Aufstand am UKE: Wie fühlt sich dieser Protest an, Herr Pfleger?
Die Protestaktion der Intensivpfleger am UKE ist in vollem Gange. Seit Monaten fordern sie in Brandbriefen Entlastung, seit über einer Woche weigern sie sich nun, einzuspringen, wenn Kollegen krank werden. Der Protest läuft noch bis Ende des Jahres. Damit gleichen sie bewusst keine Personalengpässe mehr aus – auch auf Kosten der Patienten? Die MOPO hat mit einem der Pfleger gesprochen, wie sich dieser moralische Zwiespalt anfühlt. Seine Identität ist der MOPO bekannt, er möchte aber anonym bleiben.
MOPO: Die Protestaktion am UKE läuft schon einige Tage. Wie ist die Lage auf den Intensivstationen?
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Die Protestaktion der Intensivpfleger am UKE ist in vollem Gange. Seit Monaten fordern sie in Brandbriefen Entlastung, seit über einer Woche weigern sie sich nun, einzuspringen, wenn Kollegen krank werden. Der Protest läuft noch bis Ende des Jahres. Damit gleichen sie bewusst keine Personalengpässe mehr aus – auch auf Kosten der Patienten? Die MOPO hat mit einem der Pfleger gesprochen, wie sich dieser moralische Zwiespalt anfühlt. Seine Identität ist der MOPO bekannt, er möchte aber anonym bleiben.
MOPO: Die Protestaktion am UKE läuft schon einige Tage. Wie ist die Lage auf den Intensivstationen?
Pfleger: Es gibt Engpässe und die Lage ist angespannt. Auf einer der Stationen mussten schon zwei Pflegekräfte neun Patienten versorgen. Das ist eine enorme Belastung für die Kollegen und gefährdet auch die Patienten.
Können Sie es da verantworten, trotzdem nicht einzuspringen?
Ja, aber es fühlt sich nicht gut an, denn wir wissen ja, was das bedeutet und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Ich bin fassungslos, dass wir gezwungen sind, solche Maßnahmen zu ergreifen. Wir wollen ja gerade eine sichere und würdevolle Patientenversorgung. Aber so, dass wir selbst nicht krank werden. Im Übrigen streiken wir nicht. Wir nehmen die regulären Dienste wahr, springen aber für zusätzliche Schichten in unserer Erholungszeit nicht ein, weil wir die Erholung brauchen. Das Gesundheitssystem setzt aber darauf, dass wir einspringen.
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Gab es Situationen, die Sie an Ihre Grenzen gebracht haben?
Ja, auf jeden Fall. In der Intensivmedizin sollen Patienten möglichst wach sein, auch wenn sie mit einem Beatmungsschlauch intubiert sind. In einem Verwirrtheitszustand versuchen sie aber, sich diese lebenswichtigen Schläuche selbst zu ziehen. Wenn ich drei Patienten versorge, und einer liegt in einem anderen Zimmer, ist es nicht sicher. Also wird der Betroffene entweder in ein künstliches Koma versetzt oder er wird fixiert – das heißt, wir binden seine Hände am Bett fest. Zum Selbstschutz! Das belastet mich ungemein. Ich halte die Situation nicht mehr aus, sie zerreißt mich innerlich. Ich stelle mir immer vor, das wären meine eigenen Angehörigen. Ich werde meinem Anspruch nicht gerecht und das weiß ich oft schon, bevor die erste Minute des Dienstes begonnen hat.
Anm. d. Red.: Die MOPO hat das UKE dazu um Stellungnahme gebeten. „Sedierungen und Fixierungen werden ausschließlich aus medizinischen Gründen und auf ärztliche Anordnung durchgeführt“, so eine Sprecherin. „Um eine bestmögliche und sichere Intensivtherapie ermöglichen zu können, ist es unerlässlich, Patient:innen beispielsweise bei einer künstlichen Beatmung oder ECMO-Therapie zu sedieren, um diese Therapie für die Patient:innen möglichst sanft durchzuführen.“
Pflegekräfte am UKE fordern bessere Bedingungen
MOPO: Was genau sind Ihre Forderungen?
Pfleger: Wir haben nur eine Kernforderung: Dass eine 1:2-Betreuung sichergestellt wird, also eine Pflegekraft maximal zwei Intensivpatienten betreut.
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Das UKE hat bereits reagiert und sagt auch, dass dieser Mindestpersonalschlüssel im Monatsschnitt eingehalten wird.
Ja, in Reaktion auf unsere ersten Brandbriefe wurden zum Beispiel Intensivbetten reduziert. Allerdings führte das zu keiner Entlastung, weil gleichzeitig Kollegen gegangen sind, ihre Arbeitszeit reduziert haben und viele krank sind. Praktisch haben wir oft eine 1:3 Betreuung. Die Arbeitgeberseite sagt, dass es nicht genug Fachkräfte gibt. Aber so verlassen immer mehr den Beruf.
Aber für den Fachkräftemangel und für die Pandemie kann ja auch die Klinikleitung nichts …
Das stimmt. Aber sie hat zu lange zugeschaut und tut auch jetzt nichts. Sie sagt, man müsste auf die Politik warten. Aber man muss jetzt Fakten schaffen. Das UKE würde auch auf dem Arbeitsmarkt besser dastehen, wenn eine 1:2-Betreuung sichergestellt wäre, weil jede Pflegekraft weiß, was das bedeutet. Und vor allem würden nicht noch mehr Kollegen gehen.
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Aber Fakten schaffen hieße, jetzt noch mehr Betten zu sperren. Ist das in der Pandemie zu verantworten?
Intensivbetten sperren und mehr planbaren Eingriffe verschieben. Eine Kombination würde meines Erachtens funktionieren. Aber natürlich ist es absolut beunruhigend und ich verstehe den Druck des UKE, die Versorgung aufrecht zu erhalten. Aber wenn es so bleibt wie jetzt, gibt es bald kaum noch Pflegekräfte. Dann werden die Betten zwangsläufig gesperrt.
Wie laufen die Gespräche mit der Leitung?
Es wurde ein neues Instrument für die Personalbemessung vorgestellt, das wir für sehr sinnvoll halten. Aber bis es eingeführt wird, noch längere Zeit und es hilft jetzt akut nicht. Dabei sind sich alle einig, dass wir jetzt die 1:2-Betreuung brauchen, aber es folgen keine Taten von Seiten des Vorstands.
Anm. d. Red.: Das UKE sagte zur MOPO, dass sich das Krankenhaus seit längerer Zeit mit allen Beteiligten weiterhin in intensiven Gesprächen befinde. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die Versorgung der Patient:innen stehe dabei im Vordergrund. Die Fachkräftesicherung habe für das UKE seit vielen Jahren eine hohe strategische Bedeutung. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, haben die Klinik Programme und Maßnahmen in den Feldern Qualifizierung und Personalentwicklung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie im betrieblichen Gesundheitsmanagement etabliert und entwickle diese kontinuierlich weiter.