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Auswirkungen der Rückenmarkstimulation (SCS) auf Schmerzdiagnosen und Kostenentwicklung bei aufladbaren und nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren

Ziel dieser Untersuchung war es, die Versorgungssituationen von Patienten mit initialer SCS-Therapie zu beleuchten und die Auswirkungen auf Schmerzdiagnosen und Komorbiditäten sowie Kostenstrukturen in einem Zeitraum von einem Jahr vor bis drei Jahre nach Therapiebeginn zu betrachten. Durch die Vielfalt an internationaler Literatur zur Kosteneffektivität unterschiedlicher Gerätetypen, war die weiterführende Fragestellung, ob ein Unterschied auch im deutschen Kontext zu erkennen ist.

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.02.2021

Abstrakt: Auswirkungen der Rückenmarkstimulation (SCS) auf Schmerzdiagnosen und Kostenentwicklung bei aufladbaren und nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren

Hintergrund: Die Neurostimulation des Rückenmarks ist eine Therapieform für Patienten mit refraktären chronischen Schmerzen, wobei wiederaufladbare und nicht wiederaufladbare Neurostimulatoren zur Verfügung stehen. Ziel dieser Analyse war es, den Erfolg sowie die Kostenentwicklung der Therapie mit verschiedenen Gerätetypen zu untersuchen. Methode: Mithilfe von GKV-Routinedaten aus einer alters- und geschlechtsadjustierten InGef-Forschungsdatenbank mit ~fünf Millionen Versicherten wurde eine retrospektive Längsschnittanalyse durchgeführt. Ergebnisse: In der InGef-Forschungsdatenbank fanden sich 150 Patienten, wovon 49% einen wiederaufladbaren und 51% einen nicht wiederaufladbaren Neurostimulator erhielten. Bei beiden Gerätetypen sanken Schmerzdiagnosen und Kosten zunächst kontinuierlich nach der Implantation, jedoch war bei nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren im dritten Jahr nach Implantation wieder ein Anstieg vorhanden (p<0,05). Schlussfolgerung: Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Rückenmarkstimulation bei Schmerzpatienten die Lebensqualität positiv beeinflusst. Wiederaufladbare Geräte scheinen durch ihren längeren Lebenszyklus den nicht wiederaufladbaren Stimulatoren durch eine kontinuierliche Schmerz- und Kostenreduktion überlegen zu sein.

Literatur

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Zitationshinweis: Jähnichen et al.: „Auswirkungen der Rückenmarkstimulation (SCS) auf Schmerzdiagnosen und Kostenentwicklung bei aufladbaren und nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren – Ergebnisse einer GKV-Routinedatenanalyse“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (01/21), S. 56-62, doi: http://doi.org/10.24945/MVF.01.21.1866-0533.2280

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Auswirkungen der Rückenmarkstimulation (SCS) auf Schmerzdiagnosen und Kostenentwicklung bei aufladbaren und nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren

Ziel dieser Untersuchung war es, die Versorgungssituationen von Patienten mit initialer SCS-Therapie zu beleuchten und die Auswirkungen auf Schmerzdiagnosen und Komorbiditäten sowie Kostenstrukturen in einem Zeitraum von einem Jahr vor bis drei Jahre nach Therapiebeginn zu betrachten. Durch die Vielfalt an internationaler Literatur zur Kosteneffektivität unterschiedlicher Gerätetypen, war die weiterführende Fragestellung, ob ein Unterschied auch im deutschen Kontext zu erkennen ist.

Methodik
Studiendesign
Die Analyse erfolgte retrospektiv im Längsschnitt mithilfe eines anonymisierten, alters- und geschlechtsadjustierten GKV-Routinedatensatzes, der mit ~fünf Millionen Versicherten eine annähernd sechsprozentige, repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung darstellt. Die InGef-Forschungsdatenbank ist in Bezug auf Morbidität, Mortalität und Arzneimittelkonsum mit der deutschen Bevölkerung annähernd vergleichbar (Anderson/Walker 2015). Ziel dieser Untersuchung war es, die Patienten mit einem initialen implantierten Neurostimulator aus der InGef-Forschungsdatenbank zu beobachten. Dazu wurden Versicherte aus der Datenbank mit den OPS Kodes 5-039.e0, 5-0339.e1 und 5-039.e2 zu den gepoolten Indexjahren 2013/2014 aufgegriffen und patientenindividuell ab dem Tag der Implantation drei Jahre (FU1, FU2 und FU3, je 365 Tage) beobachtet. Patienten durften im Vorjahr des Index (T-1) weder Implantationen, Wechsel, noch Explantationen oder Revisionen eines Stimulators aufweisen, um sicherzustellen, dass es sich um initiale Therapiebeginne handelte. Patienten mussten über den Beobachtungszeitraum durchgehend versichert sein, um einen loss-to-follow-up zu vermeiden. Die Studienpopulation wurde in eine Gruppe mit wiederaufladbaren Geräten und eine Gruppe mit nicht wiederaufladbaren Geräten aufgeteilt.

Statistische Analyse
Um die Studienpopulation zu beschreiben, wurden für die Patienten alters- und geschlechtsspezifische Informationen erhoben. Des Weiteren wurden Patientencharakteristika als zugrunde liegende Diagnosen zum Zeitpunkt der Implantation und Komorbiditäten im Nachbeobachtungszeitraum anhand der ICD-10-GM Klassifikation ermittelt. Die Gesundheitskosten der Studienpopulation wurden in folgenden Bereichen erhoben: Gesamtkosten, stationär, ambulant, Medikation, Heil- und Hilfsmittel und Krankengeld. Für den stationären Bereich wurden schmerzbezogene Kosten mittels stationären Hauptdiagnosen abgefragt.  Prozentuale Zu- und Abnahmen wurden im Vergleich der Nachbeobachtungszeit je Jahr sowie zwischen dem Jahr vor Implantation (T-1) und dem dritten Jahr nach Implantation (FU3) berechnet. Signifikanzen wurden anhand des McNemar-Tests für den Zeitvergleich zwischen T-1 und FU3 zur Diagnoseentwicklung berechnet. Für die Kostenentwicklung wurden Signifikanzen mit dem T-Test für den Zeitvergleich zwischen T-1 und FU3 sowie für den Subgruppenvergleich für das Nachbeobachtungsjahr FU3 ermittelt. Patientenzahlen unter fünf wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht ausgegeben.
Ergebnisse
Studienpopulation
In der InGef-Forschungsdatenbank befanden sich in den Jahren 2012 bis 2017 insgesamt 4,9 Millionen Versicherte; davon waren 3,1 Millionen durchgängig versichert. 153 Patienten erhielten eine Implantation eines Neurostimulators in den Index-Jahren 2013/2014, drei Patienten hatten sich im Vorjahr bereits einem entsprechenden Eingriff unterzogen und wurden exkludiert. Die Studienpopulation lag final bei 150 Patienten mit einem initialen Neurostimulator, wovon 77 Patienten (51%) einen nicht wiederaufladbaren Neurostimulator und 73 Patienten (49%) ein wiederaufladbares Gerät erhielten (Abb. 2). Im Nachbeobachtungszeitraum starben zehn Patienten (6,7%), davon jeweils fünf in den Subgruppen (Abb. 1).
Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 62,5 Jahren (SD ± 12). Patienten mit einem nicht wiederaufladbaren Gerät waren im Schnitt ein Jahr älter als die andere Gruppe. Die Geschlechterverteilung war mit 51% Frauen und 49% Männern nahezu ausgeglichen. Das Alter der weiblichen Patienten lag mit durchschnittlich 62,5 Jahren ein Jahr unter dem der männlichen. Frauen erhielten vermehrt einen wiederaufladbaren Neurostimulator (55%) und Männer mehrheitlich (58%) ein nicht wiederaufladbares Gerät. Die Diagnosen zum Zeitpunkt der Implantation zeigten im Vergleich der Versorgungssektoren ein heterogenes Bild (Tab. 1). Im stationären Sektor wurde am Indextag (Implantation) mit 49 Patienten (33%) hauptsächlich die Diagnose des Postlaminektomie-Syndroms/FBSS (ICD-10-GM M96.1) gestellt. Im ambulanten Sektor fielen die meisten Diagnosen im Quartal dem nicht klassifizierten Schmerz (R52) zu (104 Patienten). Andere häufig gestellte Diagnosen im ambulanten Sektor bezogen sich auf Rückenschmerzen (64%) und sonstige Bandscheibenschäden (73%) (Tab. 1).

Schmerzen und Komorbiditäten
Die Gesamtpopulation zeigte nach der Implantation einen Rückgang in allen Diagnosen (Abb. 2/Tab. 2). Für die im ambulanten und statio-
nären Sektor am häufigsten gestellten Schmerzdiagnosen M54 (Rückenschmerz) und R52 (unspezifischer Schmerz) lag die prozentuale Abnahme im Zeitraum vor der Implantation (T-1) bis zu drei Jahre nach der Implantation (FU3) bei -18% und -10%. Die Diagnose G47 (Mononeuropathien der unteren Extremitäten) wurde vor dem Index bei 31 Patienten gestellt und verzeichnete die höchste prozentuale Abnahme mit -58%. Bei den Rückenschmerzen sank die Anzahl der Patienten mit der Diagnose M54.4 (Lumboischialgie) von 85 Patienten auf 48 Patienten (-44%; p<0,001). Die prozentuale Abnahme für die Diagnosen M54.5 (Kreuzschmerz) von -43% (p<0,001) und M54.16 (Radikulopathie im Lumbalbereich) von -35% (p<0,05) war deutlich. Die Mehrzahl der Patienten mit „nicht klassifiziertem Schmerz“ (R52) erhielt die Diagnose R52.2 (sonstiger chronischer Schmerz). Die prozentuale Abnahme war mit -3% (p=0,86) deutlich niedriger als bei der Diagnose R52.1 (chronischer unbeeinflussbarer Schmerz) mit -40% (p<0,05). Der stärkste Rückgang bei Rückenerkrankungen und Komorbiditäten war bei M96.1 (FBSS) mit -42% zu beobachten. Bei Rückenerkrankungen waren „sonstige Bandscheibenschäden“ (M51) die zumeist gestellte Diagnose (103 Patienten, 69%). Der prozentuale Abfall zu FU3 lag bei -24%. Die Zahl der Patienten mit einer Spondylosediagnose (M47) sank von 89 auf 75 (-27%; p=0,002). „Schmerzen der unteren Extremitäten“ (M79.6) zeigten sich bei 14% (T-1) der Studienpopulation, diese Patientenzahl änderte sich über die Jahre kaum. Patienten mit einem wiederaufladbaren Neurostimulator zeigten mehrheitlich einen kontinuierlichen Diagnoserückgang, wohingegen Patienten mit nicht wiederaufladbaren Geräten häufig einen Wiederanstieg in FU3 verzeichneten.
Die Anzahl der Patienten mit spezifischen Diagnosen und wiederaufladbaren Geräten war im Schnitt höher. Die Diagnose des FBSS, zeigte bei Patienten mit wiederaufladbaren Geräten eine prozentuale Abnahme von -47% (p<0,001), die andere Gruppe verzeichnete einen geringeren Rückgang von -35% (p<0,05). Bei der Diagnose M51 – sonstige Bandscheibenschäden lag die prozentuale Abnahme bei beiden Patientengruppen bei -20% (RC: p<0,002; NRC: p<0,05). Patienten mit nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren und der Diagnose M47 (Spondylose) verzeichneten eine leicht höhere Abnahme von -29% (p<0,05). Die Anzahl der Patienten mit der Diagnose M48 (sonstige Spondylopathien) nahm bei den wiederaufladbaren Geräten wiederum stärker ab (-38%; p<0,05). Beide Patientengruppen zeigen einen Rückgang der Diagnosen für Rückenschmerzen (M54) (wiederaufladbar -13%; nicht wiederaufladbar -23%), den nicht klassifizierten Schmerz (R52) (w -12%; nw -7%) und die Mononeuropathien der unteren Extremitäten (w -56%; nw -58%). Ein Unterschied liegt bei den Diagnosen R52.1 (chronischer unbeeinflussbarer Schmerz) und R52.2 (sonstiger chronischer Schmerz) vor. Die Anzahl der Patienten mit wiederaufladbaren Geräten zeigt eine stetige Abnahme für beide Diagnosen, die Anzahl der anderen Patientengruppe steigt für die Diagnose R52.1 in FU3 erneut an. Die Diagnose R52.2 zeigt im Jahresvergleich eine prozentuale Zunahme von +7% (p=0,21) (Abb. 2).
Kostenentwicklung insgesamt und nach Gerätetyp
Die Gesamtkosten pro Patient stiegen in dem Jahr der Implantation aufgrund der Gerätekosten stark an (Abb.3/Tab.3). In den Folgejahren war ein Absinken der Kosten unter das Kostenniveau vor der Implantation zu beobachten (-6%; p=0,98). Schmerzbezogene Kosten machten einen großen Anteil der Ausgaben im stationären Sektor aus. Die prozentuale Abnahme betrug im Jahresvergleich -19% (p=0,3) im stationären und -24% (p<0,05) im ambulanten Sektor. Die Kosten für Medikation und Hilfsmittel zeigten für die Studienpopulation einen prozentualen Anstieg von +25% (p=0,27) und +138% (p<0,05). Bei Patienten mit wiederaufladbaren Neurostimulatoren zeigte sich eine stärkere Abnahme der Gesamtkosten sowie eine schwächere Zunahme bei Medikations- und Hilfsmittelkosten. Während die prozentuale Abnahme der Gesamtkosten in der Gruppe der wiederaufladbaren Geräte bei -24% (p=0,10) lag, stiegen die Kosten bei den nicht wiederaufladbaren Geräten im dritten Jahr nach Implantation wiederum an (+9%; p=0,33). Dieser Unterschied war mit p<0,05 signifikant.
Ein wiederkehrendes Muster ist der erneute Anstieg in FU3 für Gesamtkosten, stationäre und schmerzbezogene stationäre Kosten, bezogen auf nicht wiederaufladbare Geräte. Die Gesamtkosten von Patienten mit wiederaufladbaren Geräten sanken in FU3 auf durchschnittlich 9.347 Euro (± 10.158) unter das Ausgangsniveau von 12.267 Euro (± 7.710) in T-1. Im Gegensatz dazu stiegen die Kosten der Patienten mit nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren mit 14.878 Euro (± 19.082) in FU3 über das ursprüngliche Niveau (13.648 Euro  ± 11.514). Mit einer prozentualen Abnahme von -4% (p=0,86) für stationäre Kosten bei nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren und einer entsprechenden Abnahme von -36% (p<0,05) bei wie-
deraufladbaren Geräten war ein merklicher Unterschied zu beobachten. Der Kostenunterschied in FU3 der stationären Kosten von 4.998 Euro (± 7.701) der wiederaufladbaren Geräte zu 8.299 Euro (± 11.906) der nicht wiederaufladbaren Geräte war nicht signifikant (p=0,06). In T-1 waren 21 Personen (14%) der Studienpopulation für den Erhalt von Krankengeld berechtigt (Tab. 4). Diese Zahl sank für die gesamte Nachbeobachtungszeit (FU1 bis FU 3) auf 13 Personen.
Das Krankengeld fiel von durchschnittlich 2.004 im Jahr T-1 auf durchschnittlich 561 Euro im gesamten Nachbeobachtungszeitraum (-72%). Ein starker Unterschied innerhalb der Vergleichsgruppen war nicht zu beobachten (Tab. 3: Abb. 3, Tab. 4).
Diskussion
Im Vergleich zur internationalen SCS-Literatur scheint die aus dem Datensatz ermittelte Studienpopulation mit einem Durchschnittsalter von 62,5 Jahren leicht älter zu sein. In Bezug auf die Geschlechterverteilung berichten Veröffentlichungen von einer geringen weiblichen Mehrheit, was mit den gezeigten Ergebnissen korrespondiert (van Buyten et al. 2017; Hornberger et al. 2008; Zucco et al. 2015). Eine systematische Übersichtsarbeit mit 11 Studien ermittelte für SCS-Patienten ein Durchschnittsalter von 56 Jahren und mit 53% eine weibliche Patientenmehrheit (Odonkor et al. 2019). Aufgrund der erhobenen Patienteneigenschaften und der weit verbreiteten Verwendung des GKV-Routinedatensatzes können die Ergebnisse als repräsentativ angesehen werden (Anderson/Walker 2015). Die Studienpopulation hat zum Zeitpunkt der Implantation diverse Schmerzdiagnosen im stationären und ambulanten Sektor. Bezeichnend ist der größere Anteil der Diagnosen mit einem unspezifischen oder nicht klassifizierbaren Charakter im ambulanten Sektor. Dies könnte an den vielfältigen Manifestationen des chronischen Schmerzes, aber auch an der primären hausärztlichen Versorgung und dem damit fehlenden fachärztlichen Blick auf die zugrunde liegende Erkrankung liegen. Bis auf das FBSS ist die Anzahl der für die SCS-Therapie abgefragten Diagnosen im ambulanten höher als im stationären Bereich. Die Diagnose einer frustranen Rückenoperation wird nach einem langen Leidensweg, mit multiplen Rückenoperationen und vielen Arztbesuchen gestellt. Daher ist es erklärbar, dass Patienten kurz vor der Implantation des Neurostimulators im fachärztlichen stationären Sektor angekommen sind und dort die entsprechende Diagnose als Indikation für die Therapie erhalten. Es kann beobachtet werden, dass die SCS-Therapie bei Patienten mit Rückenerkrankungen und Schmerzdiagnosen positive Auswirkungen hat und für einen deutlichen Rückgang der Diagnosen sorgt.
Die Schmerzdiagnose R52 ist die federführende Diagnose und auch nach der S3 Leitlinie zur Rückenmarkstimulation die für die SCS-Therapie erst-indizierende (Baron et al. 2013). Die Diagnoseabnahme des FBSS muss hervorgehoben werden, da es sich um ein Patientenklientel handelt, welches bereits häufig einen Leidensweg gehen musste und die SCS-Therapie oftmals einen letzten Ausweg bedeutet. Der Anteil der FBSS-Diagnose am gesamten Diagnosespektrum zum Zeitpunkt der Implantation deckt sich mit internationalen Studien (Kumar et al. 2013,1998).
