Korrektur-OP neugebildeter Vagina einer Frau mit Transidentität in Urologie

Für die medizinische Behandlung einer Frau mit Transidentität kann auch nach Abschluss einer geschlechtsangleichenden Mann-zu-Frau-Operation die ursprüngliche biologische Einordnung der Patientin maßgeblich sein. Dies hat das Sozialgericht Berlin entschieden und der Vergütungsklage eines Krankenhauses stattgegeben, das die Vagina einer Frau mit Transidentität in seiner Fachabteilung für Urologie nachoperiert hatte.

Vagina-OP bei Frau mit Transidentität von Versorgungsauftrag für Urologie gedeckt?

Die bei der beklagten gesetzlichen Krankenkasse versicherte Frau hatte im Jahr 2013 aufgrund einer Mann-zu-Frau Transidentität eine geschlechtsangleichende Operation erhalten. Hierfür waren die männlichen Geschlechtsorgane in eine künstliche Vagina umgestaltet worden. Im Jahr 2018 wurde bei der Versicherten die Korrektur der Vagina medizinisch erforderlich. Das klagende Krankenhaus führte die Operation mit einem Team aus Gynäkologen und Urologen durch und rechnete für die Behandlung gegenüber der Krankenkasse eine Vergütung in Höhe von 4.216,87 Euro ab. Die gesetzliche Krankenkasse verweigerte die Bezahlung, weil die Klinik keinen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe habe. Das Fachgebiet der Urologie umfasse aber nur die Behandlung des männlichen Urogenitalsystems und der weiblichen Harnorgane. Die Behandlung der weiblichen Geschlechtsorgane und damit auch die Korrekturoperation einer neugebildeten Vagina gehöre hingegen zum Fachgebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. 

Personenstandsrechtliche oder anatomische Einordnung entscheidend?

Mit der Klage machte das Krankenhaus geltend, eine geschlechtsangleichende Operation vom Mann zur Frau sei ein urologischer Eingriff an einem biologischen Mann. Daher müssten auch spätere Korrekturoperationen bei dieser Person in den Fachbereich der Urologie fallen. Eine personenstandsrechtliche Änderung vom Mann zur Frau und ebenso eine geschlechtsangleichende Operation änderten nichts daran, dass bei Versicherten mit Mann-zu-Frau-Transidentität weiterhin eine männliche Anatomie vorliege, deren genaue Kenntnis für den Erfolg der Operation maßgeblich sei.

SG: Ursprüngliche biologische Einordnung als Mann ausschlaggebend

Das SG hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zur Zahlung der abgerechneten Vergütung verurteilt. Der Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung entstehe unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten, sofern die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde, also in dessen Versorgungsauftrag falle, und erforderlich sowie wirtschaftlich sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Für eine Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Genitalsystem sei nicht nur der rechtliche Status der Patientin, sondern auch deren ursprüngliche biologische Einordnung heranzuziehen. Denn von besonderer Bedeutung seien die Ausbildung und Erfahrung der Operateure in der Behandlung der Gefäß- und Nervenbahnen der biologisch männlichen Genitalien. Auch die Wiederherstellung einer Neovagina erfolge durch Behandlung von Teilen des biologisch ursprünglich männlichen Geschlechtsorgans. Da sich für die Behandlung männlicher Genitalien eine Zuordnung zum Fachgebiet Urologie ergebe, sei die Operation vom Versorgungsauftrag des klagenden Krankenhauses erfasst. Die Krankenkasse hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt, die bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg anhängig ist.

SG Berlin, Urteil vom 13.09.2021 - S 56 KR 3604/18

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2021.