S 18 KR 625/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 625/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 339/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz hieraus seit dem 31.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes. 

Die Klägerin ist Trägerin des A. Hospitals in A-Stadt. Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. befand sich in der Zeit vom 04.11.2011 bis zum 16.12.2011 in der Klinik der Klägerin zur vollstationären Behandlung.

Bei der 37-jährigen Versicherten bestand eine sensible Querschnittslähmung unterhalb Th10 mit Blasenentleerungsstörungen. Vorangegangene Wirbelsäuleneingriffe beinhalteten zwei jeweils thorakoskopische Bandscheibenoperationen BWK 5/6 (8/2003) und 7/8 (2005) sowie eine Bandscheibenoperation mit angestrebter Fusion BWK 9/10 durch die Interposition eines Rippenköpfchens am 13.07.2010. In diesem Segment bestand zum Vorstellungstermin der Versicherten in der Klinik der Klägerin, also 15 Monate nach dem Eingriff, der Verdacht auf ein „non-union“, womit eine fehlende Ausbildung einer knöchernen Verbindung zwischen den beiden Wirbeln BWK9 und BWK10 benannt wird.

Nachdem sich der Verdacht auf ein „non-union“ nach einer Computertomographie bestätigt hatte, erklärte die Versicherte ihr Einverständnis zu einer Revisionsoperation unter Verwendung von Wachstumsfaktoren durch die Gabe von Dibotermin alfa, einem osteoinduktiven Protein, das die Bildung von neuem Knochengewebe an der Implantationsstelle stimuliert.

Eine Alternative zur Gabe von Dibotermin alfa hätte nach Auffassung der Klägerin lediglich darin bestanden, eine erneute Transplantation von Eigenknochen vorzunehmen, wie es bereits bei der Operation am 13.07.2010 geschehen sei. Für einen Ersteingriff stelle die Transplantation von Eigenknochen noch immer einen Goldstandard dar, weil diese Vorgehensweise prinzipiell ein gutes Knochenbildungspotential aufweise. Da bei der Versicherten bereits am 13.07.2010 im Rahmen der Operation in Bad Homburg eine Knochentransplantation mit Eigenknochen erfolgt sei, habe bei einer erneuten Verwendung dieses Materials von einer anderen Entnahmestelle keine begründete Hoffnung auf eine bessere Heilungstendenz bestanden. 

Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung wäre die alleinige Verwendung von Fremdknochenersatzmaterial gewesen. Der Einsatz von Fremdknochen berge jedoch das Risiko der Übertragung von Krankheiten sowie Abstoßungsreaktionen; Knochenersatzmaterialien bedingten ein geringeres Knochenheilungspotential im Vergleich mit Eigenknochen und Wachstumsfaktoren.

Aufgrund des Standes der aktuellen Forschung zum Zeitpunkt des Eingriffs sei hingegen bei „non union“ von einer verbesserten Heilungsrate durch die Anwendung von Wachstumsfaktoren mittels des Medikaments Dibotermin alfa auszugehen gewesen.

Mit Rechnung vom 03.01.2012 bezifferte die Klägerin die Behandlungskosten in Höhe von 21.272,70 €. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG I06D (Komplexe Eingriffe an der Wirbelsäule ohne hochkomplexen oder sehr komplexen Eingriff, ohne Wirbelkörperersatz, ohne schwere entzündliche Erkrankung oder bösartige Neubildung, mit äußerst schweren CC) sowie des Zusatzentgeltes ZE 2011-63 in Höhe von 2.950,- €. Die Fallpauschale basiert u.a. auf der Kodierung der Hauptdiagnose M42.14 (Osteochondrose der Wirbelsäule) und dem OPS 6-003.40 (Applikation von Medikamenten, Dibotermin alfa, Implantation am Knochen, 12 mg bis unter 24 mg). 

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 09.10.2012 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die vollstationäre Behandlung und die Behandlungsdauer nachvollziehbar seien. Nicht nachvollziehbar sei die Kodierung der Prozedur OPS 6-003.40. Bei der Einbringung von Dibotermin alfa handele es sich um einen Off-Label-Use. Das Zusatzentgelt ZE 2011-63 sei daher zu streichen.

Am 31.10.2012 hat die Beklagte den Differenzbetrag in Höhe von 2.950,00 € mit anderen Forderungen der Klägerin verrechnet.

