FormalPara Infobox 1: Ad-Hoc-Kommission Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMST)

Die Ad-Hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. (AHK) begleitet und gestaltet bereits seit 2006 die für die Etablierung und Weiterentwicklung der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) notwendigen Kriterien, Operationalisierungen und Anpassungen der Struktur- und Prozessqualität an den wissenschaftlichen Fortschritt und sozialgesetzlichen Wandel. Eine erste Konkretisierung und Definition der IMST veröffentlichte die AHK bereits 2009 [3]. 2012 wurden Ergebnisse einer Befragung von schmerztherapeutischen Einrichtungen zur Struktur- und Prozessqualität publiziert [15]. Es folgten Präzisierungen des interdisziplinären multimodalen Assessments zu konkreten Inhalten und Aufgabenbereichen innerhalb der IMST und zu den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Durchführung multimodaler Programme in akutstationären gegenüber rehabilitativen Abteilungen [2, 4, 7].

2017 veröffentlichte die AHK zusammen mit den Autoren der Operationalisierung der Diagnose F 45.41 (Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) eine konkrete Checkliste zu dieser Diagnose [5]. Die steigenden Prüfquoten durch die Krankenkassen bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) in Einrichtungen, die IMST durchführen, veranlasste die AHK, sich mehr zu Fragen der medizinischen Leistungskodierung und der Interpretation von Prozedurenkodes (OPS) zu äußern [1, 11, 12]. Zuletzt wurden 2019 die Sektorengrenzen (ambulant/teilstationär/stationär) in der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen ausführlich beschrieben und diskutiert [16].

Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie

Die Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“ (AHK) der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. gestaltet und begleitet die Entwicklung dieser seit einigen Jahrzehnten in Deutschland etablierten und effektiven Therapieform mit, indem sie sich in regelmäßigen Veröffentlichungen zu Struktur, Rahmenbedingungen, Prozessqualität sowie konkreten Inhalten äußert (Infobox 1) [10, 17]. Insbesondere die Vorzüge der Interdisziplinarität und der Team-basierten Struktur in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen im Rahmen einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) wurden regelmäßig diskutiert und die schwierige Durchsetzung des Ansatzes im deutschen Gesundheitswesen unterstützt. Nicht nur wissenschaftliche, auch sozialrechtliche Entwicklungen erfordern allerdings immer wieder Änderungen und Anpassungen von Struktur- und Prozessmerkmalen. Dazu gehört u. a. die auf Vorschlag der Kommission 2009 geänderte Formulierung, dass eine „psychologisch-psychotherapeutische“ Disziplin obligatorisch einzubeziehen sei, während vorher nur von einer „psychologischen“ Disziplin die Rede war. Die Notwendigkeit der Einbindung von approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ist in den verschiedenen Operationen- und Prozedurenschlüsseln (OPS) des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) seit 2013 verankert (Seit Mai 2020 ist das DIMDI dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM unter dem Namen BfArM Dienstsitz Köln angegliedert) [8].

2020 hat das Bundessozialgericht (BSG) eine wichtige Entscheidung zur konkreten Qualifikation von Psychologischen Psychotherapeuten (BSG vom 27.10.2020, Az.: B 1 KR 25/19 R) getroffen, die von der AHK prinzipiell begrüßt wird, die allerdings doch noch Fragen offen lässt. Daher nimmt die AHK das Gerichtsurteil zum Anlass, dieses in den Kontext der IMST einzuordnen und kritisch zu kommentieren [6].

Hintergrund

Das BSG hatte in dem Abrechnungsstreit zwischen einem klagenden Krankenhaus und einer Krankenkasse bezüglich der Kodierbarkeit der Prozedur 8‑918.xx (OPS für die iInterdisziplinäre multimodale Schmerztherapie, IMST) zu entscheiden. Strittig war, ob eines der Merkmale des Prozedurenkodes 8‑918.xx, nämlich die „interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei Fachdisziplinen, davon obligatorisch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Disziplin“, tatsächlich gegeben war. Für das klagende Krankenhaus waren auf Basis von Honorarverträgen zwei Diplompsychologen tätig, welche sich zum Zeitpunkt der Behandlung noch in Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten befanden. Eine Psychologin verfügte über eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz, dem anderen Psychologen wurde diese Erlaubnis erst nach der streitgegenständlichen Behandlung erteilt.

Das Gericht kam zu dem Urteil, dass für die Kodierung des OPS 8‑918 die Einbindung eines Psychologischen Psychotherapeuten in Diagnostik und Therapie erforderlich ist.

Die Begründung des BSG zum oben genannten Urteil wirft jedoch grundsätzliche Fragen bezüglich der Einbindung von Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPiA) in Ausbildung in eine IMST auf. Interdisziplinär besetzte Einrichtungen der Schmerztherapie stellen einen relevanten Bestandteil der Ausbildungsmöglichkeiten zum Psychologischen Psychotherapeuten (PP) bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) dar (Infobox 2).

In der vorliegenden Übersicht befassen sich die Autoren mit dem Wortlaut der Begründung des BSG mit dem Ziel, diese einerseits verständlich zu übersetzen, andererseits auf die Notwendigkeiten in der Durchführung und Dokumentation der IMST hinzuweisen.

Infobox 2: Regelungen zur Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten

Ausbildungsinstitute für Psychologische Psychotherapie (PP) oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJP) sind gesetzlich verpflichtet, Stellen für die zur Erlangung der Approbation erforderlichen praktischen Tätigkeiten (sog. Praktische Tätigkeit 1 mit mindestens 1200 h und Praktische Tätigkeit 2 mit mindestens 600 h) in Kliniken bzw. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung vorzuhalten. Diese Zusammenarbeit der Ausbildungsinstitute bzw. die Mitarbeit der PiA/KJPiA in schmerzmedizinischen Versorgungseinrichtungen ist für beide Seiten sowohl vorteilhaft als auch Grundlage für die Sicherstellung einer zukünftigen qualitativ guten schmerzpsychotherapeutischen Versorgung. Durch die praktische Tätigkeit in einer Versorgungseinrichtung erhalten zukünftige PP/KJP einen vertieften Einblick in mögliche Arbeitsfelder und solche Versorgungsbereiche, die nicht zum ursprünglichen Kernbereich der Psychotherapie gehörten. In diesem „Überschneidungsbereich“ mit primär somatischen Fächern (z. B. Medizin, Physiotherapie) interdisziplinär zu arbeiten, ist eine notwendige Voraussetzung für die Sicherstellung des Nachwuchses.

Die Ausbildung von PP/KJP erfordert deren Einbindung in die Patientenversorgung. Voraussetzung muss hier allerdings wie in der Weiterbildung generell sein, dass die Betreuer der PiA PP/KJP bzw. approbierte ärztliche Psychotherapeuten sind und nicht nur eine allgemeine Berechtigung zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz von 1939 besteht [9]. Dies wurde durch die erweiterte Formulierung, dass eine „psychologisch-psychotherapeutische“ Disziplin obligatorisch einzubeziehen ist, im OPS 8‑918.xx in Bezug zur IMST konkretisiert.

Mit der Forderung, dass Psychologische Psychotherapeuten in die Behandlung einzubeziehen sind, wurde für die IMST sichergestellt, dass die verantwortlichen Behandler eine Approbation vorweisen können. Psychologen mit einer Heilpraktikererlaubnis erfüllen diese Anforderung nicht.

Darüber hinausgehend setzt sich die AHK für die Weiterbildung „Spezielle Schmerzpsychotherapie“ für an einer IMST beteiligte PP und KJP ein. Diese Weiterbildung ist mittlerweile Bestandteil der Musterweiterbildungsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer. Die 2011 erstmals definierten und 2016 ergänzten Strukturkriterien der Schmerzgesellschaften legen zudem fest, dass PP/KJ in „Spezieller Schmerzpsychotherapie“ weitergebildet sein sollen, wenn sie Leitungsfunktionen innehaben oder eine spezialisierte schmerzpsychotherapeutische Praxis führen [14, 18] Damit sind mit den für Ärzte geltenden Kriterien vergleichbare Voraussetzungen geschaffen. Leitungsfunktionen in einer Schmerzklinik setzen beim Arzt grundsätzlich eine Zusatzweiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“ voraus.

