Zuwendungen aus der Privatwirtschaft

Amazon, Google, Gilead: Die Spendenliste des BMG

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Berlin -

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) war in den Jahren 2019 und 2020 der mit weitem Abstand größte Empfänger privater Spenden unter den Bundesministerien und den obersten Bundesbehörden. 164 Millionen Euro erhielten diese in den beiden Jahren aus der Privatwirtschaft – 80 Prozent davon gingen ans BMG. Unter den Sponsoren finden sich neben Pharmaunternehmen wie Bayer oder Sanofi auch Facebook und Google – also just in dem Zeitraum, als Hausherr Jens Spahn mit dem Suchmaschinengiganten einen Deal für sein „Nationales Gesundheitsportal“ geschlossen hatte.

Die Zuwendungen der Privatwirtschaft an die Bundesregierung und die obersten Bundesbehörden sind in den Jahren 2019 und 2020 sprunghaft angestiegen: Die Summe wuchs von 98,4 Millionen Euro 2017 und 2018 auf 164,1 Millionen – ein Anstieg von 67 Prozent. Von der Gesamtsumme entfallen rund 3,7 Millionen Euro auf insgesamt 14.427 Kleinleistungen bis zu einer Höhe von 5000 Euro und rund 160,4 Millionen Euro auf insgesamt 519 Leistungen von höherem Wert. Das geht aus dem neuen Integritätsbericht der Bundesregierung hervor, der APOTHEKE ADHOC vorliegt. „Diese Erhöhung ist im Wesentlichen auf deutlich höhere Leistungen (91 Prozent) für das BMG zur Bewältigung der Corona-Pandemie zurückzuführen“, heißt es darin. Fast 132 Millionen Euro hatte Spahns Haus in den beiden Jahren durch zusammen 733 sogenannte Sponsoringleistungen erhalten, 46 davon über 5000 Euro wert.

Verwendungsschwerpunkte seien „Sachzuwendungen zur Unterstützung der Bewältigung der Corona-Pandemie sowie Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention durch Informationskampagnen insbesondere der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ gewesen. „Ein wesentlicher Anteil bestand dabei in der kostenlosen Überlassung von Plakatfreiflächen, deren Wert auf Basis des Verkehrswertes ermittelt wird“, heißt es im Bericht. Knapp die Hälfte des BMG-Geldes ging deshalb an die ihm nachgeordnete BZgA. 66 Millionen Euro erhielt sie.

Größter Einzelspender war der Chemiekonzern BASF, der dem BMG persönliche Schutzausrüstung im Wert von 42,5 Millionen Euro zur Verfügung stellte, Produkte im Wert von 4,2 Millionen Euro kamen von Volkswagen. Als zweitgrößter BMG-Spender wird jedoch Gilead aufgeführt: Arzneimittel im Wert von 5,3 Millionen Euro hatte die deutsche Niederlassung des US-Konzerns dem BMG überlassen. Gilead produziert das Virostatikum Remdesivir, das 2020 eine Zeitlang als vielversprechendes Mittel gegen Corona gehandelt wurde. Anfang Juli 2020 erklärte Spahn, es gebe davon genug Reserven, weil sich die Bundesrepublik frühzeitig Vorräte gesichert habe, berichtete die Tagesschau damals.

Auch andere Pharmagrößen gehören zu den BMG-Spendern: Sandoz mit einer Arzneimittelspende im Wert von 100.000 Euro, Novartis und MSD mit Persönlicher Schutzausrüstung für 117.000 und 120.000 Euro. AstraZeneca ließ Masken und andere Schutzausrüstung für 351.000 Euro springen, Sanofi wiederum spendete Arzneimittel im Wert von 400.000 Euro.

Doch nicht nur Pharma- und Industrieunternehmen machten Millionen locker. Auch Amazon spendete Schutzausrüstung in Höhe von 117.000 Euro an das BMG, der chinesische Konkurrent Alibaba sogar für 585.000 Euro. Einen Beigeschmack haben jedoch vor allem die Zuwendungen zweier Digitalkonzerne: Facebook und Google treten als Sponsoringpartner in Höhe von 1,7 und knapp 2,1 Millionen Euro auf, weil sie dem BMG „Gutscheine zur Platzierung von Informationen“ zur Verfügung stellten. Ausweislich des Berichts war deren Zweck die „Bewältigung der Coronapandemie“.

