Unbeschränkte Beweislast der Krankenhäuser für korrekte Abrechnung?

0

Leider haben eine Vielzahl von Krankenhäuser noch mit gerichtlichen Verfahren zu Altfällen zutun, in denen die Krankenkassen Ende 2018 eine Vielzahl von Klagen auf Rückzahlungen von Krankenhausvergütungen aus den Jahren 2014 und 2015 anhängig gemacht hatten und dabei relativ pauschal die fehlerhafte Kodierung von Komplexpauschalen beanstandeten, ohne dass für die Krankenhausabrechnungen jemals ein Prüfverfahren nach den damaligen Vorschriften des § 275 SGB V eingeleitet worden ist. Besonders beliebt sind dabei die Kodierung des OPS-Kodes 8-550 bzgl. der angeblich fehlerhaften Dokumentation der Teambesprechungen unter Verweis auf die Entscheidung des BSG vom 15.10.2014 (- B 1 KR 19/17 R -). Viele Krankenhäuser haben sich in den entsprechenden Verfahren zum Nachweis der richtigen Kodierung geweigert, die Behandlungsunterlagen vorzulegen, weil aus Sicht der Krankenhäuser die Beweislast für den Erstattungsanspruch bei den Krankenkassen liegt.

Das Sozialgericht Saarland hat nun im mehreren Entscheidungen vom 01.12.2021 (- S 41 KR 924/19 – und – S 41 KR 923/19 – nicht rechtskräftig) ein Krankenhaus zur Rückzahlung der Vergütung verpflichtet, weil das Krankenhaus sich im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung nicht auf etwaige Ausschlussfristen berufen könne, sondern allein die damals noch geltende vierjährige Verjährungsfrist einschlägig sei.

Dabei geht das Gericht zwar davon aus, dass auch im Rahmen des streitgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf die Normen der §§ 812 ff. BGB zurückzugreifen wäre, nimmt dann aber ohne Weiteres an, dass allein das beklagte Krankenhaus die ordnungsgemäße Kodierung zu beweisen habe, wozu sie die vollständige Dokumentation der Behandlung vorzulegen habe. Tue sie dies nicht, sei insbesondere die Erfüllung der Dokumentationsforderungen nicht überprüfbar, so dass das beweisbelastete Krankenhaus keinen Anspruch auf die entsprechende Vergütung habe. Die umfassende Nachweispflicht begründet das Gericht dabei, mit der bestehenden Beweislast für die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 24/08 –).

Die Entscheidungen sind unzutreffend und gehen insbesondere nicht auf das Problem ein, dass wenn zum Nachweis der korrekten Kodierung auf die Patientendokumentation zurückgegriffen werden muss, die Nachweispflicht nicht allein beim Krankenhaus sein kann, weil andernfalls die Ausschlussreglungen für die mögliche Vorlage der Unterlagen an den MD und daraus folgende Präklusionsvorschriften für das gerichtliche Verfahren vollständig umgangen werden. Sofern der Nachweis der nicht korrekten Kodierung aus den § 301er-Daten nicht geführt werden kann, müsste konsequenterweise ein Prüfverfahren durch den MD eingeleitet werden, weil die Krankenkasse anders an die Patientendokumentation gar nicht gelangen kann. Tut sie dies aber nicht, kann diese Prüfung nicht im gerichtlichen Verfahren durch die Umverteilung der Beweislast nachgeholt werden. Gerade für die vom Sozialgericht für das Saarland zitierte Rechtsprechung des BSG zur medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung gelten die Ausschlussfristen des § 275 Abs. 1c SGB V aF. Zumindest über die Grundsätze von Treu und Glauben kann bei pauschalen Bestreiten der korrekten Kodierung nicht die gesamte Beweislast für die korrekte Kodierung beim Krankenhaus liegen.

Für Rückfragen zu diesem oder einem anderen medizinrechtlichen Thema stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de

Ihre Meinung dazu?

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.
Ihre E-Mailadresse wird weder veröffentlicht, noch an Dritte weitergegeben.

* *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden .