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Das Krankenhaus der Zukunft: regional, digital und agil

Virtual Reality am Krankenbett: Bei der Digitalisierung haben deutsche Kliniken noch enormen Nachholbedarf Virtual Reality am Krankenbett: Bei der Digitalisierung haben deutsche Kliniken noch enormen Nachholbedarf
Virtual Reality am Krankenbett: Bei der Digitalisierung haben deutsche Kliniken noch enormen Nachholbedarf
Quelle: Getty Images/ KDP
Deutschlands Kliniken stehen vor drei zentralen Megatrends: einer Vernetzung der Versorgung in Stadt und Land, einer umfassenden Digitalisierung und der Bekämpfung des wachsenden Fachkräftemangels. Das erfordert politischen Druck – und finanzielle Anreize.

Die deutschen Krankenhäuser haben maßgeblich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beigetragen, eine Überlastung des Gesundheitssystems wie in anderen Industrieländern konnte vermieden werden. 80 Prozent aller stationär behandelten Corona-Patienten wurden in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung behandelt.

Dennoch stehen die Kliniken vor grundlegenden Veränderungen, an deren Ende statt der heute 1900 Häuser nur noch 1200 stehen könnten.

Nach der Bundestagswahl geht es um eine Neuaufstellung der Gesundheitsversorgung: statt einer bloßen Spar- braucht es eine Qualitätsdebatte und ein neues Verhältnis von Grund- und Spezialversorgung. Die Kliniken stehen in den nächsten Jahren vor drei zentralen Megatrends: einer Vernetzung der Versorgung in Stadt und Land, einer umfassenden Digitalisierung und der Bekämpfung des wachsenden Fachkräftemangels. Das Krankenhaus der Zukunft ist regional, digital und agil.

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Auch nach Corona muss die Notfall- und Grundversorgung flächendeckend sichergestellt werden. Krankenhäuser auf dem Land jenseits der großen Städte und Ballungsgebiete sind stärker vom Wandel betroffen. Während in den großen Städten oft Überversorgung herrscht, haben viele Kommunen im ländlichen Raum mit Unterversorgung zu kämpfen. Die Versorgung über niedergelassene Ärzte wird in dünn besiedelten Regionen immer schwieriger.

Gesundheitspolitik im ländlichen Raum ist immer auch Strukturpolitik. Das Krankenhaus vor Ort ist oft größter Arbeitgeber und stärkster Wirtschaftsfaktor. Viele Bürger und Bürgermeister fürchten den Abbau von Häusern sowie eine verstärkte Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser allein nach Profitinteressen der Betreiber. Künftig müssen sich ambulante und stationäre Versorgung ergänzen. Für die Patienten ist die Trennung „stationär“ versus „ambulant“ irrelevant.

Multiprofessionelle Teams

Zum Modell einer Krankenhauslandschaft der Zukunft gehören regionale und überregionale Netzwerke, in die Maximal- und Spezialversorger eingebunden sind. Eine flächendeckend hochwertige medizinische Versorgung im ländlichen Raum leisten integrierte Versorgungszentren für die Primär- und Langzeitversorgung.

In den Zentren arbeiten multiprofessionelle Teams aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammen: Hausärzte, Therapeuten, Pflegeberufe und Sozialarbeit. Angeschlossen sind weitere regionale professionelle wie ehrenamtliche Angebote in den Bereichen Gesundheit - Gesundheitsnetze zum Beispiel für Demenzerkrankungen, Diabetes, Palliativmedizin, Prävention und Gesundheitsförderung, Wohnen im Alter, häusliche Versorgung älterer Menschen sowie Mobilitätsangebote wie etwa Bürgerbusse, Sammeltaxis, mobile Gesundheits- und Pflegedienste.

Damit Versorgungsstrukturen regional funktionieren, müssen ambulante, stationäre und poststationäre Leistungserbringer sowie Reha-Einrichtungen und Apotheken eingebunden werden. Das alles im Verbund eines Netzwerkes hoch spezialisierter Häuser und Experten. Patienten brauchen Leistungserbringer, Ärzte und Kliniken, die gemeinsam mit ihnen eine bestmögliche Versorgung definieren und sie sicher durch das Gesundheitssystem führen, analog wie digital.

