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Fragen und AntwortenSteht der Kölner Klinikverbund vor dem Aus?

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bettenhaus Kölner Kliniken

Das Bettenhaus der Uniklinik Köln 

Köln – Von einem „Leuchtturm der Medizin“ ist die Rede, der „Charité des Westens“. Köln könne ein europäischer Spitzenstandort für medizinische Forschung werden, heißt es. Doch das Projekt eines Klinikverbunds aus Uniklinik und städtischen Kliniken, das Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor vier Jahren aus der Taufe gehoben hat, ist über den Status einer Idee bisher nicht hinausgekommen. Bei der Landesregierung hat Köln damit keine offenen Türen eingerannt. Einige halten das Thema bereits für erledigt. Steht der Verbund vor dem Aus? Eine Analyse.

Worum geht es beim Kölner Klinikverbund?

Im November 2017 stellten OB Reker und der Chef der Uniklinik, Prof. Dr. Edgar Schömig, ihre Pläne vor: Durch einen Verbund der Uni mit den drei städtischen Kliniken Merheim, Holweide und Riehl könne das zweitgrößte Klinikum Deutschlands mit rund 3000 Betten entstehen. Das verbessere die Versorgung der Patienten, schaffe Jobs im Medizinsektor. Köln könne in der Forschung zu Top-Kliniken wie der Berliner Charité aufschließen.

Was ist der Hintergrund der Pläne?

Die Uniklinik will wachsen, sich einen Platz in der internationalen Spitzenmedizin sichern. Dafür braucht sie mehr Patienten, doch in Lindenthal ist kein Platz mehr. Sie will einen Verbund unter ihrer Führung. Die Kliniken Köln sind hochdefizitär, bieten aber exzellente Versorgung. Zudem gibt es in Merheim und Holweide große freie Grundstücke für Neubauten. Befürworter betonen die Chancen des Plans, Kritiker fürchten einen Ausverkauf der städtischen Kliniken.

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Wie ist das Projekt angelaufen?

Im November 2019 gab der Stadtrat Reker grünes Licht für Verhandlungen mit dem Land. Die OB äußerte sich zuversichtlich, dass der Klinikverbund zum 1. Januar 2021 an den Start gehen könne. Das erwies sich als Illusion, allerdings kam auch Corona dazwischen. Die Landesregierung bewertete die Konzepte aus Köln als unzureichend, forderte eine Detailplanung. Die legten Uniklinik und Stadt im November 2020 vor. Demnach hätte ein Klinikverbund ein Synergiepotenzial von 42,7 Millionen Euro pro Jahr. Die Düsseldorfer Ministerien für Wissenschaft und Gesundheit schickten daraufhin Fragenkataloge nach Köln.

Warum geht es seitdem nicht voran?

Vor allem wegen der ungeklärten Finanzierung und der Frage, wie viel Geld die Stadt zuschießt. Die Kliniken Köln machten zuletzt rund 50 Millionen Euro Verlust pro Jahr. NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen erklärte im Mai, ein Verbund berge „unabsehbare finanzwirtschaftliche Risiken“. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wurde deutlicher: Das Land könne „nicht der Finanzier einer jahrzehntelangen Misswirtschaft der städtischen Kliniken Köln sein“, sagte er im Gesundheitsausschuss des Landtags. NRW werde keine Kölner Altlasten übernehmen. Die Frage laute daher, „wie die Braut aufgehübscht wird“. Umgekehrt muss sich das Land vorwerfen lassen, es sei seiner Pflicht zur Finanzierung der Kliniken nicht ausreichend nachgekommen.

Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?

Im Frühjahr hat das Land eine „Due Diligence“ (DD) gefordert – eine Prüfung der wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse beider Unternehmen. Diese Analyse hat Anfang Oktober begonnen. Wie das NRW-Wissenschaftsministerium auf Anfrage mitteilte, haben die Projektpartner parallel „eine formelle Anfrage an das Bundeskartellamt gestellt“. Wie lange die Prüfung des Kartellamts dauere, wisse man nicht. „Eine abschließende und tragfähige Bewertung und Entscheidung der Landesregierung wird erst möglich sein, wenn die notwendigen Prüfungen abgeschlossen sind.“

Wie geht es jetzt weiter?

