21. September 2021

Laumann: Digitalisierung im Gesundheitswesen wird „Versorgungsgrenzen sprengen“

Fachkongress „eHealth.NRW – Das digitale Gesundheitswesen“ mit Fokus auf „Virtuellem Krankenhaus NRW“

© ZTG GmbH/KGNW Das „Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen“ (VKH NRW) stand im Fokus des digitalen Fachkongresses „eHealth.NRW – Das digitale Gesundheitswesen“ am 14. September 2021. Das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin hatte in Kooperation mit dem Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) zahlreiche Expertinnen und Experten eingeladen. Weitere Themen der Veranstaltung: Telemonitoring in der Betreuung chronisch kranker Patientinnen und Patienten und das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR). Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen begleitet das VKH NRW von Beginn an.

Initiative mit Modellcharakter

Im März hatte das Land aufgrund der Corona-Pandemie die Vorstufe des Virtuellen Krankenhauses gestartet. Seitdem stellen die Universitätskliniken Aachen und Münster den Häusern im Land ihre Expertise bei der Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten via Telekonsil zur Verfügung. In den Aufbau der Vorstufe waren die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) und das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin eingebunden. Ein Erfolgsprojekt, wie die Zahlen zeigen: 470 Patientinnen und Patienten mit COVID-19 seien in insgesamt über 3000 Televisiten von intensivmedizinischen Experten der Universitätskliniken mitbetreut worden, sagte Prof. Dr. Gernot Marx vom UK Aachen. Mittlerweile sind rund 140 Krankenhäuser ans Netzwerk angeschlossen, haben damit ihr Interesse an der Nutzung bekundet. Die Quote der Verlegungen und die Sterblichkeit bei Behandlung in der VK-Infrastruktur liege unter dem Bundesdurchschnitt.

Minister Karl-Josef Laumann hob das bei der Kongresseröffnung hervor: „Wir haben während der Pandemie gesehen, dass das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen eine gute Idee ist. Spezialisten in Schwerpunktkliniken haben mit Ärztinnen und Ärzten aus anderen Krankenhäusern zusammengearbeitet, und dadurch sind in NRW manche Verlegungen von schwer erkrankten Menschen nicht notwendig geworden. Die Digitalisierung wird einen riesigen Beitrag für die sektorübergreifende Versorgung leisten. Sie wird Versorgungsgrenzen sprengen und auflösen.“

Die Initiative hat in Deutschland Modellcharakter und soll künftig in Richtung einer flächendeckenden telemedizinischen Versorgung in NRW ausgebaut werden. „Wir wollen mit telekonsiliarischer Beratung zwischen Ärztinnen und Ärzten Unterstützung bieten in ganz besonders komplexen Behandlungsfällen. Stellen Sie sich das Virtuelle Krankenhaus als Navigationssystem vor – ein technisches Hilfsmittel, das Sie dabei unterstützt, den Weg zur bestmöglichen Versorgung zu finden“, sagte Nadja Pecquet, Geschäftsführerin der Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH. Mit Start der Pilotphase im Herbst 2021 kommen weitere Indikationen hinzu, zunächst Infektiologie, Herzinsuffizienz, Lebertumore und Seltene Erkrankungen.

Austausch über Sektorengrenzen hinweg

Dreh- und Angelpunkt auf medizinischer Ebene bilden die „Experten-Hubs“, die im Krankenhausentgeltgesetz als Zentren mit besonderen Aufgaben ausgewiesenen Krankenhäuser. „Spokes“ – die Behandler vor Ort – können alle anderen Krankenhäuser und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sein: „Die Nutzungsverträge liegen vor. Mit den Kassenärztlichen Vereinigungen arbeiten wir gerade daran, möglichst aufwandsarm und flächendeckend die niedergelassenen Ärzte zu kontaktieren. Es geht uns auch um den Austausch über Sektorengrenzen hinweg“, stellte Nadja Pecquet klar. Die Patientin oder der Patient müsse somit nicht mehr zu jeder Behandlung das Zentrum aufsuchen. Den medizinischen Nutzen umriss Prof. Dr. Ulf-Peter Neumann vom UK Aachen an einem Beispiel: „Bei Lebertumoren haben wir gute Daten, dass gemeinsame Diskussionen mit Spezialisten dazu führen, dass mehr Lokaltherapien durchgeführt werden und die Patienten signifikant länger überleben. Bisher haben wir diese Konsile mit Telefon, Fax und DVD gemacht.“

Beste Voraussetzungen für Telemonitoring in NRW

Das Beispiel des Virtuellen Krankenhauses zeigt den medizinischen Nutzen von Digitalisierung im Gesundheitswesen, von dem auch die Patientinnen und Patienten unmittelbar profitieren. Dass der Prozess erst am Anfang steht, erwies sich in den folgenden Themenblöcken zu Telemonitoring und Telematikinfrastruktur: „Richtig positive Effekte wird man erst dann erzielen können, wenn Telemonitoring Bestandteil eines intersektoralen und interdisziplinären therapeutischen Ansatzes werden kann. In NRW haben wir dafür die besten Voraussetzungen“, sagte ZTG-Geschäftsführer Rainer Beckers. Nun sei es an der Zeit, die nötigen Impulse zu setzen und offene Fragen zu beantworten.

Voraussetzung, damit telemedizinische Anwendungen flächendeckend nutzbar sind, ist die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI). Zielgruppen bilden neben Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Kliniken und Apotheken auch Gesundheitsfachberufe, zum Beispiel Hebammen und aus der Physiotherapie. Dazu stellt sich derzeit das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR) auf, eine länderübergreifende Institution, die nach und nach für die nicht verkammerten Berufe die „Secure Module Card – Betriebsstätte“ (SMC-B), den elektronischen Praxisausweis sowie den persönlichen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) ausstellt. Diese beiden Ausweise ermöglichen den Anschluss einer Einrichtung an die Telematikinfrastruktur. Für Herbst 2021 ist der Pilotbetrieb des eGBR geplant.

Bild:
v.l.n.r: Prof. Dr. med. Ulf Peter Neumann (Uniklinik RWTH Aachen), Dr. med. Daniel Dumitrescu (Herz- und Diabeteszentrum NRW), Günter van Aalst (stv. ZTG-Aufsichtsratsvorsitzender) und Nadja Pecquet (Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH)