Umsatzsteuerfreiheit von Gutachtertätigkeiten für den Medizinischen Dienst

Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und an die neuen Erkenntnisse des EuGH angepasst (BFH, Urteil vom 24.02.2021 - XI R 30/20 (XI R 11/17). Diese Rechtsentwicklung ist für Ärzte und wissenschaftlich selbstständig tätige Steuerpflichtige (z.B. in Nebentätigkeit), welche Gutachten für den Medizinischen Dienst (MD) erstellen, von besonderem Interesse.

Die Umsatzsteuersteuerbefreiung ist nun an strengere Voraussetzungen geknüpft, als es bisher der Fall war. In der Begründung seines Urteils ist der BFH dabei vorwiegend auf die beiden Schwerpunkte des mittelbaren Tätigwerdens als Subunternehmer eines Vertragspartners der Sozialversicherungsträger sowie des mittelbaren Tragens der Kosten durch einen Sozialversicherungsträger eingegangen.

Der Fall

Klägerin und Revisionsbeklagte ist eine ausgebildete Krankenschwester mit einer akademischen Ausbildung im Bereich der Pflegewissenschaften. Für den MDK Niedersachsen erstellte sie in den Streitjahren 2012 bis 2014 Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Die Abrechnung (per Gutschrift durch den Leistungsempfänger) der Leistungen durch den MDK erfolgte einerseits steuerfrei ohne Umsatzsteuerausweis, jedoch nahm die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug auf die mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Eingangsleistungen vor.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klägerin änderte das Finanzamt die bisherige Veranlagung und unterwarf die Umsätze der Klägerin der Umsatzsteuer, da die Gutachtertätigkeit nach dessen Einschätzung weder nach nationalem noch nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer befrei ist. Das Finanzamt ging dabei von einer Bruttopreisvereinbarung aus und rechnete die Umsatzsteuer aus den strittigen Umsätzen heraus. Die Festsetzung der Umsatzsteuer 2012 und 2013 sowie die Vorauszahlungen für die Quartale I bis III des Jahres 2014 erfolgte im Februar 2015. Die Klage gegen die erfolglos eingelegten Einsprüche hingegen war weitestgehend erfolgreich.

Der BFH setzte das durch das Finanzamt eingeleitete Revisionsverfahren mit Beschluss vom 10.04.2019 – XI R 11/17 (BStBl 2019 II S. 683) aus und legte dem EuGH drei Fragestellungen im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vor. Der BFH entschied das Revisionsverfahren auf Grundlage des EuGH-Urteils (Beantwortung der Fragen des BFH) vom 08.10.2020 – Rs. C-657/19 (NWB TAAAH-60469).

Die Entscheidung

Der BFH stellt klar, dass das Finanzgericht die Steuerbefreiungen (§ 4 Nr. 14, Nr. 15, Nr. 15a und Nr. 16 UStG) auf nationaler Gesetzeslage zwar zu Recht versagt, jedoch die Berufung der Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unzutreffenderweise bestätigt habe. Der BFH gibt damit der Revision des Finanzamts statt und verweist die Klage zur erneuten Verhandlung an das FG zurück.

Im Mittelpunkt der durch die Klägerin erstellten Gutachten steht bekanntlich nicht die Förderung der Gesundheit des Patienten, sondern vielmehr die Verschaffung der Grundlage für die Entscheidungsfindung der Pflegekassen über die Pflegebedürftigkeit und den Pflegegrad eines Patienten. Die Klägerin als Subunternehmerin des MDK ist damit beauftragt, Erkenntnisse für eine Einordnung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zu liefern und eben nicht über eine medizinische Therapie zu befinden. Der BFH erkannte zwar an, dass das Finanzgericht die Berufung der Steuerpflichtigen auf das Unionsrecht in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der „engen Verbundenheit mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit“ gegeben ist, jedoch sei die Klägerin selbst nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter durch die BRD anerkannt. Die Anforderungen für eine Bewilligung als solche Einrichtung bestimmen die Mitgliedsstaaten selbst. Die Subunternehmereigenschaft und das Tätigwerden der Klägerin für den MDK reicht nicht aus, es sei denn, es wurde im Vorfeld ein Vertrag über die entsprechenden Leistungsbeziehungen unmittelbar mit der Pflegekasse geschlossen.

Auch die mittelbare Kostenübernahme durch die Einrichtung der sozialen Sicherheit, wie in bisheriger Rechtsprechung ausgelegt, ist nach dem ergangenen EuGH-Urteil nicht mehr ausreichend.


Fazit

Das Urteil des BFH ist für die Betroffenen, die als Gutachter für den Medizinischen Dienst tätig werden, sicher wenig erfreulich, da die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Tätigkeit an strengere Voraussetzungen als bisher geknüpft ist. Gleichwohl stellt die Entscheidung nichts anderes dar als die konsequente Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH.