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Bayerns oberster Krankenhaus-Vertreter über die Corona-Lage, Tricksereien und den Pflegemangel

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BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen war zu Gast bei uns im Verlagshaus und sprach u. a. über die drohende vierte Corona-Welle
BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen war zu Gast bei uns im Verlagshaus und sprach u. a. über die drohende vierte Corona-Welle. © Marcus Schlaf

Wie ist die Lage in Bayerns Krankenhäusern vor der drohenden vierten Corona-Welle? Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) nimmt Stellung zu derzeit wichtigen Fragen im Gesundheitssektor.

München – Mitten in der zweiten Corona-Welle hat Roland Engehausen im Dezember die Geschäftsführung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) übernommen. Im Interview spricht er über eine drohende vierte Welle und Vorwürfe, die ihn wütend machen. 

Herr Engehausen, um im Herbst nicht in eine vierte Corona-Welle zu laufen, muss die Impfquote in Deutschland deutlich steigen. Was droht in Bayerns Krankenhäusern, wenn das nicht klappt?

Roland Engehausen: Die Krankenhäuser haben bewiesen, dass sie mit hohen Inzidenzen umgehen können. Entscheidend ist, dass nicht erneut die Behandlungen vieler anderer Patienten verschoben werden müssen. Denn wenn wir bei einer niedrigen Impfquote wieder hohe Fallzahlen bekommen, droht uns genau das. Eine mögliche Besonderheit, die sich zudem bereits in England andeutet, sind die Impfdurchbrüche – also Erkrankte, die trotz Corona-Impfung ins Krankenhaus müssen. Um das genauer im Auge zu behalten, brauchen wir in den Kliniken auch bei Symptomlosen die Möglichkeit zu laufenden Antikörpertests. Dies kann bei der Bewertung helfen, ob Geimpfte oder Genesene eine Auffrischung benötigen.

In Frankreich müssen alle, die in einem Krankenhaus arbeiten, geimpft sein. Bräuchte es nicht auch in Deutschland eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegekräfte?

Engehausen: Das wird sich frühestens im Herbst zeigen. Als die Frage im Frühjahr das erste Mal aufkam, haben wir uns noch klar dagegen gestellt, weil wir in den Krankenhäusern noch nicht einmal zu impfen begonnen hatten. Jetzt haben wir beim Klinikpersonal bereits eine hohe Impfquote von mehr als 80 Prozent. Gut 10 Prozent Genesene kann man noch dazurechnen. Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie im Gesundheitsbereich wäre eine Entscheidung, die man diskutieren müsste, wenn die Stiko sie empfiehlt. Wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Bei der Impfpflicht gegen Masern haben wir in den Kliniken beispielsweise durchaus gute Erfahrungen gemacht.

Corona-Patienten in Krankenhäusern: Über die Bedeutung der Inzidenz und Tricksereien

Bayern arbeitet gerade an einem neuen Corona-Warnwert, der die Inzidenz ablösen soll. Darin soll die Zahl der Krankenhauseinweisungen eine wichtige Rolle spielen. Der richtige Ansatz?

Engehausen: Ja. Wir wünschen uns allerdings, dass die Anbindung an das dafür nötige IT-System DEMIS durch das Robert-Koch-Institut schneller geht, um nicht längere Zeit wieder mit Faxen arbeiten zu müssen. Was uns freut, ist dass es offenbar großes Vertrauen in unsere Daten gibt.

Dabei stand zuletzt der Vorwurf im Raum, die Kliniken nähmen es mit Zahlen nicht so genau. Bei der Auslastung der Intensivbetten soll getrickst worden sein um Ausgleichszahlungen zu erhalten.

Engehausen: Dieser Mauschel-Vorwurf macht mich wütend. Der Gesetzgeber hat die Ausgleichszahlungen von einem Meldesystem abhängig gemacht, das dafür nicht konzipiert wurde, sondern für wissenschaftliche Zwecke. Bei einer Datenmeldung zur Berechnung von Finanzmitteln liegt natürlich schnell ein Verdacht nahe, dass Einfluss auf diese Zahlen genommen werden könnte. Ich finde es auch richtig, dies genau zu prüfen. Wenn sich daraus dann aber wie in Bayern bisher kein einziger tatsächlicher Missbrauchsfall ergibt, ist es wirklich verletzend für die Mitarbeiter unserer Krankenhäuser, dass sie diesem Vorwurf weiter ausgesetzt werden. Wer nicht glaubt, wie die Lage im Winter war, kann ja mal die Ärzte und Pflegekräfte fragen, die damals auf den Intensivstationen gearbeitet haben.

Pflegemangel und zu viele Krankenhäuser: „Vielleicht auch nicht mehr sinnvoll“

Gerade beim Pflegepersonal herrscht ja seit Jahren großer Mangel. Tragen Ihre Aufbau-Versuche schon Früchte?

Engehausen: Ja, aber leider zu wenig. Die Ausbildungszahlen steigen leicht, bei der Weiterbildung für den Intensivbereich ist das – auch wegen Corona – noch nicht stark genug der Fall. Lassen Sie mich sagen: Es geht hier um eine wertvolle Ausbildung, die mittlerweile auch gut bezahlt ist. Ich hoffe, wir können noch mehr Menschen davon überzeugen, diesen wertvollen Beruf zu wählen.

Gleichzeitig heißt es immer wieder, dass sich Deutschland viel zu viele Krankenhäuser leistet.

Engehausen: In Bayern schreibt tatsächlich jedes zweite Krankenhaus Verluste. Die Frage ist also vielmehr, ob sich die oft kommunalen Träger das weiter leisten können. Es wird also sicherlich einen Umbau von Strukturen geben müssen. Den kann man aber nicht von Berlin aus auf dem Reißbrett planen. Entscheidend ist doch, was die Patienten vor Ort brauchen. Der medizinische Fortschritt wird weniger Übernachtungen nötig machen, es wird also in Zukunft weniger Betten brauchen. Und das ein oder andere Krankenhaus wird vielleicht auch nicht mehr sinnvoll sein. Aber gerade für die Häuser, die die Versorgung in der Fläche sicherstellen, muss es eine staatliche Vorhaltefinanzierung geben.

Sie wollen, dass Krankenhäuser Patienten künftig auch ohne Übernachtung ambulant behandeln dürfen. Wildern Sie nun im Revier der niedergelassenen Arzt-Praxen?

Engehausen: Nein, es geht dabei um Patienten, die jetzt auch schon im Krankenhaus behandelt werden müssen. Wir wollen, dass diese Menschen dafür aber nicht mehr zwangsläufig in der Klinik übernachten müssen, wenn sie aus medizinischer Sicht zum Beispiel bei gutem Operationsverlauf schon nach Hause entlassen werden können. Das ist heute teils zu starr geregelt.

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