Die Ergebnisse im Gruppenvergleich deuten auf die besonderen Charaktereigenschaften der nicht wiederaufladbaren Geräte hin. Patienten mit wiederaufladbarem Stimulator zeigen einen kontinuierlichen Rückgang bei schmerzbezogenen Diagnosen und Rückenerkrankungen. Patienten mit nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren zeigen im letzten Beobachtungsjahr einen Wiederanstieg insbesondere beim FBSS und beim chronischen unbeeinflussbaren Schmerz. Nicht wiederaufladbare Neurostimulatoren haben eine Lebensdauer von zwei bis fünf Jahren (Hornberger et al. 2008). Der Wiederanstieg der Diagnosekennzahlen und der Kosten im letzten Jahr könnte im Zusammenhang mit dem Nachlassen der Batterie und einem einhergehenden Wirkungsverlust stehen. Die Kosten, die SCS-Patienten verursachen, sinken nach einem Anstieg im Implantationsjahr kontinuierlich und zum Ende der Beobachtungszeit sogar unter das Niveau vor Therapie (-16%). Ambulante und stationäre Kosten nehmen stetig ab, insbesondere die stationären schmerzbezogenen Kosten fallen deutlich (-43%).
Der Rückgang der Gesamtkosten ist bei Patienten mit wiederaufladbaren Geräten stärker ausgeprägt und auch hier im Gegensatz zu anderen Patienten kontinuierlich. Die Gesamtkosten und stationären schmerzbezogenen Kosten steigen für Patienten mit nicht wiederaufladbaren Geräten in FU3 wieder an. Dieses Ergebnis bestärkt die Vermutung eines Wirkungsverlustes durch Nachlassen der Batterie in Jahr 3, da Patienten wieder vermehrt stationäre Behandlungen in Anspruch nehmen müssen. Ein Anstieg der Medikationskosten und der Aufwendungen für Heil- und Hilfsmittel ist bei Patienten mit nicht wiederaufladbaren Geräten deutlicher. Die Gesamtkosten für Patienten mit nicht wiederaufladbaren Neurostimulatoren übersteigen in FU3 das Ausgangsniveau aus dem Jahr vor Therapiebeginn. Diese Resultate können in Einklang mit Hornberger et al. gebracht werden. Dort wurde in einer Kosten-Folgen-Analyse festgestellt, dass wiederaufladbare Geräte bei Patienten mit FBSS Kosten einsparen, obwohl die initialen Kosten höher als bei nicht wiederaufladbaren Geräten waren. Dies lag auch daran, dass wiederaufladbare Geräte mit einer Lebensdauer von 10 bis 25 Jahren zwischen 2,6 und 4,2-mal weniger gewechselt wurden und Patienten mit nicht wiederaufladbaren Geräten bereits nach vier Jahren einen Wechsel erfuhren (Hornberger et al. 2008). Weitere Kosten-Effektivitäts-Analysen zeigten, dass die SCS-Therapie mit wiederaufladbaren Geräten bei FBSS und komplexem regionalen Schmerz-Syndrom kosteneffektiver ist (Kemler et al. 2010; Taylor et al. 2010). Die vorliegenden Ergebnisse zeigen auch, dass Patienten mit der SCS-Therapie in die Erwerbstätigkeit zurückgeholt werden, da das Krankengeld für krankengeldberechtigte Patienten sinkt.
Limitationen
Die Analyse beinhaltet keine nähere Betrachtung der Patientenanamnese und Entscheidungsgrundlage bei Ärzten. Entscheidungen für oder gegen einen Gerätetyp können somit nicht nachvollzogen werden. Aspekte wie die Anzahl der Rückenoperationen vor Therapiestart oder die Patientencompliance können Ärzte und Patienten in der Wahl des Gerätetyps beeinflussen. Hinzu kommen bestimmte Kodierungen, die über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich für Zuweisungen der Krankenversicherungen sorgen und somit unterschiedlich verwendet werden. Die Analyse basiert auf Sekundärdaten, daher stellt ein Rückgang der Diagnosen eine Näherung für die Lebensqualität dar. Primärdaten, wie sie bei Patientenumfragen entstehen, wurden nicht erhoben.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die Therapie der Rückenmarkstimulation die Lebensqualität der Patienten steigert, da ein deutlicher Rückgang der relevanten Schmerzdiagnosen und Erkrankungen zu erkennen ist. Die SCS-Therapie wirkt sich positiv auf die Kosten im GKV-System aus. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen auch, dass Patienten mit der SCS-Therapie in die Erwerbstätigkeit zurückgeholt werden, da das Krankengeld für krankengeldberechtigte Patienten sinkt. Auch wenn die Kosten für die Neurostimulation anfänglich hoch sind, so ist der Nutzen der Geräte für die Patienten und Krankenversicherungen durch Diagnose- und Kostenrückgang gut zu erkennen. Für wiederaufladbare Geräte kann zudem ein Vorteil konstatiert werden, da diese einen stetigen und deutlicheren Rückgang der Diagnosen und Kosten zeigen. Der bei den nicht wiederaufladbaren Geräten charakteristische Anstieg der Kennzahlen im dritten Jahr deutet stark auf die kürzeren Lebenszyklen und einer einhergehenden nachlassenden Schmerzfreiheit der Patienten hin. <<

Hintergrund

Die epidurale Rückenmarkstimulation (SCS – Spinal Cord Stimulation) ist ein Therapieverfahren für Patienten mit verschiedenen Formen neuropathischer, sympathisch vermittelter oder ischämischer Schmerzen sowie bei PDN (Periphere diabetische Neuropathie) (Baron et al. 2013; Deer et al. 2014; Gilner/Cegla 2019). Sie erfolgt über implantierbare Systeme, die aus Elektroden und Neurostimulatoren (IPG – implantable pulse generator) bestehen. Elektrische Impulse, die vom Generator über Elektroden an das Rückenmark in verschiedenen Frequenzformen abgegeben werden, führen bei Patienten zu einer Schmerzreduktion. Niederfrequente Stimulation erfolgt zwischen 40 und 100 Hz und hochfrequente mit bis zu 10 kHz (Fishman et al. 2019). Die Implantation der Systeme kann in einem einstufigen oder zweistufigen Verfahren durchgeführt werden. Bei dem zweistufigen Verfahren wird zunächst die Elektrode implantiert und über einen externen Stimulator zwischen drei Tagen bis drei Wochen getestet. Nach Testerfolg wird der interne Impulsgenerator implantiert (Baron et al. 2013). Es wird zwischen wiederaufladbaren und nicht wiederaufladbaren Geräten differenziert. Letztere müssen nach einiger Zeit wieder explantiert und durch ein neues Gerät ersetzt werden. Das Wiederaufladen eines Neurostimulators erfolgt von außen durch die Haut. Die Lebenszeit der Geräte variiert je nach Hersteller. Die Lebensdauer von nicht wiederaufladbaren Geräten liegt zwischen zwei und fünf Jahren (Verin 2012). Wiederaufladbare Neurostimulatoren verbleiben zwischen 10 und 25 Jahren im Körper (Elridge et al. 2011). Studien ordneten den wiederaufladbaren Neurostimulatoren eine Überlegenheit zu. Obwohl die initialen Kosten höher waren als bei den nicht wiederaufladbaren Geräten, lag eine bessere Kosteneffektivität und ein verringertes Komplikationsrisiko durch weniger notwendige Gerätewechsel vor (Fishman et al. 2019; Hornberger et al. 2008).

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