Mit Ergebnissen der DD dürfte nicht vor Anfang 2022 zu rechnen sein. Dann steuert das Land bereits auf den nächsten Wahlkampf zu. Am 15. Mai wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Dass die alte Landesregierung vor der Wahl noch eine Entscheidung trifft, ob sie einen Klinikverbund unterstützt, ist nicht zu erwarten. Zwar gibt es in Köln die vage Hoffnung, der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) könnte sich das Thema im Wahlkampf auf die Fahne schreiben. Doch als viel wahrscheinlicher gilt die Variante, dass erst mal gar nichts passiert. Und ob respektive wann die nächste Landesregierung bereit wäre, das Projekt voranzutreiben, ist offen. Auch die Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen und Münster hoffen auf Förderung vom Land.

Was macht die Konkurrenz?

In Baden-Württemberg ist man schneller. Hier wollen die Uniklinik Heidelberg und die Kliniken der Stadt Mannheim künftig enger zusammenarbeiten. Konkrete Prüfungen für einen Verbund laufen, die Landesregierung dort hat die Idee von Anfang an mit Nachdruck unterstützt und 1,4 Millionen Euro für eine DD bereit gestellt. Man begreift die Fusion dort als Riesenchance.

Was unternehmen die städtischen Kliniken?

Sie können nicht darauf warten, bis man sich in Düsseldorf entscheidet. Dafür sind der Sanierungsstau in Holweide und die Verluste zu groß. Täglich verlieren die Kliniken rund 140 000 Euro. Ralf Unna (Grüne), Aufsichtsratschef der Kliniken Köln, sagt: „Die Klinik Holweide ist baulich, strukturell und wirtschaftlich in einem so desolaten Zustand, dass wir jetzt handeln müssen.“ Bei den drei städtischen Kliniken seien derzeit sechs Stationen geschlossen, davon zwei in Holweide wegen baulicher Mängel und vier wegen Personalnot.

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Deshalb wird nun der von Aufsichtsrat und Stadtrat beschlossene Plan „2+1“ forciert. Die Versorgung wird auf zwei Kliniken konzentriert: Merheim als Maximalversorger mit allen Leistungen und die Kinderklinik Amsterdamer Straße. Die marode Klinik Holweide will man abreißen, nachdem ihre Abteilungen in Neubauten im drei Kilometer Luftlinie entfernten Merheim verlagert wurden. So sollen teure Doppelstrukturen entfallen.

Dieser Prozess soll rund zehn Jahre dauern. In Holweide soll ein neues Medizinisches Versorgungszentrum mit zehn Fachärzten und einer rund um die Uhr besetzten Notaufnahme die Versorgung sicherstellen. Doch gegen eine Schließung der Klinik Holweide gibt es nicht erst seit der Pandemie scharfen Protest.

Ist die „2+1“-Strategie ein Nein zum Klinikverbund?

Nein. Auch im Verbund wäre es Teil der Planungen, Leistungen in Merheim zu konzentrieren. Die Kliniken Köln erklärten: „Die Standortstrategie soll gemäß dem Auftrag des Rates der Stadt Köln umgesetzt werden. Sie ist unabhängig von einem Klinikverbund und würde diesen nicht behindern; sie ist einer solchen Kooperation sehr zuträglich.“

Was plant das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt?

Die Grundstücke, die durch den Abriss der Klinik Holweide frei werden, sollen nicht verkauft werden, betont Ralf Unna. „Hier möchten wir Werkswohnungen für Pflegekräfte bauen. Das wäre ein attraktives Angebot, für die Kliniken zu arbeiten, und könnte bei der Rekrutierung dringend benötigten Personals helfen.“

Unna will auch die Erreichbarkeit der Kliniken verbessern. „Die grüne Fraktion möchte, dass zwischen Holweide und Merheim künftig ein Shuttlebus verkehrt, damit Patienten und Besucher unkompliziert von einer Klinik zur anderen gelangen können. Der Bus sollte auch das weitläufige Klinikgelände in Merheim erschließen und hier an mehreren Punkten halten.“ In Holweide will Unna auch ein Hospiz einrichten. „Das fehlt im Rechtsrheinischen bisher.“

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