Einleitung

Die Feststellung des Todes gehört zum Aufgabenbereich eines jeden Arztes [3]. Ziel der Leichenschau ist es, die Identität der Leiche, den sicheren Tod sowie die Todesart festzustellen, den Todes‑/Sterbezeitpunkt zu eruieren, ggf. zu schätzen und festzulegen, die Todesursache zu spezifizieren und diese Informationen in der ärztlichen Todesbescheinigung zu dokumentieren. Darüber hinaus ist der Arzt verpflichtet, einen ungeklärten oder nichtnatürlichen Tod, einen unbekannten Toten, eine Berufskrankheit sowie übertragbare Erkrankungen gemäß §6 des Infektionsschutzgesetzes behördlich zu melden. Somit obliegt dem Leichenschauarzt eine wichtige Kontrollfunktion [9].

In Deutschland ist die Gesetzgebung zur Regelung der Leichenschau und des Obduktionswesens auf Landesebene verankert [2]. Hierbei sehen die Landesgesetze bzw. -verordnungen vor, dass bei jedem Todesfall eine ärztliche Leichenschau stattfinden muss. Im Allgemeinen darf jeder approbierte Arzt die Leichenschau durchführen und zu einer solchen auf Verlangen herangezogen werden. Allein Notärzte im Rettungsdiensteinsatz können sich u. U. der Durchführung einer vollständigen Leichenschau entziehen, sie müssen jedoch auf jeden Fall eine Todesfeststellung machen [13].

Für Deutschland existieren nur wenige publizierte Daten zur Frage, welche Ärzte im medizinischen Berufsalltag die Leichenschau tatsächlich durchführten [4,5,6,7, 14]. Zum Thema publizierten Gleich et al. Ergebnisse von 53.632 ausgewerteten Todesbescheinigungen von 2012 bis 2015 in der Stadt München Verstorbener. In 61,0 % der Fälle hatten Krankenhausärzte und in 39,0 % niedergelassene Ärzte das amtliche Dokument ausgestellt [4, 5]. In einer weiteren Untersuchung des Jahres 2016 wurde die ärztliche Fachrichtung aufgeschlüsselt [6]. Im stationären Bereich stellten mit 80,3 % überwiegen Internisten, im ambulanten Bereich mehrheitlich Allgemeinmediziner (57,6 %), gefolgt von Internisten (24,2 %) und praktischen Ärzten (15,2 %), die Todesbescheinigung aus. Zack et al. werteten 10.000 Todesbescheinigungen in Mecklenburg-Vorpommern Verstorbener aus, bei denen im Zeitraum von August 2012 bis Mai 2015 am Krematorium Rostock eine 2. ärztliche Leichenschau vor einer Feuerbestattung durch Ärzte des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock durchgeführt worden war [14]. Hierbei war die prozentuale Verteilung der Leichenschauärzte wie folgt: 48,7 % Krankenhausärzte, 45,2 % niedergelassene Ärzte, 1,5 % Notärzte, 4,6 % Ärzte ohne Zuordnung.

Entsprechend dem Methodenansatz der Münchener Forschungsgruppe von Gleich et al., werteten ebenso Dasch et al. [1] sämtliche Todesbescheinigungen in ausgewählten westfälischen Regionen zum Schwerpunktthema Sterbeort aus. Zudem erhielt der Datensatz Informationen zu strukturellen Rahmenbedingungen der Leichenschau (Leichenschauarzt, Untersuchungstag, Untersuchungszeit), dessen Analyseergebnisse nun im Detail vorgestellt werden.

Material und Methoden

Studiendesign und Datengrundlage

Die Sterbeortstudie basiert auf dem Design einer epidemiologischen Querschnittserhebung [1]. Ausgewertet wurden sämtliche Todesbescheinigungen der Städte Bochum und Münster sowie der Landkreise Borken und Coesfeld zu den Jahrgängen 2001, 2011 und 2017. Die Erhebung der Daten erfolgte vor Ort in den jeweiligen Gesundheitsämtern. Neben dem Sterbeort wurden u. a. auch ärztliche Angaben zu Todesart und Todesursache (mit Schwerpunkt auf Tumorerkrankungen und Demenz) registriert und ausgewertet.

