PresseDKOU
Pressemitteilung zum DKOU 2021

DSGVO behindert medizinische Notfallversorgung und gefährdet Menschenleben

Pressekonferenz DKOU Prof. Dr. Pennig
© Intercongress

Professor Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), mahnt auf der Pressekonferenz des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin an, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Menschenleben in der Notfallmedizin gefährdet, und sagt: „Die Auslegung der DSGVO gefährdet Menschenleben. Das ist unverantwortlich!“ Der Experte fordert zur besseren Notfallversorgung der Patienten und Patientinnen eine Anpassung der Datenschutzregeln.

Ein Expertenkreis entwickelte 2008 das TraumaNetzwerk DGU®, welches Professor Pennig seit Jahren vertritt. Das flächendeckende TraumaNetzwerk DGU® besteht aus 53 einzelnen Netzwerken. Jedes Netzwerk besteht wiederum aus einem Maximalversorger, also einem hochspezialisierten Krankenhaus für die Notfallversorgung; hinzu kommen regionale und lokale Zentren. Ziel ist es, die Notfallpatienten und Notfallpatientinnen zum Beispiel bei einem Autounfall oder einem Massenanfall von Verletzten in das nächstmögliche Krankenhaus zu transportieren, aber unter zwei Berücksichtigungen: A) die notwendige Spezialisierung ist dort ausreichend für die Verletzungen der Patienten und Patientinnen sowie B) die dortige Kapazität ermöglicht dies ad hoc.

Zum TraumaNetzwerk DGU® gehört das TraumaRegister DGU®. In dieses Register geben die teilnehmenden Krankenhäuser Daten zu jedem Notfall ein. So werten die Experten im Rhythmus von drei Jahren aus, welche Behandlungen bei welchen Verletzungen und welchen Patienten die besten Resultate erzielen. Auf Basis dieser Auswertungen passen die Experten die bisherigen Behandlungen an, um auch zukünftig bessere Behandlungserfolge und Überlebenschancen zu erreichen. Die DSGVO erschwert den Kliniken die Einpflege dieser Daten von der Notarztversorgung bis zur Entlassung aufgrund rechtlicher Vorgaben, was zu einem Rückgang der Nutzung des Registers führt.

Andere Länder lösen das Kostenproblem besser als Deutschland
Das TraumaNetzwerk DGU® finanziert sich aus Beiträgen der teilnehmenden Krankenhäuser. Darin sieht Professor Pennig einen großen Vorteil für die Patienten und Patientinnen: „Das TraumaNetzwerk DGU® erhöht die Überlebenschancen der Patienten, ohne dass ihnen Kosten entstehen.“ Genau darin sieht der Generalsekretär der DGU nun Handlungsbedarf und fordert: „Die teilnehmenden Kliniken verbessern seit Jahren die Notfallversorgung und bleiben auf den Zusatzkosten sitzen. Das ist unerträglich!“ Die Kosten für das TraumaNetzwerk DGU® tragen seit jeher die Kliniken selbst. Nach Jahren der Entwicklung und Einführung muss sich laut Pennig die öffentliche Hand an den Kosten beteiligen: „Andere Länder fördern solches Engagement mit finanzieller Beteiligung.“

Eine Datenbank, die Leben rettet – doch die DSGVO erschwert die Nutzung
Zum TraumaNetzwerk DGU® gehört das TraumaRegister DGU®, das 1993 an den Start ging und seitdem etwa 400.000 Behandlungsverläufe dokumentiert. Etwa 700 teilnehmende Krankenhäuser tragen die Datensätze ein, die der nationalen Qualitätssicherung dienen und am Ende nur ein Ziel verfolgen, sagt Pennig: „Wir sammeln Daten in der Schwerverletztenversorgung, um unsere Behandlungen zu verbessern. Wir wollen die Überlebenschancen bei schweren Unfällen weiter erhöhen.“ Genau diese dazu notwendige Dateneingabe stellt Krankenhäuser seit Einführung der DSGVO im Jahr 2018 vor Probleme. Die administrativen und rechtlichen Hürden behindern die Einpflege, mit Folgen für schwerverletzte Patienten und Patientinnen, sagt Pennig: „Die Zahl der eingegebenen Patientenfälle reduzierte sich durch die DSGVO dramatisch. Allein 2019 sank die Aufnahmequote um 17 Prozent.“ Pennig und seine Kollegen und Kolleginnen befürchten, dass die Zahlen nicht mehr valide, also nicht mehr belastbar für Verbesserungen, sind.

Schuld daran ist nach Ansicht des DGU-Generalsekretärs die überzogene Interpretation der Datenschützer zum rechtssicheren Umgang mit den Daten, welcher gleichzeitig praxisfern sei, was ihn ärgert: „Wir wollen pseudonymisierte Daten rechtssicher verwenden, auch ohne Einwilligungserklärung.“ Pennig ergänzt: „Schwerstverletzte und Verstorbene können keine Einwilligung geben. Die gesetzliche Datensicherung ist in diesem Fall absurd.“

Seine Forderung lautet: „Ein Registergesetz senkt die DSGVO-Hürden und unterstützt die Lebensrettung. Mit einem Registergesetz könnten Datenschützer und Unfallchirurgen gut leben.“


Aktualisierte Fassung vom 8.11.2021 der Pressemitteilung vom 26.10.2021


Prof. Dr. Dietmar Pennig ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) sowie Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Er ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie des St. Vinzenz-Hospitals in Köln.

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