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 07.11.2012 hat der MDK seine Auffassung mit Gutachten vom 23.04.2013 bestätigt.
    
Die Klägerin hat am 23.12.2015 Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Abrechnung des Zusatzentgeltes ZE 2011-63 gemäß der Anl. 6 zum Fallpauschalenkatalog 2011 i.H.v. 2.950 € rechtmäßig sei. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Off-Label-Use bei Arzneimitteln zur ambulanten Versorgung von Versicherten stünde der Anwendung von Arzneimitteln bei der stationären Behandlung im Krankenhaus nicht entgegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 31.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Verwendung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung grundsätzlich nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Patientenakte der Klägerin und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG). 

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 90, 1 ff.). Es ist demnach weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist zu beachten. 

Die Klage ist begründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die vollstationäre Behandlung der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patientin C. vom 04.11.2011 bis 16.12.2011 nach der DRG I06D nebst dem Zusatzentgelt ZE 2011-63 gemäß der Rechnung vom 03.01.2012 in Höhe von insgesamt 21.272,70 € zu.

Demzufolge hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin am 31.10.2012 keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Teilbetrages der Rechnung der Klägerin vom 03.01.2012 in Höhe von 2.950,- €, den sie mit weiteren Forderungen der Klägerin nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 387 ff. BGB aufrechnen konnte (vgl. zur Aufrechnung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches BSG, Urteil vom 19.9.2013 – B 3 KR 30/12 R).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V mit Verweis auf das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), sowie der „Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V“ zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen (-verbänden). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber einem Krankenhaus entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Krankenhauses durch einen Versicherten der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. 

Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus und die Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin war auch erforderlich i. S. d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Hessen (MDK) führt in seinem Gutachten vom 09.10.2012 aus, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen sei. Diese Aussage beinhaltet die Feststellung, dass die vollstationäre Behandlung der Patientin keine primäre Fehlbelegung darstellt, sondern erforderlich i. S. d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V war.

Streitig ist allein die Höhe des Vergütungsanspruches. Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i. V. m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntGG) aus einem diagnosebezogenen, pauschalierendem (DRG-)Vergütungssystem, das der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherungen gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart hat. Das Vergütungssystem besteht aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit Fallpauschalenkatalog (G-DRG). Der Fallpauschalenkatalog soll das vollständige Krankheits- und Leistungsspektrum der deutschen Krankenhäuser abbilden. Er basiert im Wesentlichen auf der Klassifikation der Diagnosen und Prozeduren. Zunächst werden die Diagnosen nach der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD-10), in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Deutschen Fassung (ICD-10-GM), und die medizinischen Prozeduren nach dem ebenfalls vom DIMDI herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) kodiert. Aus den ermittelten Diagnose- sowie Operationen- und Prozedurenkodes wird mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiteren fallbezogenen Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer, usw.) eine DRG-Fallpauschale sowie die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung und Entgeltermittlung liegt ein festgelegter, von den Beteiligten nicht zu beeinflussender Algorithmus zugrunde (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07R). 
Zur Einführung, Weiterentwicklung und Pflege des neuen Vergütungssystems haben die Selbstverwaltungspartner das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) gegründet. Zur Durchführung der Kodierung haben die Vertragsparteien „Deutsche Kodierrichtlinien“ (DKR) vereinbart, die jährlich aktualisiert werden. 
Das Vergütungssystem, das für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn es allgemein streng nach seinem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind die Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Die – nach Auffassung eines Beteiligten – bloße Unter-, Über-, oder Nichtbewertung eines Leistungsbestandteils einer Krankenhausbehandlung als solche rechtfertigt daher kein Abweichen von einer strengen Wortlaut- und ergänzenden systematischen Auslegung. Da das DRG-basierte Vergütungssystem gemäß § 17b Abs.2 KHG als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. (BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R). Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) haben hierzu entsprechende Vorschlagsverfahren vorgesehen.

Auf den streitgegenständlichen Fall finden die für das Jahr 2011 maßgeblichen Normverträge und Regelwerke Anwendung.

Vorliegend steht nicht die Fehlerfreiheit der Groupierung, d.h. die rechnerische Ermittlung der DRG–Fallpauschale sowie des daraus errechneten Entgeltes, sondern die Richtigkeit der vorangegangenen Kodierung der Prozedur OPS 6-003.40 (Applikation von Medikamenten, Dibotermin alfa, Implantation am Knochen, 12 mg bis unter 24 mg) nebst dem Zusatzentgelt ZE 2011-63 in Streit.

