Übergangspflege im Krankenhaus

Der neue § 39e SGB V – eine Regelung ohne Inhalt?

Krankenhäuser sind des Öfteren mit der Problematik konfrontiert, dass eine Behandlung nicht mehr medizinisch notwendig ist und der Patient eigentlich in die Reha oder in ein Pflegeheim entlassen werden soll. Die Plätze in Rehabilitationseinrichtungen und Pflegeheimen sind aber knapp, so dass die Patienten vermehrt – bis ein Platz frei ist – im Krankenhaus verbleiben. Diese Kosten werden aber nicht von der Krankenkasse übernommen, vielmehr wird hier seitens der Krankenkassen bzw. dem MD eine Fehlbelegung gerügt.

Hinsichtlich der Anschlussversorgung in einer medizinischen Reha hatte das BSG mit Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 13/19 R) festgehalten, dass für den Fall, dass der Versicherte nicht mehr stationärer Krankenhausbehandlung bedarf, aber eine stationäre medizinische Reha-Behandlung ohne Unterbrechung erforderlich ist und seitens des Reha-Trägers kein Platz zur Verfügung gestellt wird, das Krankenhaus einen Vergütungsanspruch für die stationäre medizinische Notfall-Reha gegen den Reha-Träger hat. Andere gesetzliche Regelungen bestanden bisher nicht, daher ist nunmehr der Anspruch des Patienten auf Übergangspflege in § 39 e SGB V, der seit dem 20.07.2021 Gültigkeit entfaltet, eingefügt worden. Dieser ermöglicht es den Versicherten gegenüber der Krankenkasse die Kosten der Übergangspflege im Krankenhaus für längstens zehn Tage geltend zu machen.

1. Voraussetzungen des Anspruchs auf Übergangspflege

Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der Patient entlassen werden kann, im unmittelbaren Anschluss an die Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem SGB XI aber nicht oder nur unter erheblichen Aufwand erbracht werden können.

Was sich hinter dem Begriff „nur unter erheblichem Aufwand“ verbirgt, wird in der Praxis noch zu Problemen führen. Ursprünglich sollte die Formulierung „nur unter unzumutbaren Aufwand“ aufgenommen werden, davon wurde aber, nachdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft diese Formulierung kritisiert, hatte Abstand genommen. Eine Konkretisierung des Begriffs des unzumutbaren Aufwands in der Gesetzesbegründung – wie von der Deutschen Krankenhausgesellschaft gefordert – wurde aber nicht vorgenommen. In der Gesetzesbegründung wird lediglich darauf hingewiesen, dass von den Patientinnen und Patienten nicht verlangt werden könne, dass sie einen erheblichen Aufwand zur anderweitigen Sicherstellung der Versorgung betreiben müssen.

So stünde dem Anspruch nicht entgegen, dass in erheblicher Entfernung ein Kurzzeitpflegeplatz zur Verfügung steht. (BT - Drucksache 19/30560, S. 27, zu Nr. 13 a)

Es bleibt abzuwarten, ob die in Aussicht gestellten Regelungen zur nachprüfbaren Dokumentation gem. § 39 e Abs 1 S. 5 SGB V eine Konkretisierung beinhalten werden

2. Nähere Ausgestaltung der Dokumentationstiefe erforderlich

Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Übergangspflege ist vom Krankenhaus im Einzelnen nachprüfbar zu dokumentieren (§ 39 e Abs 1 S. 4 SGB V).

Wie eine solche Dokumentation auszusehen hat, soll aber noch bundeseinheitlich geregelt werden. Dafür haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. und die Deutsche Krankenhausgesellschaft bis zum 31. Oktober 2021 Zeit, Näheres zu vereinbaren (§ 39 e Abs 1 S. 5 SGB V). Sollten sie diese Frist nicht einhalten können, wird die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 6 KHG ohne Antrag einer Vertragspartei innerhalb von sechs Wochen den Inhalt der Vereinbarung festlegen (§ 39 e Abs 1 S. 6 SGB V).

Den Krankenhäusern ist schon jetzt im Rahmen des Entlassmanagement zu empfehlen, so detailliert wie möglich zu dokumentieren, dass ein bestimmter Nachsorgebedarf besteht und kein entsprechender Leistungserbringer zur Verfügung steht oder die Versorgung anderweitig nicht gesichert werden kann.

Klare Vorgaben für die Dokumentation können noch auf sich warten lassen.

3. Vergütungsfragen noch nicht geklärt

Völlig offen ist auch noch die Frage zur Vergütung der Übergangspflege.

Mit dem neuen § 39 e SGB V wurde ebenfalls § 132m SGB V (neu) eingeführt. Dieser enthält eine Regelung, dass Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser auf Landesebene Verträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen der Übergangspflege nach § 39e SGB V sowie deren Vergütung schließen sollen.

Eine Frist, bis wann eine Einigung der Vertragsparteien erfolgen soll, wurde hingegen nicht festgelegt. Es ist lediglich festgehalten, dass im Falle der Nichteinigung der Vertragsinhalt durch die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 KHG auf Antrag einer Vertragspartei innerhalb von drei Monaten festgelegt wird.

4. Fazit

Der Anspruch auf Übergangspflege bedarf daher noch einiger Konkretisierung. Neben der Dokumentation und Vergütung, bleibt noch die Hoffnung, dass auch der Begriff „unter erheblichen Aufwand“ in diesem Zuge näher definiert wird. Andernfalls sind Streitigkeiten vorprogrammiert, denn dieser unbestimmte Begriff wird für die Kassen und den MD ein Einfallstor für einen Fehlbelegungsvorwurf sein.
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