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Kliniken müssen zu viele Patienten aufnehmen - und zahlen dafür Strafe: „Wie krank ist unser Gesundheitssystem?“

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In der Metropolregion Nürnberg sind einige Krankenhäuser voll. Trotzdem nehmen sie Patienten weiter auf - dafür werden sie bestraft. Ein Arzt zeigt seinen Frust.

Fürth - In den vergangenen Wochen sind die Corona-Inzidenzen in ganz Bayern wieder deutlich gestiegen. Einige mittelfränkische Regionen wie etwa Fürth*, Nürnberg* oder Erlangen* weisen inzwischen einen Wert über - beziehungsweise nahe - der 100er-Marke auf. Ein Teil der Corona-Patienten erkrankt dabei so schwer, dass nur noch der Weg ins Krankenhaus bleibt. Beispielsweise ins Klinikum Fürth.

Von der Lage vor Ort berichtet nun dessen medizinischer Direktor der nicht-operativen Bereiche und Arzt Dr. Manfred Wagner in einem Video auf Instagram. Der Mediziner ist schon seit einigen Monaten unter dem Namen „doc.m.wagner“ auf der Plattform unterwegs - und kommentiert immer wieder aktuelle Geschehnisse in der Pandemie.

Fürther Arzt richtet Hilferuf an Jens Spahn: Kliniken müssen für Überbelegung Strafe zahlen

Der Grund für sein aktuelles Video sind die Strafzahlungen, die die Klinik derzeit erhält, weil sie die Patientenversorgung aufrecht erhalten möchte. „Wir haben wieder die Situation, dass die Kliniken in einer finanziell äußert prekären Lage sind“, erklärt er. Im Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen seien die Kliniken und Intensivstationen voll - das liege jedoch nicht nur an der Corona-Pandemie, sondern vor allem an Patienten, die nicht an Covid-19 erkrankt sind. Jetzt kämen noch die steigenden Corona-Zahlen dazu.

Eine Klinik kann laut der Aussage von Wagner nur so viele Menschen aufnehmen, wie Pflegepersonal vorhanden ist. Das Ganze nennt sich Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG). „Es ist ein sinnvolles Instrument, weil man damit die Qualität der Pflege und einer würdigen Behandlung der Patienten sicher stellen will“, sagt er. Dadurch seien jedoch im gesamten Großraum die Kapazitäten begrenzt, da ein Pflegemangel besteht.

Doch hier offenbart sich nun das Problem: In die Kliniken kommen mehr Patienten, als derzeit aufgrund der Pflegepersonaluntergrenze erlaubt sind. „Wir nehmen sie natürlich auf, weil wir eine Verpflichtung gegenüber unseren Patienten haben und wir sie gut behandeln wollen“, sagt der Mediziner. Die Kliniken hielten trotzdem die Versorgung der Bevölkerung aufrecht - allerdings auf den Rücken der Mitarbeiter.

Strafzahlungen für Kliniken: Fürther Mediziner fordert sie auszusetzen

Dafür gibt es laut Wagner jedoch keine Belohnung, sondern Strafzahlungen. Wenn ein Krankenhaus die PPUG unterschreitet, muss es eine Strafe zahlen. „Wie krank ist eigentlich unser Gesundheitssystem?“, fragt der Arzt. Darum stellt Manfred Wagner an den derzeitigen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die kommende Bundesregierung zwei Forderungen. Einmal die Arbeitsbedingung so zu verbessern, dass sich wieder mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Und zum Zweiten, ab sofort die Strafzahlungen bei der Unterschreitung der PPUG für die Kliniken auszusetzen. „Damit wir wenigstens finanziell sicher weiterarbeiten können“, sagt Wagner.

Für dieses Video bekommt er neben Zustimmung jedoch auch viel Kritik - vor allem von Menschen, die selbst in der Pflege arbeiten. „Kann ich als Pflegekraft und angehender Mediziner nicht unterstützen. Strafzahlungen bei Nichteinhaltung von Personaluntergrenzen sind insofern richtig, als dass sie den Kliniken wehtun und sie sich zumindest einigermaßen um genug Personal kümmern.

Kein Kompensieren einer prekären Gesundheitsversorgung auf dem Rücken des Pflegepersonals“, kommentiert jemand unter den Post auf Instagram. Eine andere Userin schreibt: „Ich kann den Appell gut verstehen, es kann im schlimmsten Fall den finanziellen Ruin für ein Haus bedeuten. Ich teile aber auch die Befürchtung, dass eben genau dieses Aussetzen ausgenutzt wird. Wäre eine zeitliche Begrenzung für Akuthäuser eine Lösung/Alternative?“

Fürther Arzt zu Strafzahlungen für Kliniken: „Wir werden in die Überbelegung gehen müssen“

Dr. Manfred Wagner hat daraufhin eine Klarstellung zu seiner Forderung online gestellt. „Ich kann nur die Situation schildern, wie es bei uns im Großraum ist“, sagt er. „Die Möglichkeit, Patienten in andere Krankenhäuser zu verlegen, die besteht de facto nicht.“ Die anderen Kliniken seien genauso voll, wie die in Fürth. Das wisse er deshalb so genau, da er mehrmals in der Woche mit allen Pandemiebeauftragten im Austausch sei. „Wir werden also in die Überbelegung gehen müssen, weil wir gar keine andere Option haben.“

Seine Meinung ist deshalb momentan: Wenn die Kliniken die Strafzahlungen leisten müssen, kommen sie in finanzielle Engpässe und so leidet wieder das Pflegepersonal, da der Druck erhöht wird. Er verstehe jedoch auch die Aussage, dass wenn man die Strafzahlungen aussetzt, das Ganze kaschiert wird und die Pflege wiederum das ausbaden muss. „Es geht mir nicht darum, in einer schnellen Aktion dafür zu sorgen, dass die Krankenhäuser wieder hier schalten und walten können“, sagt er. „Ich finde es einfach nur abstrus, dass Organisationen dafür bestraft werden, in einer Notsituation die Versorgung aufrecht erhalten.“ Es braucht seiner Meinung nach bessere Lösungen. (ly) *Merkur.de/bayern ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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