Zum Thema Struktur der Leichenschau lagen Informationen von 3844 Personen, die in der Stadt Münster im Jahr 2017 verstorben waren, vor. Das mittlere Sterbealter der Verstorbenen betrug 76,4 Jahre mit einer Standardabweichung von 16,8 Jahren. Das Geschlecht war zu etwa gleichen Anteilen verteilt. In 58,7 % der Fälle war der Tod der Verstorbenen im Krankenhaus, in 41,3 % der Fälle im ambulanten Bereich attestiert worden. Einen Überblick zu den Verstorbenen gibt Tab. 1.

Tab. 1 Charakteristika von Personen, die in der Stadt Münster 2017 verstarben

Leichenschauarzt

Leichenschauärzte wurden anhand des Namens, möglicher Fachgebietsangaben, durch den Gebrauch eines Arztstempels und durch ärztliche Angaben zum Item „zuletzt behandelt durch Hausarzt/Krankenhaus(-abteilung)“ identifiziert. Aus diesen Informationen ließen sich 5 unterschiedliche Arztgruppen zusammenstellen: 1. Krankenhausärzte, 2. niedergelassene Ärzte 3. Palliativmediziner des ambulanten palliativmedizinischen Konsiliardienstes Münster (PKD Münster), 4. Notärzte, 5. Mediziner des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster.

Tag der Leichenschau

Erfasst wurde der Tag der ärztlichen Leichenschau. Gemäß dem dokumentierten Datum wurde nachrecherchiert, ob es sich beim Untersuchungstag um einen Werktag oder um ein Wochenende bzw. einen Feiertag gehandelt hatte.

Uhrzeit der Leichenschau

Analysiert wurde die angegebene Leichenschauzeit. Waren 2 Leichenschauen durchgeführt worden, wurde die letztgenannte Untersuchung gewertet. Sechs Zeitabschnitte wurden definiert: 1. 0:00–3:59, 2. 4:00–7:59, 3. 8:00–11:59, 4. 12:00–15:59, 5. 16:00–19:59, 6. 20:00–23:59 Uhr.

Sterbeort und Leichenschau

Die Durchführung der ärztlichen Leichenschau wurde indirekt über die Angabe des Sterbeortes ermittelt. Eingeteilt wurde der Sterbeort in die Kategorien häusliches Umfeld, Krankenhaus, stationäre Pflegeeinrichtung, Hospiz und sonstiger Ort. Zur Kategorie stationäre Pflegeeinrichtung wurden das Pflege- und Seniorenheim, Wohnformen des betreuten Wohnens sowie die Kurzzeitpflege gezählt. Sonstige Orte betrafen u. a. öffentliche Plätze, Hausarztpraxen, Freizeiteinrichtungen.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte rein deskriptiv. Nominale Variablen wurden in absoluten Zahlen und relativen Anteilen, stetige Variablen durch die Maßzahlen Mittelwert und Standardabweichung dargestellt. Getestet wurde, ob sich ambulant und stationär Verstorbene hinsichtlich Geschlecht, Alter und Todesart signifikant unterschieden. Auch wurde getestet, ob ein Unterschied in der prozentualen Verteilung ärztlicher Leichenschauer hinsichtlich der Untersuchungstage (Werktage vs. Wochenenden/Feiertage) statistisch nachweisbar war. Folgende Testverfahren kamen zur Anwendung: stetige Daten, parametrisch > unverbundener t-Test, nicht-parametrisch > Mann-Whitney-U-Test; kategorielle Daten > Chi-Quadrat Test. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt. Aufgrund multipler Testungen derselben Grundgesamtheit wurde eine Bonferroni-Korrektur durchgeführt. Zur statistischen Analyse wurde das Softwareprogramm IBM SPSS Statistics Version 27 verwendet.

Ethikvotum und Datenschutz

Unter Wahrung vorgeschriebener Datenschutzbedingungen wurde vom Gesundheitsamt Münster die Auswertung der Todesbescheinigungen erlaubt. Ebenso lag die Zustimmung der Ethik-Kommission der Ruhr-Universität Bochum vor – Studiendurchführung gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen überarbeiteten Fassung) sowie im Einklang mit nationalem Recht (Votum-Nr.: 17-6330).

Ergebnisse

Leichenschauärzte

Die ärztliche Leichenschau wurde mit 58,6 % am häufigsten von Krankenhausärzten durchgeführt. Bei Todesfällen außerhalb des Krankenhauses (1589) hatten niedergelassene Ärzte und Palliativmediziner zu etwa gleichen Anteilen die Untersuchung durchgeführt (42,8 % vs. 40,7 %). In 11,3 % der ambulanten Sterbefälle stellten Notärzte und in 5,2 % Rechtsmediziner den Tod fest. Lediglich bei einem stationären Patienten mit Diagnose eines Lymphoms und Z. n. Stammzelltransplantation sowie V. a. Graf-versus-Host-Reaktion bei akutem Abdomen war die Todesbescheinigung von einem Rechtsmediziner ausgestellt worden (Tab. 2).

Tab. 2 Leichenschauende Ärzte

Tag der Leichenschau

Der Tag der Leichenschau war in 69,1 % der Fälle (2657) ein Werktag und in 30,6 % (1176) der Fälle ein Samstag, Sonntag oder Feiertag. Bei 11 Todesbescheinigungen (0,3 %) war der Leichenschautag nicht dokumentiert worden.

Der Tod ambulanter Sterbefälle wurde werktägig mit 46,5 % primär von niedergelassenen Ärzten und an Wochenenden sowie Feiertagen in 54,6 % der Fälle vorzugweise von Palliativmedizinern attestiert. Rechtsmediziner waren bei Todesfällen außerhalb des Krankenhauses in 7,4 % der Fälle werktägig und in 0,2 % der Fälle an einem Wochenende oder einem Feiertag mit der Leichenschau beauftragt worden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Ärztliche Leichenschauer bei ambulanten Todesfällen – unterteilt nach Werktagen und Wochenenden/Feiertagen. Asterisk p < 0,05 (Bonferroni-korrigiert)

Uhrzeit der durchgeführten Untersuchung

Krankenhausärzte führten die Untersuchung relativ unabhängig von der Tages- und Nachtzeit durch. Niedergelassene Ärzte präferierten mit 42,0 % (218/519) an Werktagen die Zeit zwischen 12:00 und 15:59 Uhr, Palliativmediziner mit 39,6 % (155/391) die Vormittagsstunden von 8:00 bis 11:59 Uhr und an Wochenenden/Feiertagen die Zeit von 12:00 bis 15:59 Uhr (39,2 %; 100/255) (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Tag und Uhrzeit der Leichenschau. a Werktage, b Wochenenden und Feiertage. K Krankenhausärzte, N Niedergelassene Ärzte, P Palliativmediziner (PKD),  Notärzte, R Rechtsmediziner

Sterbeort und Leichenschau

Bezogen auf alle 3844 Sterbefälle war die Sterbeortverteilung wie folgt: Krankenhaus 58,6 % (2255), stationäre Pflegeeinrichtung 18,9 % (726), häusliches Umfeld 15,0 % (578), Hospiz 6,5 % (251), sonstige Orte 0,9 % (34).

Im häuslichen Umfeld führten vorzugsweise Palliativmediziner (32,4 %; 187/578) und niedergelassene Ärzte (31,5 %; 182/578), in stationären Pflegeeinrichtungen überwiegend niedergelassene Ärzte (64,7 %; 470/726) und im Hospiz primär Palliativmediziner (90,0 %; 226/251) die Leichenschau durch. Todesfälle, die sich an öffentlichen Orten zugetragen hatten (34), waren zu 52,9 % (18) von einem Rechtsmediziner und zu 44,1 % (15) von einem Notarzt untersucht worden (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Sterbeorte sämtlicher Todesfälle (n = 3844) – unterteilt nach Leichenschauärzten

Diskussion

In vorliegender Untersuchung wurden sämtliche Todesbescheinigungen der Stadt Münster für den Jahrgang 2017 ausgewertet. Hierbei zeigte sich, dass über die Hälfte (58,6 %) aller ärztlichen Leichenschauen von Krankenhausärzten durchgeführt worden waren. Todesfälle außerhalb des Krankenhauses waren in etwa gleichen Anteilen von niedergelassenen Ärzten (42,8 %) und Palliativmedizinern des ambulanten palliativmedizinischen Konsiliardienstes (40,7 %) untersucht worden. Bei etwa jedem 10. ambulanten Sterbefall hatte ein Notarzt, bei jedem 20. ein Rechtsmediziner den Tod attestiert.

Die Studiendaten bestätigen damit Ergebnisse der Münchener Forschungsgruppe von Gleich et al., die mit einem ähnlichen Methodenansatz für die in der Stadt München Verstorbenen der Jahrgänge 2012–2015 belegen konnten, dass 61,0 % der dokumentierten Leichenschauen von Krankenhausärzten und 39,0 % von Nichtklinikärzten durchgeführt worden waren [5, 6]. Analysen von 5210 Todesbescheinigungen der 28. bis 48. Kalenderwoche (2016) ergaben zudem Informationen zur ärztlichen Fachrichtung Leichenschauender. So ließ sich zeigen, dass mit 80,3 % im Krankenhaus überwiegend Internisten, gefolgt von Chirurgen (4,9 %), Geriatern (3,3 %), Neurologen (3,3 %), Anästhesisten (1,6 %), Palliativmedizinern/SAPV (1,6 %) und Pädiatern (1,6 %) die Leichenschau durchgeführt hatten. Außerdem betrafen Bescheinigungen von niedergelassenen Ärzten mehrheitlich Allgemeinmediziner (57,6 %), gefolgt von Internisten (24,2 %) und praktischen Ärzten (15,2 %); Bescheinigungen vom Leichendienst zu 90,0 % Internisten und zu 10,0 % praktische Ärzte [6]. Zack et al. werteten 10.000 Todesbescheinigungen verstorbener Personen aus Mecklenburg-Vorpommern aus, bei denen eine 2. ärztliche Leichenschau vor einer Feuerbestattung durchgeführt worden war [14]. Für diese selektierte Personengruppe ergab sich ein höherer Anteil von niedergelassenen Ärzten (45,2 %), jedoch hatten auch in dieser Erhebung Ärzte im Krankenhaus vergleichend zu den anderen ärztlichen Leichenschauern mit 48,7 % am häufigsten den Tod eines Patienten festgestellt.

Es überrascht nicht, dass Leichenschauen häufig in Krankenhäusern durchgeführt werden. Laut Statistischem Bundesamt verstarben im Jahr 2019 insgesamt 427.199 Patienten in einem Krankenhaus, was einem Anteil von 45,5 % der bundesweiten Sterbefälle entspricht [12]. Dasch et al. konnten in einer umfangreichen deutschen Sterbeortstudie zeigen, dass das Krankenhaus mit Abstand den häufigsten Sterbeort darstellt. Hier ereignet sich annähernd jeder 2. Sterbefall [1].

In vorliegender Untersuchung rangierten niedergelassene Ärzte mit 17,7 % aller durchgeführten Leichenschauen an 2. Stelle der Rangordnung leichenschauender Ärzte. Leider ließ sich aus methodischen Gründen im Einzelfall nicht weiter differenzieren, ob der behandelnde Hausarzt, ein Arzt des kassenärztlichen Notdienstes oder ein sonstiger Arzt im ambulanten Setting die Leichenschau durchgeführt hatte. Vermutlich dürfte in den meisten Fällen der Hausarzt diese Aufgabe übernommen haben, stellt er doch für hinterbliebene Angehörige den primären Ansprechpartner zur Frage der Todesfeststellung eines verstorbenen Familienmitglieds dar.

Unsere Daten belegen, dass Palliativmediziner des palliativmedizinischen Konsiliardienstes Münster bei 40,8 % aller ambulanten Sterbefälle die Leichenschau durchgeführt hatten. Damit rangierten Palliativmediziner mit 16,8 % aller attestierten Todesbescheinigungen nur knapp hinter den niedergelassenen Ärzten. Diese Beobachtung hängt mit der strukturellen Regelung der ambulanten Palliativversorgung in Westfalen-Lippe zusammen. Im Gegensatz zur Mehrzahl sonstiger Regionen Deutschlands wurde hier die Versorgung anderweitig geregelt, indem Strukturen der allgemeinen (AAPV) mit der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) kombiniert wurden [8]. Das Ziel war es, die ambulante Palliativversorgung unter Stärkung des Hausarztes als Koordinator möglichst breit aufzustellen. Das westfälische Model stützt sich hierbei auf die (verpflichtende) Kooperation von niedergelassenen Ärzten mit einem sog. palliativmedizinischen Konsiliardienst. Der PKD weist personelle wie fachliche Qualitätsstandards auf, zuzüglich einer 24-stündigen Erreichbarkeit, um im Bedarfsfall bis hin zur spezialisierten Vollversorgung palliativmedizinisch tätig zu werden. In Münster wurde der PKD im Jahr 2006 gegründet, welcher im Jahr 2017 weit mehr als 1000 Palliativpatienten betreute. Im Jahr 2017 hatte etwa jeder 4. in der Stadt Münster Verstorbene am Lebensende Kontakt zu einem Mitarbeiter des PKD [1]. Insofern verwundert es nicht, dass in der Stadt Münster häufig ambulant tätige Palliativmediziner der SAPV mit der Durchführung von Leichenschauen beauftragt worden waren.

Notärzte führten in 4,7 %, Rechtsmediziner in 2,2 % aller Todesfälle die ärztliche Leichenschau durch. Zumeist betraf dies Todesfälle mit ungeklärter oder nichtnatürlicher Todesart. In vielen Bundesländer – so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) – sind Notärzte von der Verpflichtung einer vollständigen Leichenschau befreit, um die Garantenpflicht zur Versorgung weiterer Notfallpatienten nicht zu gefährden [10]. Hierbei sollte der Notarzt für einen nachfolgenden ärztlichen Leichenschauer sorgen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Hier bietet sich der Hausarzt, alternativ ein Arzt des kassenärztlichen Notdienstes, bei Patienten mit palliativer Grunderkrankung auch ein Palliativmediziner der ambulanten Palliativversorgung an. Für letztgenannte Personengruppe wurde in Münster eine Vereinbarung zwischen dem Rettungsdienst der Stadt Münster und dem PKD Münster getroffen, welche eine ärztliche Betreuungsübernahme von Palliativpatienten in einer Sterbesituation durch Ärzte des PKD während eines Rettungseinsatzes optional vorsieht.

Ein Leichenschaudienst, wie etwa im Modellprojekt der Stadt Frankfurt seit 2018 erfolgreich etabliert [11], war in der Stadt Münster nicht existent.

Leichenschauzeit

Die Studienauswertung ergab, dass Ärzte im Krankenhaus die Leichenschau relativ unabhängig von der Tages- und Nachtzeit durchführten. Dies erscheint plausibel, da bei Klinikärzten im Vergleich zu niedergelassenen Ärzten das Aufsuchen der Leiche außerhalb der Dienstörtlichkeit entfällt. Zusätzlich bietet sich die Option, die Leichenschau außerhalb der regulären werktägigen Arbeitszeit an eine(n) diensthabende(n) Ärztin/Arzt zu delegieren. Ambulant tätige Ärzte bevorzugten den Vormittag sowie die Mittagszeit zu Durchführung der Leichenschau. So zeigte sich, dass niedergelassene Ärzte schwerpunktmäßig an Werktagen zwischen 12:00 bis 15:59 Uhr die Untersuchung durchführten. Demnach kann spekuliert werden, dass sie die Mittagsstunden zwischen den Praxisöffnungszeiten nutzten, um einen Hausbesuch zu tätigen. Hingegen bevorzugten Ärzte des PKD Münster die Vormittagsstunden. Dies könnte auch damit im Zusammenhang stehen, dass Ärzte des PKD – welche nicht an starre Praxisöffnungszeiten gebunden sind – die Durchführung der Leichenschau mit Angehörigen der verstorbenen Person oder mit Mitarbeitern von Pflegeheimen bzw. Hospizen zeitlich abgesprochen hatten, um möglicherweise nicht zwingend nötige nächtliche Einsätze zu vermeiden. Der Tod von Sterbefällen im ambulanten Bereich wurde werktägig mit 46,5 % primär von niedergelassenen Ärzten und an Wochenenden sowie Feiertagen mit 54,6 % vorzugweise von Palliativmedizinern attestiert. Eigene berufliche Erfahrungen des Autors aus dem SAPV-Bereich zeigen, dass es unter Hausärzten durchaus gängige Berufspraxis ist, die Todesfeststellung von einem in die SAPV eingeschriebenen und an einem Wochenende oder Feiertag verstorbenen Palliativpatienten durch einen Arzt der SAPV durchführen zu lassen, da dieser an jenem Wochenende/Feiertag diensthabend tätig ist.

Ort der Leichenschau

Gemäß der ermittelten Sterbeortrangfolge war das Krankenhaus der Ort, an dem die meisten ärztlichen Leichenschauen durchgeführt wurden, gefolgt von stationären Pflegeeinrichtungen, häuslichem Umfeld, Hospiz und sonstigen Orten.

In stationären Pflegeeinrichtungen wurde die Untersuchung primär niedergelassenen Ärzten (65,0 %), im Hospiz vorrangig Ärzten des PKD Münster (90,4 %) anvertraut. Dies deutet auf gewachsene Versorgungsstrukturen hin, wobei Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen wohl primär den Hausarzt und Hospizmitarbeiter vorrangig den Palliativmediziner als ärztlichen Ansprechpartner betrachteten. Gleich et al. ermittelten bei verstorbenen Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen der Stadt München einen Anteil niedergelassener Ärzte von 72,3 %. In lediglich 0,4 % der Fälle hatten Ärzte der SAPV verstorbene Altenheimbewohner untersucht [7]. In vorliegender Untersuchung zeigte sich, dass Leichenschauen im häuslichen Umfeld zu etwa gleichen Anteilen von Palliativmedizinern (32,4 %) und niedergelassenen Ärzten (31,5 %) durchgeführt worden waren.

Vierunddreißig Todesfälle hatten sich an öffentlichen Orten ereignet, deren Todesart fast ausnahmslos als nichtnatürlich oder ungeklärt deklariert worden war. Hier war die Leichenschau vorwiegend von Rechtsmedizinern und Notärzten durchgeführt worden. Im häuslichen Umfeld war jeder 4. Todesfall von einem Notarzt und jeder 10. von einem Rechtsmediziner untersucht worden.

Limitationen

Die Studie basierte auf Analysen sämtlicher Todesbescheinigungen für Personen, die in der Stadt Münster 2017 verstorben waren. Daher kann die Untersuchung nicht als repräsentativ gelten. Es wurde viel Mühe darauf verwendet, ärztliche Leichenschauer gewissenhaft zu identifizieren. Jedoch war dieses Vorgehen methodischen Grenzen ausgesetzt. Daher war es uns nicht möglich, die Gruppe niedergelassener Ärzte weiter zu unterteilen (z. B. in Hausärzte, Ärzte des kassenärztlichen Notdienstes etc.). Auch leiteten wir den Ort der Leichenschau indirekt aus den ärztlichen Angaben zum Sterbeort ab.

Schlussfolgerung

Die Studienergebnisse zeigen, dass ärztliche Leichenschauen in der Stadt Münster im Jahr 2017 am häufigsten von Ärzten im Krankenhaus durchgeführt wurden. Im ambulanten Bereich war diese Aufgabe zu etwa gleichen Anteilen von niedergelassenen Ärzten und Palliativmedizinern der SAPV übernommen worden, wobei sich diese Beobachtung wesentlich auf die besondere Regelung der ambulanten Palliativversorgung in Westfalen zurückführen lässt. Zeit und Ort der Untersuchung variierten in Abhängigkeit vom durchführenden Leichenschauarzt z. T. erheblich.

Fazit für die Praxis

Die ärztliche Leichenschau wird am häufigsten von Krankenhausärzten durchgeführt. Im ambulanten Bereich obliegt diese Aufgabe primär niedergelassenen Ärzten, jedoch führen Palliativmediziner der SAPV auch häufig diese Untersuchung durch. Letztgenannte Beobachtung ist für Deutschland jedoch nicht repräsentativ, sondern spezifisch für die untersuchte Stadt Münster.