Die Applikation von Dibotermin alfa (OPS 6-003.40) war im Rahmen einer ansonsten (unstreitig) erforderlichen vollstationären Behandlung im Krankhaus der Klägerin notwendig i. S. d. §§ 2, 12, 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 S. 3, 137c SGB V.

Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln im Krankenhaus ist in den §§ 2, 12, 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 3, 137c SGB V abschließend geregelt und ihre Vergütung ist – sofern keine Zusatzentgelte vereinbart worden sind - von der allgemeinen Vergütung der Krankenhausleistung abgedeckt. Vorliegend haben die Beteiligten für die streitgegenständliche Gabe von Dibotermin alpha gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 FPV 2011 ein krankenhausindividuelles Zusatzentgelt vereinbart. Das Zusatzentgelt ist in der Anl. 6 zum Fallpauschalenkatalog als ZE 2011- 63 bezeichnet und zwischen den Beteiligten mit einem individuellen Entgelt in Höhe der streitgegenständlichen Summe von 2.950,00 € bepreist worden.

Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 S. 2 SGB V unter anderem ärztliche Behandlung (Nr. 1), Versorgung mit Arznei , Verband –, Heil – und Hilfsmittel (Nr. 3) sowie Krankenhausbehandlung (Nr. 5).

Die Krankenhausbehandlung i. S. d. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V wird in § 39 Abs. 1 SGB V umfassend geregelt, sodass die übrigen dem § 27 SGB V nachfolgenden Regelungen über die vertragsärztliche Versorgung (§ 28 SGB V) sowie die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 31 SGB V) nicht unmittelbar die Krankenhausbehandlung betreffen. 

Die vollstationäre Behandlung der Patientin C. im Krankenhaus der Klägerin war erforderlich im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V (vergleiche oben).

Sie war auch notwendig i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V. Nach § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Die Vorschrift nimmt zur Konkretisierung der ärztlichen Behandlung im Krankenhaus ausdrücklich auf § 28 Abs. 1 SGB V, hinsichtlich der hier streitigen Versorgung mit Arzneimitteln hingegen nicht auf § 31 SGB V Bezug. Einer Anwendung der Vorschriften über die ambulante Versorgung mit Arzneimitteln (§§ 31, 35c SGB V) in der stationären Behandlung im Krankenhaus steht im Übrigen auch entgegen, das Krankenhäuser die für den ambulanten Bereich geschaffenen Ausnahmetatbestände über den Off-Label-Use von Arzneimitteln nicht nutzen können und insoweit schlechter als Vertragsärzte in der ambulanten Versorgung gestellt wären. So ermächtigt § 31 Abs. 1 S. 4 SGB V allein den Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen, Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, zu verordnen. Dies gilt auch für die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln in klinischen Studien nach § 35c SGB V i. V. m. § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 6 SGB V. Die AM-RL regelt allein die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung. 

Tatbestandliche Voraussetzung für die Abrechnung des Zusatzentgeltes ZE 2011-63 im Krankenhaus ist somit die Notwendigkeit der Applikation von Dibotermin alfa (OPS 6-003.40) i. S. d. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V und nicht die arzneimittelrechtliche Zulassung des Wirkstoffs. 

Das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit einer Leistung im Krankenhaus i. S. d. § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V wird bei der gebotenen systematischen Auslegung durch die Definition der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Allgemeinen Teil des SGB V in § 2 Abs. 1 SGB V konkretisiert.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGBV haben Qualität und Wirksamkeit der Leistung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
Dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis nach § 2 Abs. 1 S 3 1. Halbs. SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R; BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R). 
Die Berücksichtigung des medizinischen Fortschritt im Sinne des § 2 Abs. 1 S 3, 2. Halbs. SGB V setzt hingegen voraus, dass auch neue Behandlungsmethoden, die den Anforderungen des allgemeinen anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnis (noch) nicht genügen, zu berücksichtigen sind (a. A. BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R).

Der Gesetzgeber hat die im 1. Kapitel des SGB V (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) beschriebenen allgemeinen Anforderungen an Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Neunten Abschnitt des 4. Kapitels des SGB V konkretisiert. Unter der Überschrift „Sicherung der Qualität der Leistungserbringung“ werden formelle Verfahren und materielle Kriterien zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden geregelt. 
Während neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat, überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss nach dem Wortlaut des § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V i. d. F. vom 26.03.2007 Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im Rahmen einer Krankenhausbehandlung (bereits) angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind.
§ 137c Abs. 1 SGB V erlaubt daher die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus bevor der Gemeinsame Bundesausschuss sich mit der Thematik beschäftigt hat. 
Ergibt die Überprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V i. d. F. vom 26.03.2007 eine entsprechende Richtlinie. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode gemäß § 137c Abs. 2 S. 2 SGB V i. d. F. vom 26.03.2007 im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Vorschrift normiert regelungstechnisch eine generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (vgl. Ihle in jurisPK-SGB V, § 137c Rdnr. 7).

Soweit das Bundessozialgericht demgegenüber die Auffassung vertritt, dass die Regelung des § 137c Abs. 1 SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden im Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe, um die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V im stationären Bereich nicht außer Kraft zu setzen (BSG, Urteil vom 28.07.2008 – B 1 KR 5/08 R), eröffnete diese Entscheidung zwar den Weg zur Einzelfallprüfung bei der Abrechnung durch die Krankenkassen, beantwortete aber nicht die Frage, wie die beiden Tatbestandselemente des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, nämlich der Stand der medizinischen Erkenntnis und die Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus unter den weiteren Voraussetzungen des § 137c SGB V auszulegen sind. 

Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe obliegt den Gerichten. Das erkennende Gericht davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 137c SGB V, abweichend von der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, die grundsätzliche Erbringbarkeit auch neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus regeln wollte. Der sachliche Grund für diese unterschiedliche Handhabung besteht darin, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter und unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhaus geringer einstuft als bei der Behandlung durch niedergelassene Ärzte (vgl. Ihle in jurisPK-SGB V § 137c, Rdnr. 14 m.w.N.).

Das Gericht legt die unbestimmten Rechtsbegriffe des Standes der medizinischen Erkenntnis und die Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB unter den Voraussetzungen der stationären Behandlung im Krankenhaus nach § 137c SGB V i. d. F. vom 26.03.2007 im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung im November 2011 dahingehend aus, dass die Leistung das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative zu bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erfolgen hat.

Das Gericht bedient sich bei der Auslegung der streitgegenständlichen Fassung des § 137c SGB V vom 26.03.2007 der Formulierung, mit welcher der Gesetzgeber die Anforderungen an die Bewertung von Untersuchungs- und Bewertungsmethoden im Krankenhaus durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz mit Wirkung zum 01.01.2012 (§ 137c Abs. 1 SGB V) und durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz mit Wirkung zum 23.07.2015 (§ 137c Abs. 3 SGB V) klargestellt und konkretisiert hat.
Danach hat der Gesetzgeber mit der Regelung der Krankenhausbehandlung in § 137c SGB V ein formelles Verfahren zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus implementiert und eine materielle, krankenhausspezifische Gewichtung der konkurrierenden materiellen Kriterien des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V vorgenommen. Der Widerstreit zwischen einer Behandlung nach dem Stand der medizinischen Erkenntnis und der Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts in der allgemeinen Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V wird in der für die Behandlung im Krankenhaus speziellen Regelung des § 137c SGB V dahingehend aufgelöst, dass der medizinischen Fortschritt im Krankenhaus anders als in der vertragsärztlichen Berücksichtigung findet, soweit eine Maßnahme das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

Dies gilt auch für die Verabreichung von sog. Fertigarzneimitteln im Krankenhaus. Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13.12.2016 (B 1 KR 1/16 R) ausführt, dass die von dem erkennenden Senat entwickelte Rechtsprechung zu den Grundlagen und Grenzen des Anspruchs auf Arzneimittelversorgung nicht nur für den vertragsärztlichen, sondern in gleicher Weise für den Bereich der stationären Versorgung gelten, verkennt dies den allein für die Krankenhausbehandlung geltenden Prüfungsmaßstab der §§ 2, 12, 27, 39, 137c SGB V, der nach den obigen Ausführungen in formeller und materieller Hinsicht von der vertragsärztlichen Versorgung abweicht. 

Dies hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkegesetz – GKV-VSG) vom 16.07.2015 und der Ergänzung des § 137c SGB V um einen dritten Absatz erneut klargestellt. Dem Referentenentwurf des GKV-Versorgungsstärkegesetzes (BT-Drucks. 18/4095, S. 121) ist dazu folgendes zu entnehmen:

„Durch die Ergänzung eines dritten Absatzes in § 137c wird das in der Krankenhausversorgung geltende Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkreter im Gesetz geregelt. Die Regelung ist erforderlich, weil die Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. März 2013, Az. B 3 KR 2/12 R) mit dem in § 137c zum Ausdruck gebrachten Regelungsgehalt in einem Wertungswiderspruch steht. Es erfolgt eine gesetzliche Konkretisierung und Klarstellung, dass für den Ausschluss einer Methode aus der Krankenhausversorgung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und die Ablehnung eines Leistungsanspruchs im Einzelfall durch eine Krankenkasse im Falle des Fehlens eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses einheitliche Bewertungsmaßstäbe gelten. Nach § 137c Absatz 1 ist es die Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Eine Methode, deren Nutzen nach Feststellung des Gemeinsamen Bundesausschusses zwar noch nicht hinreichend belegt ist, die aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, kann nach den gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Krankenhausbehandlung weiterhin zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist in einem solchen Fall grundsätzlich verpflichtet, eine Erprobung zu initiieren, um die für eine fundierte Entscheidung erforderlichen Erkenntnisse zu generieren. Bis zum Vorliegen dieser Erkenntnisse und einer abschließenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses bleibt es dabei, dass die Methode im Krankenhaus angewandt werden kann, insbesondere damit sie zur Versorgung der typischerweise schwerer erkrankten Versicherten mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen weiterhin zur Verfügung steht. Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Absatz 1 Satz 2. Diese Wertentscheidung gilt es auch in dem Fall zu beachten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Überprüfung nach § 137c Absatz 1 durchgeführt hat. Es stünde mit dem dargestellten Konzept der grundsätzlichen Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt nicht in Einklang, wenn jede einzelne Krankenkasse im Einzelfall die Kostenübernahme für eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgende Behandlung mit einer Methode, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, mit der Begründung ablehnen könnte, der Nutzen der angewandten Methode sei noch nicht hinreichend belegt. Ebenso wenig wie der Gemeinsame Bundesausschuss eine Methode mit Potential unmittelbar aus der Krankenhausversorgung ausschließen kann, kann eine solche negative Leistungsentscheidung stattdessen auf der Ebene der Einzelkasse erfolgen. Im neuen Absatz 3 wird daher nun ausdrücklich geregelt, dass innovative Methoden, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer nach § 39 erforderlichen Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden können. Dies betrifft sowohl Methoden, für die noch kein Antrag nach § 137c Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch Methoden, deren Bewertung nach § 137c Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere im Einzelfall indiziert und erforderlich ist. Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative kann sich etwa daraus ergeben, dass die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für die Patientin oder den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patientinnen oder Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Das Erfordernis, wonach eine Leistungserbringung nur im Rahmen einer Studie zu Lasten der Krankenkassen möglich ist, gilt nach § 137c Absatz 2 Satz 2 demgegenüber nur für den Fall, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine Ausschlussentscheidung nach § 137c Absatz 1 Satz 4 (ggf. in Verbindung mit Satz 5) getroffen hat. Methoden, die nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam sind, dürfen weiterhin nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden.“

Der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 10.06.2015 (BT-Drucks. 18/5123, S. 135), die zur Ergänzung des § 137 Abs. 3 S. 1 um den 2. Halbs. geführt hat, ist hierzu folgendes zu entnehmen:

„Durch die Ergänzungen in der Formulierung des neuen § 137c Absatz 3 wird der Regelungstext gemäß den Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs weiter präzisiert. Die Regelung in § 137c Absatz 3 konkretisiert den Umfang der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt und gewährleistet damit die Teilhabe der Versicherten am medizinischen Fortschritt. Sie dient dazu, dass den typischerweise schwerer erkrankten Versicherten in der stationären Versorgung mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen vielversprechende Heilungs- und Behandlungschancen weiterhin zeitnah auch außerhalb von Studien gewährt werden können, auch wenn deren Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt ist. Voraussetzung ist, dass die noch nicht allgemein anerkannte Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, also insbesondere die konkrete Behandlung nach fachgerechter ärztlicher Indikationsstellung medizinisch notwendig ist gemäß § 39.
Die Regelung in § 137c Absatz 3 gewährleistet damit einheitliche Bewertungsmaßstäbe für innovative Methoden in der stationären Versorgung sowohl auf der Ebene des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), einschließlich des neuen Verfahrens nach § 137h, als auch auf der Ebene der Entscheidung über die Leistungserbringung vor Ort, etwa über den Abschluss einer Vereinbarung über ein Entgelt für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Absatz 2 Satz 3 des Krankenhausentgeltgesetzes (NUB-Entgelt) oder im Rahmen einer Abrechnungsprüfung zwischen Krankenkasse und Krankenhaus. Der bestehende Wertungswiderspruch in der Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. März 2013, Az. B 3 KR 2/12 R), wonach jede einzelne Krankenkasse einem Versicherten die Kostenübernahme für eine Methode mit Potential als erforderliche Behandlungsalternative verwehren kann, während der GBA die gleiche Methode nicht unmittelbar nach § 137c Absatz 1 aus der Versorgung ausschließen dürfte, wird somit aufgehoben. Im Übrigen bleibt es dabei, dass das Krankenhaus etwa im Rahmen einer Abrechnungsprüfung darlegen muss, dass die angewandte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der Krankenkasse jeweils erbracht werden durfte, sie also nach dem verfügbaren Stand der medizinischen Erkenntnisse das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative aufwies und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgte, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig war.“

Der Maßstab für die Vergütung des streitgegenständlichen Zusatzentgeltes ZE 2011-63 im Krankenhaus ergibt sich daher allein aus den §§ 2, 12, 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 S. 3, 137c SGB V.
Ebenso wie der Gemeinsame Bundesausschuss eine allgemeine Richtlinie lassen kann, wonach eine Leistung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten eine Krankenkasse erbracht werden kann, wenn sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, kann die Krankenkasse im Einzelfall die Vergütung versagen, wenn die Methode nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist.

Die streitgegenständliche Behandlungsmethode eines komplexen Eingriffs an der Wirbelsäule steht dem Grunde nach nicht in Streit. Nach einer Bandscheibenoperation mit angestrebter Fusion BWK 9/10 durch die Interposition eines Rippenköpfchens am 13.7.2010 war aufgrund fehlender Ausbildung einer knöchernen Verbindung zwischen den beiden Wirbeln BWK 9 und BWK 10 (sog. non-union) ein Revisionsangriff erforderlich. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG I06D (Komplexe Eingriffe an der Wirbelsäule ohne hochkomplexen oder sehr komplexen Eingriff, ohne Wirbelkörperersatz, ohne schwere entzündliche Erkrankung oder bösartige Neubildung, mit äußerst schweren CC). Allein ein Teilelement der Behandlung, nämlich der Einsatz von Dibotermin Alfa statt der Verwendung von Eigenkochen bzw. Fremdknochen, steht in Streit. Diese Abweichung hat die Klägerin zutreffend mit dem OPS 6-003.4 (Applikation von Medikamenten, Dibotermin alfa, Implantation am Knochen, 12 mg bis 24 mg) nebst dem Zusatzentgelt ZE 2011-63 kodiert.

Die Klägerin hat nach Überzeugung des Gerichts hinreichend dargelegt, dass die Applikation von dem Dibotermin alfa in dem streitgegenständlichen Fall das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative aufwies und nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgte. Der Leiter des Wirbelsäulenzentrums der Klägerin führt in seiner Stellungnahme vom 5.10.2015 folgendes aus:

„Frau C. hatte sich am 12.10.2011 erstmals ambulant in unserer Wirbelsäulensprechstunde vorstellt. Zu diesem Zeitpunkt war sie 37 Jahre alt. Es bestand bereits eine sensible Querschnittlähmung unterhalb Th10 mit Blasenentleerungsstörung. Vorangegangene Wirbelsäuleneingriffe beinhalteten zwei jeweils thorakoskopische Bandscheibenoperationen BWK 5/6 (8/2003) und BWK 7/8 (2005) sowie eine Bandscheibenoperation mit angestrebter Fusion BWK 9/10 durch die Interposition eines Rippenköpfchens am 13.07.2010 (Bad Homburg). In diesem Segment bestand zum Vorstellungszeitpunkt, also 15 Monate nach dem Eingriff der Verdacht auf einen Non-Union, womit die fehlende Ausbildung einer knöchernen Verbindung zwischen den beiden Wirbeln BWK 9 und BWK 10 gemeint ist. 

Zur Verifizierung des Verdachts der Non-Union wurde eine Computertomographie dieses Wirbelsäulenabschnittes veranlasst, wobei sich der Verdacht bestätigte. 

Anlässlich der ambulanten Wiedervorstellung am 02.11.2011 mit der zwischenzeitlich erfolgten CT-Untersuchung wurde mit der Patientin die Möglichkeit der Revisionsoperation unter Verwendung von Wachstumsfaktoren besprochen, womit sie sich letztlich einverstanden erklärte. 

Das Wirbelsäulenzentrum im St. Josefs-Hospital Wiesbaden besteht seit 2004 und verfügt über 52 Betten. Diese Einrichtung ist spezialisiert auf die Behandlung von degenerativen, traumatischen und tumorbedingten Wirbelsäulenerkrankungen, sowie die ambulante und stationäre Schmerztherapie mit minimal-invasiven Eingriffen. Ein weiterer Scherpunkt ist die Behandlung von Revisionseingriffen an der Wirbelsäule. Auch Frau C. wurde von der Wirbelsäulenabteilung des Krankenhauses Groß-Gerau aufgrund der komplexen Situation nach mehrfachen Voroperationen und sensibler Querschnittsymptomatik im Wirbelsäulenzentrum mit der Bitte um Übernahme der weiteren Therapie vorgestellt. 

Für die Empfehlung zu diesem Vorgehen, insbesondere der Verwendung von Wachstumsfaktoren gründete also auf der Erfahren mit zahlreichen ähnlichen Behandlungsfällen. 

Im Wirbelsäulenzentrum des St. Josefs-Hospitals wird Dibotermin alfa nur als strenger Indikationsstellung in begründeten Fällen angewandt. Hierzu zählen insbesondere Revisionseingriffe mit Non-Union, bei denen anderweitige Verfahren nicht erfolgsversprechend sind. 

Die Alternative hätte in diesem Falle in der erneuten Transplantation von Eigenknochen bestanden, welches bei Ersteingriffen noch immer als Goldstandard gilt, weil dieser prinzipiell ein gutes Knochenbildungspotential aufweist. Allerdings ist Eigenknochen nur in begrenzter Menge vorhanden und bedeutet jeweils immer ein erneutes Risiko von Schmerzen oder mechanischen Problemen an der Entnahmestelle. Bei einer jungen Patientin kann zusätzlich ein kosmetisches Problem durch zusätzliche Narben entstehen. Eine weitere Möglichkeit wäre die alleinige Verwendung von Fremdknochen (Risiko der Übertragung von Krankheiten, Abstoßungsreaktionen) oder Knochenersatzmaterialien (geringeres Knochenheilungspotential im Vergleich mit Eigenknochen und Wachstumsfaktoren). 

Im Falle von Frau C. war bereits eine Knochentransplantation mit Eigenknochen im Rahmen der Operation vom 13.07.2010 erfolgt, sodass bei einer erneuten Verwendung dieses Materials von einer anderen Entnahmestelle keine begründete Hoffnung auf eine bessere Heilungstendenz bestand. 

Aufgrund des Standes der aktuellen Forschung zum Zeitpunkt des Eingriffs war hingegen von einer verbesserten Heilungsrate bei Non-Union durch die Anwendung von Wachstumsfaktur auszugehen.“ 

Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Sie verweigert die streitgegenständliche Vergütung des Zusatzentgeltes ZE2011-63 (Gabe von Human-Immunglobulin) unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK vom 09.10.2012 und 23.04.2013 allein mit dem Hinweis auf die fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung von Dibotermin alfa. Weder die Beklagte noch der MDK haben Gründe dargelegt, die Zweifel daran begründen könnten, dass die Verwendung von Dibotermin alfa im streitgegenständlichen Fall nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil es schädlich oder unwirksam ist. Auf einen entsprechenden rechtlichen Hinweis des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.5.2017 erwidert, dass sie keine Ausführungen dazu beabsichtige, ob die angewandte Methode unter der Applikation von Dibotermin alfa in dem streitgegenständlichen Fall das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.

Der streitgegenständliche Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 10 Abs. 5 des Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtskraft
Aus
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