Aktuelle (Weiter-)Entwicklungen bzgl. der Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen „privater“ Krankenhausbetreiber

Weiterhin steht die zutreffende nationale Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben für die Umsatzsteuerbefreiung der Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundener Umsätze privatrechtlicher Krankenhäuser in der Diskussion und beschäftigt die Gerichte seit vielen Jahren.

Dabei steht insbesondere das Kriterium der „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“ im Fokus, das u.a. in dem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Niedersachsen vom 02.03.2020, Az. 5 K 256/17, und in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.03.2020, Az. C-211/18, thematisiert wird.

Auf diese seit Jahren andauernde Diskussion hat neben der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 06.10.2016 (BStBl. 2016 I S. 1076) bereits der Gesetzgeber u.a. mit Änderungen im Rahmen der Jahressteuergesetze 2009 und 2019 reagiert, die zu der derzeit gültigen Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG geführt haben. Nach dieser Vorschrift kann mittlerweile eine Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen privatrechtlicher Krankenhäuser - unter bestimmten Voraussetzungen - auch ohne Zulassung nach § 108 SGB V sog. „anderen Krankenhäusern“ gewährt werden.

Kriterium der „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“ bei Krankenhäusern außerhalb des § 108 SGB V

Bei diesen „anderen“ privatrechtlichen Krankenhäusern ist die „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“ (kumulativ) zum einen am Leistungsangebot zu messen, welches den Leistungen von öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern oder von nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern zu entsprechen hat, und zum anderen daran, dass entweder die Kosten voraussichtlich in mindestens 40% der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem KHEntgG oder der BPflV berechnet wurde, oder voraussichtlich mindestens 40% der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. UStG genannten Personen (gesetzlich Versicherte, Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, Empfänger von Sozialhilfe, Versorgungsberechtigte) zugutekommen. Der Gesetzgeber hat sich bei dieser Formulierung erkennbar von den Überlegungen des XI. Senats des Bundesfinanzhofes im Urteil vom 23.01.2019, Az. XI R 15/16, BFH/NV 2019, S. 656, leiten lassen.

Um diese „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“ geht es auch dem Finanzgericht Niedersachsen in seinen beiden Fragen an den Europäischen Gerichtshof. Dessen erste Frage stellt auf die ausschließliche Anknüpfung der Umsatzsteuerbefreiung an den sozialrechtlichen Bedarfsvorbehalt des § 108 SGB V bei privatrechtlichen Krankenhäusern ab. Dem Finanzgericht Niedersachsen ist dabei bewusst, dass sowohl der V. Senat als auch der XI. Senat des Bundesfinanzhofes diese Vorgehensweise als EU-rechtswidrig eingestuft haben.

Erkennbar geht es dem Finanzgericht Niedersachsen eigentlich um die weitere (zweite) Frage nach den (konkreten) Anforderungen an die Messung der „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“, welche möglicherweise eine unmittelbare Anwendung der EU-rechtlichen Befreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL eröffnet. So stellt sich für das Finanzgericht Niedersachsen u.a. die Frage, ob die Behandlungen eines privatrechtlichen Krankenhauses mit den Behandlungsbedingungen in einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus bereits dann sozial „vergleichbar“ sind, wenn die Kosten des überwiegenden Teils der Patienten von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

Bei dem vorgenannten Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Niedersachsen konnten sicherlich weder die Entscheidungsgründe des Europäischen Gerichtshofes aus dem o.g. Urteil vom 05.03.2020 berücksichtigt werden noch konnte dieser die Überlegungen des Finanzgerichts Niedersachsen bei seiner Entscheidungsfindung einfließen lassen.

Der Europäische Gerichtshof führt in seinem Urteil vom 05.03.2020 zu den an ihn gestellten Fragen u.a. aus, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung der Frage, ob die von einer privaten Krankenhauseinrichtung durchgeführten Heilbehandlungen, die dem Gemeinwohl dienen, unter Bedingungen erbracht werden, die mit den Bedingungen für die in dieser Bestimmung genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, berücksichtigen können, dass diese Heilbehandlungen im Rahmen von Vereinbarungen mit den öffentlichen Behörden dieses Mitgliedstaats zu den in diesen Vereinbarungen festgelegten Preisen durchgeführt werden, deren Kosten teilweise von den Trägern der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats getragen werden (Rn. 32). Dies bedeutet nach unserem Verständnis, dass Preisregulierung und Kostentragung durch „Träger der sozialen Sicherheit“ im Rahmen der Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL als Indiz für Steuerbefreiung herangezogen werden können.

Im Hinblick auf das Kriterium der „Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht“ weist der Europäische Gerichtshof zwar darauf hin, dass eine entsprechende gesetzliche Definition dem Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nicht zu entnehmen ist (Rn. 24); er stellt allerdings klar, dass die Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehene Befreiung anwenden können (Rn. 28). Diese Überlegungen sprechen wohl eher dafür, dass der Europäische Gerichtshof den (vom Finanzgericht Niedersachsen hinterfragten) Überlegungen des XI. Senat des Bundesfinanzhofes in dessen Urteil vom 23.01.2019, Az. XI R 15/16, folgen dürfte.

Auf diese Entwicklung werden möglicherweise zudem auch eine derzeit bei der EU-Kommission anhängige Beschwerde von privatrechtlichen Kliniken (Ungleichbehandlung von Plankrankenhäusern und „anderen“ privatrechtlichen Krankenhäusern (für die Zeit ab dem 01.01.2020)) sowie das derzeit beim Bundesfinanzhof unter dem Az.: XI R 18/20 anhängige Verfahren (Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 19.07.2019, Az. 1 K 907/17 U) Einfluss nehmen. Bei dem letztgenannten Verfahren muss der Bundesfinanzhof sich mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Leistungen, die im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen einer Privatklinik und einem nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenen Krankenhaus (Plankrankenhaus) erbracht werden, auseinander setzten.  

Fazit

Aufgrund der hier angesprochenen Entwicklungen kann nicht ausgeschlossen werden bzw. es ist eher davon auszugehen, dass das Kriterium der „Vergleichbarkeit der Bedingungen in sozialer Hinsicht“ die Gerichte in den kommenden Jahren weiterhin beschäftigen wird.