Essen. Nicht eine Vielzahl mittelmäßiger Krankenhäuser ist erstrebenswert, sondern hohe Qualität in zumutbarer Nähe: Spahns Offenheit überrascht.

Jens Spahn im Essener Uniklinikum, die CDU-Bundestagskandidaten im Schlepptau: Obwohl ein Bundesgesundheitsminister stets gute Gründe finden dürfte, eine der leistungsfähigsten Unikliniken der Republik zu besuchen, war der Termin am Freitag sicherlich auch dem Wahlkampf geschuldet. Doch dann passierte etwas, was in diesen Tagen leider Seltenheitswert hat: Ein Politiker redet Klartext, und zwar ausgerechnet zum Krankenhaus-Streit im Essener Norden. Zur Freude der wahlkämpfenden Parteifreunde in Essen war das allerdings erkennbar nur bedingt.

Spahn hat Recht mit seinem Verweis auf das dichte Angebot an guten Kliniken in Essen

Doch Spahn hat vollkommen Recht. Essen ist auch nach dem Verlust von Marienhospital und St. Vincenz-Krankenhaus immer noch gesegnet mit einem dichten Angebot an Kliniken, die auch aus dem Essener Norden in sehr kurzer Zeit zu erreichen sind. Von Stoppenberg nach Huttrop, von Altenessen nach Holsterhausen – das sind selbst im Ernstfall dank des gut ausgebauten Notarzt-Systems in aller Regel keine Distanzen, die über Leben und Tod entscheiden.

Wenn beim Werben für den Krankenhaus-Entscheid fast schon der melodramatische Eindruck erweckt wird, im Essener Norden verrecke man hilflos im Straßengraben, ist das einfach unseriös. Zig Millionen Bundesbürger in eher ländlich geprägten Regionen wären heilfroh über ein Uniklinikum, ein Huyssensstift, ein Krupp- oder ein Elisabeth-Krankenhaus, die in jeweils wenigen Kilometern Entfernung bereitstehen.

Krankenhaus-Schließungen lassen sich politisch gut ausschlachten

Sicher könnte es immer mehr sein. Die Schließungen und die Art, wie der Krankenhauskonzern Contilia sie vollzog, das alles war bitter und lässt sich dank des Essener Nord-Süd-Traumas auch gut politisch ausschlachten. Doch letztlich ist nicht eine Vielzahl mittelmäßiger Häuser in fast fußläufiger Entfernung das Erstrebenswerte, sondern hohe Qualität in zumutbarer Nähe.

Wer will schon sich oder seine Angehörigen behandeln lassen von Ärzten, die wegen niedriger Fallzahlen nicht genügend Routine auf hohem Niveau entwickeln konnten? Spitzenmedizin aber ist in einer allzu kleinteiligen Krankenhausstruktur immer schwerer finanzierbar, weil es dazu ein Mindestmaß an teurer und aufwendiger Spezialisierung braucht. Und sie kann übrigens auch nicht mal eben von einer Stadtverwaltung aus dem Boden gestampft werden, selbst wenn viele in Staat und Politik derzeit gerne den ultrapotenten Tausendsassa geben.