem in der Etablierung des Klinikums als Zentrum für Altersmedizin zur wohnortnahen Versorgung der Freisinger Bevölkerung.

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In einer Sondersitzung will sich der Freisinger Kreistag mit den Umständen der überraschenden Trennung von Geschäftsführer Andreas Holzner beschäftigen. Sorgen bereitet auch der hohe Einnahmeverlust in Höhe von 2,5 Millionen Euro.

Von Peter Becker

Kreistag plant eine weitere Sondersitzung

In jedem Fall geht es darum, den Casemix-Index wieder zu erhöhen. Wirtschaftliche Berechnungen blieben bislang außen vor. Diese wollen die Berater bis zur Sommerpause abgeschlossen haben. Sehr wahrscheinlich widmet der Kreistag dann eine Sondersitzung dem Freisinger Krankenhaus.

Albert Schindlbeck (Linke) argwöhnte, dass die Berater das Klinikum attraktiv für Investoren gestalten möchten. "Ich will aber ein attraktives für die Bediensteten", forderte er. Landrat Helmut Petz (FW) versicherte, dass Gewinnstreben nicht im Vordergrund stehe, wenn das Krankenhaus zukunftsfähig gemacht werden soll. Auch Manuel Mück (CSU) widersprach Schindlbeck. "Die gehen nicht heuschreckenartig durch das Krankenhaus", schilderte er seinen Eindruck von den Beratern. "Die haben intensive Gespräche geführt." Mück will eine Abwanderung von Patienten nach München verhindern. Petz kann sich beispielsweise eine Kooperation mit dem Erdinger Krankenhaus vorstellen, um beide in der Region zu stärken.

"Erst die Diagnose, dann die Therapie"

Peter Warlimont (SPD) riet dazu, gegenüber den Beschäftigten die Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, etwa durch das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum. "Das wird Geld kosten, und das müssen wir in die Hand nehmen." Birgit Mooser-Niefanger (FSM) sagte, beim Klinikum müsste zunächst die Diagnose gestellt werden, um anschließend die Therapie festzulegen. Es müsse in jedem Fall eine Kreistagssitzung zum Klinikum stattfinden, wenn die Finanzierung geklärt sei.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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