Gesundheit ist im Föderalismus kleinteilig, aber nahe bei den Menschen.
Gesundheit ist im Föderalismus kleinteilig, aber nahe bei den Menschen.
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Gesundheitsversorgung

Kommunale Macht für die Gesundheit

Der deutsche Föderalismus steht unter Druck. Weil immer weniger Bürger das komplizierte Kompetenzgeflecht zwischen Bund und Ländern verstehen, fordern sie in Umfragen mehr Machtkonzentration. Nach der Bildungspolitik trifft es jetzt die Gesundheitspolitik. Was wird aus der kommunalen Daseinsvorsorge nach Corona?

Die kommunale Gesundheitsversorgung steht in den nächsten Jahren insbesondere vor fünf zentralen Herausforderungen: Die Digitalisierung führt zu einer Vernetzung und besseren Zusammenarbeit von Leistungserbringern und einer stärkeren Einbindung von Patienten und ihren Angehörigen. Sektorenübergreifende Versorgung: Chronisch kranke und multimorbide ältere Patienten brauchen eine patientenzentrierte, sektorenübergreifend integrierte Versorgung. Der demografische Wandel führt zu einem Anstieg älterer und multimorbider Patienten. Der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal und veränderte Anforderungen an Arbeitsbedingungen führen zu multiprofessionellen Teams, einer stärkeren Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten, aber auch zu einer zunehmenden Verdichtung von Arbeit. Der Abbau von Betten und Häusern, eine verstärkte Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser und der regionale Strukturwandel führt zu Ängsten in der Bevölkerung.

Krankenhaus oft größer Arbeitgeber

Den Krankenhäusern geht es wie dem deutschen Mittelstand. Obwohl die kleinen und mittleren Betriebe für fast 60 Prozent der Arbeits- und mehr als 80 Prozent der Ausbildungsplätze verantwortlich sind, stehen nicht sie, sondern die großen börsennotierten Konzerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aus Sicht der Bürger sowie der Mitarbeiter findet Gesundheit lokal und regional statt. Betroffen vom Wandel sind vor allem Krankenhäuser und Ärzte auf dem Land jenseits der großen Städte und Ballungsgebiete. Kliniken im ländlichen Raum haben im Unterschied zu Häusern in den Städten eine übergeordnete Bedeutung. Gesundheitspolitik ist hier immer auch Strukturpolitik.

Das Krankenhaus ist oft größter Arbeitgeber und stärkster Wirtschaftsfaktor. Die kleineren Häuser unter 200 Betten sind leicht überrepräsentiert. Die öffentlichen Krankenhäuser bilden mit 40 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von den privaten mit 34 Prozent und den freigemeinnützigen Häusern, die ein gutes Viertel ausmachen. Krankenhäuser in ländlichen Regionen haben eine erhebliche Bedeutung für die lokale Wertschöpfung und weitere Regionalentwicklung.

Längerfristige bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung

Ein interessantes internationales Vorbild sind die „Community Health Centers“ in den USA, Kanada, Österreich und Skandinavien. Dort wird eine Primärversorgung garantiert, verschiedene Gesundheitsberufe arbeiten in einem Team zusammen und es findet eine Verzahnung von präventiven Leistungen, Gesundheitsförderung, Behandlung akuter und langfristige Versorgung chronischer Erkrankungen, Rehabilitation und Pflege statt.

Für eine flächendeckend hochwertige medizinische Versorgung im ländlichen Raum sind regionale Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung von Patienten ein Modell der Zukunft. Bundesweit finden derzeit etliche Modellprojekte zur sektorenübergreifenden Versorgung im ländlichen Raum statt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat bereits vor sieben Jahren auf die Herausforderung einer längerfristigen bedarfsgerechten Versorgung hingewiesen und ein umfassendes Modell für eine regional vernetzte Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum empfohlen. Kernelement und Basis für die Versorgung ist ein lokales beziehungsweise regionales Gesundheitszentrum für Primär- und Langzeitversorgung. In diesem Gesundheitszentrum arbeitet ein multiprofessionelles Team aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammen, dem Hausärzte, Therapeuten und Angehörige von Pflegeberufen und Sozialarbeit angehören. Angeschlossen und von dort aus organisiert werden können weitere regionale professionelle und ehrenamtliche Angebote in den Bereichen Gesundheit (Gesundheitsnetze z.B. für Demenzerkrankungen, Diabetes, Palliativmedizin), Prävention und Gesundheitsförderung, Wohnen im Alter, häusliche Versorgung älterer Menschen sowie Mobilitätsangebote (Bürgerbusse, Sammeltaxis, mobile Gesundheitsdienste).

Moderne Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem

Regionale Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung sind eine zukunftsfähige Antwort auf die beschriebenen Veränderungen und Herausforderungen. Ziel ist die Transformation bisher lokaler Krankenhäuser in integrierte regionale Gesundheitszentren mit Haus- und Fachärzten, Pflege und Rehabilitation. Dabei kommt es auf folgende drei Faktoren an:

Qualitative Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter. Arbeitsformen wie Teamarbeit, familiengerechte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung spielen künftig eine immer größere Rolle ebenso wie moderne Formen der Weiterbildung und Qualifizierung und eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten untereinander und gegenüber Patienten und ihren Angehörigen.

Eine Bündelung medizinischer Versorgungsangebote mit dem Ziel, effizientere und insgesamt leistungsfähigere Strukturen zu schaffen. Neue Formen von multiprofessionellen und interdisziplinären Teams im Rahmen von lokalen und regionalen Gesundheitszentren führen auch zu einer besseren Nutzung von knappen Fachkräften und einer neuen Kultur der Zusammenarbeit der Berufe. Die Einbettung in die Strukturen vor Ort. Gesundheit muss mit innovativen Mobilitätskonzepten, regionaler Wirtschaftsförderung und dem sozialen Engagement der Bürger verknüpft werden.

Kommunikation ist zentral

Die Kliniken können gestärkt aus dem Wandel hervorgehen, wenn sie sich auf ihre Stärken besinnen. Das Krankenhaus der Zukunft ist mittelständisch und steht für regionale Wertschöpfung, sichere und gut bezahlte Arbeit und ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Damit Versorgungsstrukturen regional funktionieren, müssen sich ambulante, stationäre und poststationäre Leistungserbringer zusammenschließen, sowie Reha-Einrichtungen und Apotheken eingebunden werden. Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen ist der Faktor Kommunikation. Die Ängste der Bürger und der Mitarbeiter vor Veränderungen müssen ernstgenommen werden. Aktive Beteiligung ist das A und O. Die Klinik der Zukunft versteht sich als Partner der Region vor Ort und der Menschen, die dort leben und arbeiten. Sie ist lokal verwurzelt und global vernetzt.

Mit Corona wird der real existierende Föderalismus auf die Gesundheitsprobe gestellt. An mehr Kompetenzen für die kommunale Ebene führt nach der Pandemie kein Weg vorbei. Aus dem „Flickenteppich“ zwischen Bund und Ländern wird ein fliegender Teppich für die Kommunen und ihre künftige Daseinsvorsorge. Gesundheitspolitik ist immer auch Zukunftspolitik.