HKG: Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte könnten durch Vereinfachung bürokratischer Prozesse spürbar verbessert werden

„Pflegekräfte leisten seit nunmehr fast zwei Jahren Außergewöhnliches“

Die Hessische Krankenhausgesellschaft e.V. befürchtet, dass die Omikron-Welle die bestehenden Engpässe bei Pflegekräften verstärken könnte. Vor diesem Hintergrund haben wir einen schriftlichen Anfragenkatalog an die Hessische Krankenhausgesellschaft gesendet. Unter anderem wollten wir wissen, wo die Hessische Krankenhausgesellschaft Lösungsansätze sieht, um den Mangel an Pflegekräften in den Griff zu bekommen und was die Politik in diesem Zusammenhang leisten kann bzw. muss. Auf die Frage, wo die Hessische Krankenhausgesellschaft Lösungsansätze sieht, um den Mangel an Pflegekräften in den Griff zu bekommen, antwortete man uns schriftlich:

„Trotz der anhaltenden Pandemie haben unsere Häuser weiter daran gearbeitet, die Arbeitsbedingungen in der Pflege weiter zu verbessern. Dies ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte. So hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) im Rahmen einer Studie für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das Engagement der Krankenhäuser zur Umsetzung der ‚Konzertierten Aktion Pflege‘ (KAP) näher beleuchtet. Betroffen war dabei vor allem die Verbesserung des Arbeitsalltags der Beschäftigten in der Pflege durch Personalentwicklung und -bindung sowie im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die betriebliche Gesundheitsförderung spielt eine große Rolle in Form von Sportangeboten, Stressprävention oder ergonomische Optimierung von Arbeitsplätzen. Auch Einarbeitungs- und Wiedereinstiegskonzepte im Pflegedienst sowie Fort- und Weiterbildungsangebote wurden umgesetzt.

Insgesamt muss dem Pflegeberuf jedoch mehr Wertschätzung entgegengebracht werden und dies kann nicht allein durch unsere Häuser erfolgen. Auf Bundesebene gibt es bereits einige positive Ansätze. Nachdem der frühere Herr Bundesgesundheitsminister Spahn zwei Jahre lang die Einführung der von Seiten der DKG, dem Deutschen Pflegerat und ver.di erarbeiteten Instruments PPR 2.0 zur Messung des Pflegebedarfs der Patienten in den Krankenhäusern blockiert hatte, ist die nunmehr schnelle Einführung dieses Instruments im Koalitionsvertrag der künftigen Regierung ein solcher Lichtblick. Damit wird sichtbar, dass eine positive Personalentwicklung in Gang kommt und sich die Arbeitsbelastung für den Einzelnen reduziert. Jedoch gibt es insbesondere bei der Digitalisierung noch viel Nachholbedarf. Die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte könnten durch Vereinfachung bürokratischer Prozesse spürbar verbessert werden. Hierfür bedürfte es jedoch einer nachhaltigen Investitionsfinanzierung, die nicht allein durch die Länder gestemmt werden kann.“

Und weiter: „Einen kurzfristigen Ansatz kann auch eine spürbare finanzielle Besserstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern sein. Dabei sollte weniger über eine nochmalige Auszahlung einer einmaligen Pflegeprämie für einige (wenige) ausgewählte Beschäftigte nachgedacht werden, welche innerhalb des Personals auf Unverständnis trifft und zu einer Spaltung führt. Sämtliche Pflegekräfte und auch das übrige Personal in unseren Häusern leisten seit nunmehr fast zwei Jahren Außergewöhnliches. Daher plädieren wir, wie auch die DKG, für einen Steuerfreibetrag für die Jahre 2021 und 2022, d.h. mehr Netto vom Brutto. Dies könnte auch einen Anreiz dafür darstellen, dass Teilzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit aufstocken bzw. Ausgeschiedene in den Beruf zurückkehren.“ In diesen beispielhaft genannten Punkten sei jedoch die Bundesregierung gefragt.