Der Sachverständigenrat Gesundheit legt in seinem neuen Gutachten den Finger in die Wunde: Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland könnten besser geschützt werden, wenn endlich die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen genützt würden. Im internationalen Vergleich glänzen die deutschen Kliniken im Hinblick auf den digitalen Reifegrad lediglich beim Datenschutz.

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Bei den Faktoren Interoperabilität, Public Health und Patientenorientierung liegen die Häuser dagegen weit zurück beziehungsweise sind sogar Schlusslicht. Eine exzellente digitale Ausstattung ist aber eine Voraussetzung für ein modernes patientenorientiertes Gesundheitssystem. So erhöhen die präklinische Datenerfassung für die Notaufnahme, der e-Medikationsplan und der Einsatz von OP-Robotern die Patientensicherheit nachweisbar.

In der Pflege geht es um die Entlastung der Fachkräfte durch digitale Anwendungen (Apps) insbesondere in der Dokumentation. Ein Drittel der Ärzte und Pflegefachkräfte klagt über zu viel Bürokratie. Die Krankenhäuser müssen in Echtzeit kommunizieren können, intern wie mit anderen Häusern und dem ambulanten Bereich.

Die deutschen Krankenhäuser müssen sich zu Prozesskrankenhäusern wandeln, Prozess- und Patientensicherheit müssen zusammen gedacht werden. Um digital aufzuholen und möglichst bald auch überholen zu können, braucht es eine Kombination von politischem Druck und finanziellen Anreizen.

Bund soll mehr Geld für Kliniken geben

Wer sein Haus innerhalb von zwei Jahren digitalisiert, bekommt die Kosten erstattet, wer dann noch immer kein vernünftiges Krankenhausinformationssystem hat, kann nicht mehr abrechnen. Bei der Finanzierung der Krankenhäuser wird sich der Bund in Zukunft stärker beteiligen müssen. Der Krankenhauszukunftsfonds mit seinen vier Milliarden Euro ist ein erster Schritt. Entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung ist Nachhaltigkeit. Auch die Betriebs- und Folgekosten müssen gewährleistet werden.

Die kurze Verweildauer in bestimmten Gesundheitsberufen, die hohe Teilzeitquote bei weiblichen Beschäftigten und eine unzureichende Quote von Frauen in ärztlichen Führungsfunktionen schreckt insbesondere jüngere Frauen ab. Die nach der Pandemie befürchtete Flucht der Fachkräfte aus den Pflegeberufen ist nur die Spitze des Eisbergs.

Viele Fachkräfte sind überlastet und untermotiviert. Arbeitsformen wie Teamarbeit, familiengerechte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung spielen künftig eine immer größere Rolle ebenso wie moderne Formen der Weiterbildung und Qualifizierung und eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten untereinander und gegenüber Patienten und ihren Angehörigen. Neue Formen von multiprofessionellen und interdisziplinären Teams im Rahmen von regionalen Gesundheitszentren können auch zu einer besseren Nutzung von knappen Fachkräften und einer neuen Kultur der Zusammenarbeit der Berufe führen.

Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen

Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Transformation ist eine Kommunikation auf Augenhöhe. Ein Denken, das die Berufe in „Halbgötter in Weiß“ und „buntes Pflegepersonal“ unterteilt, passt nicht mehr in die Zeit und schon gar nicht in die Zukunft. Moderne Führungskulturen sind wertebasiert. Hybrides und zunehmend digital vernetztes Arbeiten benötigt eine andere Kultur der Interaktion und Kooperation als die alte Verwaltungswelt der Kliniken.

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„Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Einweihung des Hauses der Zukunft auf dem ukb-Campus in (Ost-)Berlin im Juni. In der künftigen Krankenhauslandschaft müsse die Expertise ausgebaut und genutzt werden, ohne ländliche Regionen zu vernachlässigen.

Eine nachhaltige Krankenhausstrukturreform als „Megaaufgabe“ muss innovative Antworten auf die genannten Megatrends geben. Aus dem Krankenhaus als Primärversorgungszentrum wird ein Haus der Gesundheit und der Zukunft: regional vernetzt, digital Spitze und agil im Zusammenspiel von Teams und Talenten.

Kombo Daniel Dettling Axel Ekkernkamp
Quelle: Edgar Rodtmann; picture alliance/dpa/ Christoph Soeder

Axel Ekkernkamp (r.) ist Universitätsprofessor in Greifswald, Geschäftsführer Medizin der BG Kliniken sowie Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin. Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts

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