Das BSG zum Einsatz von Psychologischen Psychotherapeuten als Mindestmerkmal des OPS 8-918.xx

Das BSG entschied mit Urteil vom 27.10.2020, (Az.: B 1 KR 25/19 R) zur Einbindung von Psychologischen Psychotherapeuten in die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie [6].

Die Mindestmerkmale des OPS 8-918.xx aus dem für das BSG-Urteil maßgeblichen Behandlungsjahr 2014

Bekannt ist, dass Krankenhäuser, welche eine IMST abrechnen wollen, die Mindestmerkmale der zu kodierenden Prozedur erfüllen müssen. Die Prozeduren unterstehen einem stetigen Entwicklungsprozess und werden vom DIMDI auf Antrag jährlich angepasst und nach Prüfung durch die entsprechenden Fachgesellschaften für das Folgejahr freigegeben. Im vorliegenden Fall ist dabei der konkrete Wortlaut des OPS 8‑918.xx aus dem Jahr 2014 zu beachten:

Mit einem Kode aus diesem Bereich ist eine mindestens siebentägige interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen (einschließlich Tumorschmerzen) unter Einbeziehung von mindestens zwei Fachdisziplinen, davon eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Disziplin, nach festgelegtem Behandlungsplan mit ärztlicher Behandlungsleitung zu kodieren. Die Patienten müssen mindestens drei der nachfolgenden Merkmale aufweisen:

  • Manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität und/oder der Arbeitsfähigkeit

  • Fehlschlag einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie, eines schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung

  • bestehende(r) Medikamentenabhängigkeit oder -fehlgebrauch

  • schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung

  • gravierende somatische Begleiterkrankung

    Diese Kodes erfordern eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei Fachdisziplinen (obligatorisch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Disziplin) sowie die gleichzeitige Anwendung von mindestens drei der folgenden aktiven Therapieverfahren: Psychotherapie, Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie, sensomotorisches Training, Arbeitsplatztraining, künstlerische Therapie (Kunst- oder Musiktherapie) oder sonstige übende Therapien. Die Therapieeinheiten umfassen durchschnittlich 30min. Der Kode umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein standardisiertes therapeutisches Assessment, eine tägliche ärztliche Visite oder Teambesprechung und eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung.

    Bei Gruppentherapie ist die Gruppengröße auf maximal 8 Personen begrenzt.

    Die Anwendung dieser Kodes setzt die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie bei der/dem Verantwortlichen voraus.

Das Gericht hat mit o. g. Urteil entschieden, dass es für eine Abrechnung der Leistung gemäß OPS 8‑918.xx nicht genügt, wenn psychotherapeutische Behandler lediglich mit einer Heilpraktikererlaubnis zur Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie befugt sind. Das heißt weiterhin, dass es auch nicht ausreichend ist, wenn Diplom-Psychologen/Psychologen MSc, welche sich noch in Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PiA) befinden, allein und ohne verantwortliche approbierte Kollegen in die Behandlung der Patienten einbezogen werden.

Der Entscheidung lag ein Behandlungsfall zu Grunde, bei dem die psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin durch noch in Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten befindliche Diplom-Psychologen/Psychologen MSc in die Therapie einbezogen war. Über eigene oder durch einen Kooperationsvertrag eingebundene Psychologische Psychotherapeuten verfügte das klagende Krankenhaus im entschiedenen Fall nicht.

In seiner Entscheidung stützte sich das BSG auf folgendes Mindestmerkmal:

Diese Kodes erfordern eine interdisziplinäre Diagnostik durch mindestens zwei Fachdisziplinen (obligatorisch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Disziplin).