Auf die Frage, was die Politik hier leisten kann und auch muss, antwortete man uns: „Wie zuvor bereits beschrieben, ist die Bundesregierung gefragt, wichtige Anreize zu schaffen, um den Pflegemangel in den Griff zu bekommen. Auf Landesebene können wir jedenfalls feststellen, dass alles menschenmögliche unternommen wird, um das Thema Fachkräftemangel anzugehen. Die Politik in Hessen leistet hier bereits einen enormen Beitrag. So haben wir im Sommer 2018 gemeinsam mit der Hessischen Landesregierung sowie weiteren Partnern den Gesundheitspakt 3.0 vereinbart. Hier wurde als neuer Schwerpunkt das Thema Fachkräftesicherung auch und gerade für den pflegerischen Bereich aufgenommen. Speziell wurde eine Unterarbeitsgruppe Fachkräftesicherung Pflege eingerichtet (nähere Einzelheiten unter folgendem Link https://soziales.hessen.de/Gesundheit/Hessischer-Gesundheitspakt). Daneben wurde zur Stärkung der Fachkräftesicherung im September 2020 seitens des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration das ‚Neue Bündnis Fachkräftesicherung Hessen‘ ins Leben gerufen. Neben dem Gesundheitssektor sind weitere Akteure aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Kommunen eingebunden. In entsprechenden Fokusgruppen sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden, wie der Bedarf an Arbeits-, Fach- und Führungskräften für die hessische Wirtschaft und Verwaltung gesichert und entwickelt werden können. Die Fokusgruppe Pflege und Gesundheit steht dabei unter dem Vorsitz Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa)/Landesverband Hessen wie auch der Hessischen Krankenhausgesellschaft. Hier findet unter Leitung der Politik ein regelmäßiger Austausch statt.“

Und weiter: „Auch wurde im Hinblick auf die Attraktivität der Arbeitgeber und der Arbeitsplätze in der Pflege vereinbart, einen Dialogprozess ‚Nachhaltige Fachkräftesicherung im Wandel der Arbeitswelt Hessen: Attraktive Arbeitsbedingungen und Stärkung der Beschäftigten in der Pflege‘ zu initiieren. Auf Landeseben soll dadurch geprüft werden, wie die Arbeitsbedingungen bei hessischen Arbeitgebern verbessert und wie regionale Initiativen unterstützt werden können. Vor allem alle Pflege- und Gesundheitsberufe sollen in den Blickpunkt genommen werden.“

Weiter wollten wir von der Hessischen Krankenhausgesellschaft wissen, ob es Lösungsansätze gibt, um den Pflegeberuf aus seiner Unattraktivität zu führen. Im schriftlichen Antwortschreiben heißt es: „Es gibt vielfältige Lösungsansätze, um den Pflegeberuf im weiten Sinne attraktiver zu machen. Beispielhaft kann auf die im Rahmen des Gesundheitspaktes 3.0 erarbeiteten Vorschläge u.a. zur Hebung und Nutzung der Potentiale von inländischen und internationalen Pflegekräften, Stärkung der Beschäftigten in der Pflege, Attraktivität der Arbeitgeber und der Arbeitsplätze in der Pflege sowie Anwerbung und nachhaltigen Integration internationaler Pflege- und Gesundheitsfachkräfte verwiesen werden.“
Auf die Frage, wie die derzeitige Situation sei, hieß es von der Hessischen Krankenhausgesellschaft: „Wir müssen aufpassen, dass wir durch pandemiebedingte gesetzliche Vorgaben nicht die mühsam erarbeiteten Verbesserungen des Pflegealltags zu Nichte machen. Momentan beschäftigt die Krankenhäuser insbesondere die Themen Quarantäne und einrichtungsbezogene Impfpflicht. Durch den vermehrten Ausfall von Personal infolge einer Infektion bzw. den Kontakt mit einer infizierten Person und einer sich hieran anschließenden Quarantänezeit, verdichtet sich der Personalengpass noch einmal zusätzlich. Daher sollte an dieser Stelle eine priorisierte Testung von Krankenhauspersonal erfolgen, um möglichst zeitnah wieder einsatzbereit zu sein.

„Das weitaus größere Problem sind Überlastungen des Personals in den vergangenen fast zwei Jahren durch die Corona-Pandemie. Diese Überlastungen könnten mit einer deutlich erhöhten Impfquote in der Gesamtbevölkerung verringert werden, da Ungeimpfte weit überdurchschnittlich in Krankenhäusern und vor allem auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Für das verbliebene, noch nicht geimpften Personal wünschen wir uns eine Priorisierung bei der Verabreichung des sogenannten ‚Totimpfstoffs‘ Novavax, da die Impfpflicht für unsere Beschäftigten in den Krankenhäusern vor der Tür steht. Hierdurch wäre gewährleistet, dass sich auch Personal, das bislang Bedenken in Bezug auf die m-RNA-Impfstoffe hatte, noch impfen lassen könnte. Gerade in dieser Situation, in der zunehmend auch mit Personalengpässen aufgrund von Omikron gerechnet werden muss, müssen die Mitarbeitenden von medizinisch nicht notwendigen Dokumentationen entlastet werden. Es bedarf aus unserer Sicht eines umfassenden Bürokratie-Lockdowns.“ Auch die Pflegekräfte in den Alten- und Pflegeheimen arbeiten am Rande der Belastung. +++ nh/ja