Just gegen Ende des Berichtszeitraumes – im November 2020 – verkündete Hausherr Spahn dann seinen Deal mit Google-Europachef Philipp Justus: Die Suchmaschine sollte Spahns „Nationales Gesundheitsportal“ in den Suchergebnissen vor anderen digitalen Gesundheitsangeboten bevorzugt darstellen. Damit löste er breiten Protest nicht nur aus der Verlags- und Medienbranche aus, sondern auch der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein. Es folgten Klagen von Burda sowie Wort & Bild. Bereits im Februar untersagte das Landgericht München I die Zusammenarbeit. Auf parlamentarische Anfrage dementierte das BMG, dass es überhaupt vertragliche oder finanzielle Beziehungen zu Google gebe – Spahns Deal war offenbar eine Abmachung per Handschlag.

Im aktuellen Integritätsbericht taucht das Nationale Gesundheitsportal unterdessen in den internen Revisionen auf: Demnach hatte das Softwarehaus 4Germany UG im Rahmen eines Fellowship-Programms von Juni bis November 2020 einen Mitarbeiter in das BMG entsendet, um den Aufbau des Portals mit Fachkenntnissen in „Methoden- und Fachkompetenz der modernen Arbeitswelt (z. B. agiles Projektmanagement, Design Thinking, Change Management) und vertieftem Verständnis für digitale Arbeitsweisen (z. B. eVerwaltungsarbeit; Entwicklung und Implementierung IT-gestützter Anwendungen/Module)“ zu unterstützen. Die Bundesrepublik hatte die 4Germany UG, mittlerweile in DigitalService4Germany GmbH umbenannt, dann im September 2020 für einen mittleren fünfstelligen Betrag aufgekauft, um sie zu einem internen Digitaldienst auszubauen. Der Gedanke dahinter ist, künftig digitale Angebote wie die Corona-WarnApp nicht mehr ausschreiben zu müssen, sondern diese Leistungen selbst abbilden zu können, wie das die Regierungen anderer Industrienationen bereits tun.

Die Anti-Korruptions-NGO Transparency International kritisiert den Einsatz externer Mitarbeiter als unnötig. „Sofern es Teil der vorgesehenen staatlichen Aufgabenerfüllung einer Behörde ist, Aufklärungsarbeit zu leisten oder Material zu beschaffen, so dient zur Finanzierung die allgemeine Erhebung von Steuern und Gebühren. Das ist insofern kein Unterschied dazu, ob es sich um die Personalkosten in einem Referat eines Ministeriums handeln würde“, erklärt Norman Loeckel, Leiter der Arbeitsgruppe Transparente Verwaltung. „Eine Parallele gab es Anfang der 2000er Jahre, als in größerem Umfang von externen Unternehmen entsandte und bezahlte Mitarbeiter in Bundesministerien eingesetzt wurden – eine Praxis, die bei Bekanntwerden große Kritik auf sich zog und mittlerweile weitgehend eingestellt wurde.“

Der 4Germany-Mitarbeiter war eine von gerade einmal 23 externen Personen, die laut Bericht in dem Zeitraum für die Ministerien arbeiteten. Gemessen an den 539.381 Beschäftigten der Bundesverwaltung sei ihr Anteil mit 0,00426 Prozent „verschwindend gering“, so der Bericht. Das gleiche gelte für den Anteil der Sponsoring- und Spendensummen im Verhältnis zum Bundeshaushalt mit seinen 716 Millionen Euro in den Jahren 2019 und 2020.

Transparency International hält sich an diesen Größenverhältnissen nicht fest, sondern kritisiert grundlegend, dass die Bundesregierung an der Praxis von Sponsoring und Spenden festhält. „Generell ist es kritisch zu sehen, wenn staatliche Aufgaben durch externe Private finanziert werden“, so Loeckel. „Im vorliegenden Einzelfall mag vielleicht keine konkrete Absicht seitens der Firmen vorhanden gewesen sein, sich über diese Art von Sponsoring mit der Regierung gut zu stellen oder Einfluss zu gewinnen. Allerdings genügt bereits der schlechte Anschein, um in der Öffentlichkeit die Unabhängigkeit der Behörden infrage zu stellen, sofern es künftig zu Entscheidungen zugunsten eines beteiligten Unternehmens kommt.“

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