Hierzu heißt es in der genannten Entscheidung wörtlich:

Der OPS 8‑918 setzt u.a. voraus, dass dann, wenn die psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin an der multimodalen Schmerzbehandlung bei der (Eingangs‑)Diagnostik beteiligt und auch ansonsten in das Behandlungsgeschehen interdisziplinär einbezogen wird, dies nur durch approbierte Psychologische Psychotherapeuten erfolgen darf. (Hervorhebung durch die Autoren)

Das BSG begründet seine Entscheidung mit der gebotenen, eng am Wortlaut orientierten Auslegung.

Der OPS 8‑918 setze hiernach als eines von mehreren Strukturmerkmalen voraus, dass die psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin an der multimodalen Schmerzbehandlung konkret bei der (Eingangs‑)Diagnostik zu beteiligen und auch ansonsten in das Behandlungsgeschehen interdisziplinär einzubeziehen sei.

Die Behandler in der psychologisch-psychotherapeutischen Fachdisziplin müssten zudem approbiert, d. h. Psychologische Psychotherapeuten sein.

Das BSG beruft sich in seiner Entscheidung auf die im Hinweistext des OPS-8-918.xx geforderte Interdisziplinarität der Behandlung. Nur wer über den Grad der fachlichen Spezialisierung verfügt, der sich nach den für die jeweilige Fachdisziplin geltenden Regeln definiert, sei demnach Angehöriger der Fachdisziplin und könne das damit verbundene Wissen und Können in die interdisziplinäre Diagnostik, Behandlung und Besprechung einbringen. Im Fall der Fachdisziplin der Psychologischen Psychotherapie erfordere dies das Bestehen der psychotherapeutischen Prüfung nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV) und darüber hinaus die Approbation.

Auf die Frage, in welcher Form PiA im Rahmen einer IMST eingesetzt werden können und in welcher Form die Verantwortung durch approbierte Psychotherapeuten praktiziert bzw. nachgewiesen werden sollte, wenn beabsichtigt ist, den OPS 8‑918.xx geltend zu machen, wird in der Urteilsbegründung nicht eingegangen.

Dazu hatte sich die Vorinstanz (Landessozialgericht Sachsen, vom 10.04.2019 – L 1 KR 170/15) allerdings bereits eindeutig positioniert. Bezüglich der Psychotherapeuten in Ausbildung wird festgestellt [13]:

Die gebotene eng am Wortlaut orientierte Auslegung ergibt, dass die von dem OPS 8‑918 geforderte Behandlung und Diagnostik durch eine psychiatrische, psychosomatische oder psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin nur erfüllt werden kann, wenn diese unter Verantwortung eines entsprechenden Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychosomatik oder eines Psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt wird. (Hervorhebung durch die Autoren)

Unter Randnotiz (Rn). 41 konkretisiert das LSG dann nochmals, was unter einer Behandlung unter „Einbeziehung“ der Fachdisziplinen Psychologischer Psychotherapeuten zu verstehen ist. Hier heißt es wie folgt [13]:

Rn. 41::

Dies erfordert allerdings nicht, dass die gesamte Behandlung mit allen ihren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen durch Angehörige der beteiligten Fachdisziplinen persönlich erbracht wird. Vielmehr reicht es aus, wenn die Behandlung unter Verantwortung eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychosomatik oder eines Psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt wird. Während das Vertragsarztrecht vom Behandler grundsätzlich den Facharztstandard verlangt, reicht es im Krankenhausbereich im Allgemeinen aus, dass die Behandlung den Anforderungen des Facharztstandards genügt. Ärzte ohne formelle Facharztqualifikation dürfen zwar Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen einer Fachdisziplin erbringen, die Überwachung eines Facharztes des entsprechenden Fachgebiets muss jedoch gewährleistet sein. Hieran knüpft der OPS 8‑918 an, indem er die Vertretung bestimmter Fachdisziplinen im Krankenhaus verlangt. Unter Verantwortung je eines Angehörigen der verlangten mindestens zwei Fachdisziplinen muss die interdisziplinäre Behandlung durchgeführt werden. Daraus folgt, dass ein Krankenhaus Untersuchungen und Behandlungen aus einer Fachdisziplin nur erbringen kann, wenn es über Personal mit entsprechender Qualifikation verfügt. (Hervorhebung durch die Autoren)

Auch zum Thema der Tätigkeit nach dem Heilpraktikergesetz äußert sich das LSG in seiner Urteilsbegründung eindeutig. Hier heißt es, dass „Heilpraktiker im Anwendungsbereich des SGB V zur Versorgung gesetzlich Versicherter nicht zugelassen“ sind [13].

In dieser Deutlichkeit hat sich das BSG in seiner Entscheidung nicht geäußert. Unbekannt ist, ob sich das oberste Gericht der diesbezüglichen Sichtweise des LSG bewusst nicht angeschlossen hat oder ob es nur einen anderen Begründungsansatz gewählt hat.

Zur Frage, ob es nach Ansicht des BSG für die Kodierung des OPS 8‑918.xx ausreicht, wenn die PiA unter Verantwortung eines Psychologischen Psychotherapeuten an IMST mitwirkt, hat sich das BSG ebenfalls nicht ausdrücklich positioniert.

Es heißt in der BSG-Entscheidung unter Rn. 14 lediglich, dass die psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin an der multimodalen Schmerzbehandlung konkret bei der (Eingangs‑)Diagnostik zu beteiligen und auch ansonsten in das Behandlungsgeschehen interdisziplinär einzubeziehen sei. Auch unter Rn. 18 ist von einem Einbeziehen der Vertreter der psychiatrischen oder psychosomatischen Disziplin sowie von einem Mitwirken bei der Eingangsdiagnostik die Rede.

Nach Ansicht der AHK dürfte dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn die verantwortlichen PP/KJP der psychotherapeutischen Fachdisziplin eng in die Diagnostik und Therapie eingebunden werden und dies durch entsprechende Mitzeichnungen in den Behandlungsunterlagen hinterlegt ist. Die regelhafte und dokumentierte Einbindung der PP/KJP in die Teamsitzungen nach Aufnahme bzw. im Behandlungsverlauf belegt diese Einbindung ebenfalls.

In einer erstmals 2011 vom Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e. V. (Berufsverband der Schmerztherapeuten, BVSD) zusammen mit der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG4) der MDK-Gemeinschaft als Konsensuspapier erstellten Begutachtungshilfe wurden ebenfalls formale und inhaltliche Prüfkriterien zum OPS 8‑918.xx operationalisiert und definiert, die immer wieder auch in sozialrechtlichen Verfahren herangezogen werden. 2018 erfolgte unter Einbeziehung der beiden schmerzmedizinischen Fachgesellschaften eine Neuformulierung. Wegen missverständlicher Interpretationen bzgl. des Einsatzes von Psychotherapeuten wurde am 25.04.2019 ein präzisierender Zusatz angefügt: „Die kontinuierliche Einbindung eines approbierten Psychologischen Psychotherapeuten, eines Facharztes für Psychiatrie oder Psychosomatik oder eines ärztlichen Psychotherapeuten in die Behandlung ist notwendig und muss in den Patientenunterlagen eindeutig nachvollziehbar dokumentiert sein“ [19].

Wie bei anderen erlösrelevanten OPS auch, bietet der Schlüssel OPS 8‑918.xx mit seinen Mindestmerkmalen den Kostenträgern zahlreiche Kritik- und damit Angriffsmöglichkeiten [11]. Auf das Verfahren einer Prüfung an sich wurde in einer Übersicht zum Thema „Kontroversen zur Notwendigkeit der stationären Behandlung“ 2020 konkret eingegangen [12]. Einigen sich Krankenhaus und Kasse nach der Prüfung des Medizinischen Dienstes (MD) nicht, bleibt nur die Klärung über die Sozialgerichte. (Mit dem MDK-Reformgesetz vom 01.01.2020 wurde der Medizinische Dienst unabhängig von den Krankenkassen organisiert und wird seit 01.01.2021 als „Medizinischer Dienst“ bezeichnet). Dabei müssen sich Behandler im Klaren sein, dass sich eine gerichtliche Überprüfung des Behandlungsfalls nicht nur auf die ursprüngliche Frage der Krankenkasse und der vom MD erhobenen Einwände im vorgerichtlichen Verfahren beschränken wird, sondern dass im Zweifelsfall jedes Mindestmerkmal der OPS-Kodes einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss. In diesem Zusammenhang wird offensichtlich, dass seitens der Behandler eine lückenlose Behandlungsdokumentation essenziell ist.

Nach dem Urteil des BSG sollten Krankenhäuser, die den OPS 8‑918.xx abrechnungsrelevant kodieren, besonders auf die sorgfältige Dokumentation der Einbeziehung der psychologisch-psychotherapeutischen Disziplin in den Behandlungsunterlagen achten.

In der o. g. Übersicht zu den Kontroversen bezüglich der stationären Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen wurde berichtet, dass dies u. a. durch hohe Prüfquoten insbesondere stationärer Fälle sichtbar wurde [12]. Aufgrund der aktuellen Pandemie mit SARS-CoV 2 sind die Prüfungen vorübergehend reduziert und Strukturprüfungen durch den MD vom letzten Jahr auf die zweite Jahreshälfte 2021 verschoben worden.

Nach der hier besprochenen Entscheidung des Bundessozialgerichts ist jedoch anzunehmen, dass Kostenträger verstärkt dieses Thema in den Mittelpunkt zukünftiger Prüfungen stellen und die Prüfquote bezüglich (teil-)stationärer interdisziplinärer Schmerztherapien wieder deutlich anheben werden.

Fazit für die Praxis

  • Unbestritten stellt die IMST eine evidenzbasierte und unersetzliche Therapie für viele Patienten mit chronischen Schmerzen dar. Anders als viele operative Ansätze ist sie jedoch als konservative Methode im hart umkämpften voll- und teilstationären Sektor des Gesundheitssystems immer wieder schwer durchzusetzen.

  • Die Formulierungen der Komplexziffern (wie eben des OPS 8‑918.xx), die, wie der Begriff „komplex“ schon sagt, vielfältige Aspekte und Merkmale der Qualifizierung und Kooperation heterogener Disziplinen beschreiben, werden leider häufig zum Anlass genommen, diese Therapien überkritisch zu prüfen. Kostenträger und MD versuchen nach Wahrnehmung der Autoren, in einigen Bundesländern mit allen verfügbaren Mitteln im Nachgang zu einer aufwändig durchgeführten Schmerztherapie das Vorliegen der Mindestmerkmale des OPS 8‑918.xx zu bestreiten und damit der Vergütungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu entziehen.

  • Die Krankenhäuser, die eine Schmerztherapie gemäß OPS 8‑918.xx erbringen, müssen vor dem dargestellten Hintergrund also auch die konkrete Einbindung der psychologisch-psychotherapeutischen Fachdisziplin in den Behandlungsunterlagen nachvollziehbar dokumentieren. Dies sollte sowohl im Hinblick auf die Diagnostik als auch auf die weiterführende interdisziplinäre Behandlung erfolgen.

  • Die AHK-IMST der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. befürwortet im Sinne der Qualitätssicherung, dass die Voraussetzung für die Einbindung von PiA in Diagnostik und Therapie innerhalb einer IMST eine supervidierte und zu dokumentierende Tätigkeit unter für die Behandlung verantwortlichen approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Rahmen der obligatorischen Zusammenarbeit im Team ist. Die Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz erfüllt auch nach unserem Verständnis diese Voraussetzung nicht.

  • Das BSG unterstreicht in seinem Urteil die Notwendigkeit einer Approbation bei denjenigen psychotherapeutisch tätigen Mitarbeitern, die an einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie als Therapeuten teilnehmen, und trägt damit zur Qualitätssicherung der IMST bei.

  • Es steht allerdings zu befürchten, dass das Urteil von Kostenträgern zum Anlass genommen wird, die IMST wieder häufiger in Frage zu stellen und Prüfquoten zu erhöhen.